Bei unwirksam beurkundetem Pflichtteilsverzicht haftet der Notar
Vorsicht bei vollmachtloser Vertretung – nicht immer ist eine Genehmigung möglich!
Verletzt ein Notar fahrlässig seine Amtspflicht, indem er die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts unter Beteiligung eines vollmachtlosen Vertreters anstelle des Erblassers persönlich vornimmt, haftet er für die daraus entstehenden Schäden. Dies entschied kürzlich der Bundesgerichtshof und stellte klar, dass auch eine anschließende Genehmigung durch den Erblasser dem nichtigen Vertrag nicht zur Wirksamkeit verhelfen konnte.
Drum prüfe, wer „wen“ bindet …
Ein Landwirt hatte zwei Töchter, machte aber nur eine davon per Testament zur Hof- und Alleinerbin. Die andere Tochter verzichtete in einem notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag gegenüber ihrem Vater auf ihr Pflichtteilsrecht, erklärte sich bezüglich des Hofes für ausreichend abgefunden und verzichtete gegenüber Vater und Schwester auch noch auf Abfindungsansprüche nach der Höfeordnung. In der gleichen Urkunde verpflichtete sich die erbende Tochter wiederum zur Zahlung einer Abfindung von 30.000 € an ihre Schwester. So weit, so gut, die Sache hatte nur einen Schönheitsfehler: Bei der Beurkundung war der Vater nicht persönlich anwesend, sondern „nur“ durch eine vollmachtlose Mitarbeiterin des Notars vertreten. Deren Erklärung genehmigte er später – wirksam, wie zunächst alle meinten. Nach dem Tod des Vaters machte die zweite Schwester Pflichtteilsansprüche gegen ihre allein- und den Hof erbende Schwester geltend und berief sich zur Verwunderung aller Beteiligten auf die Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts. Die alleinerbende Schwester – nun ärgerlich geworden – meinte, der Notar sei an allem schuld und klagte auf Feststellung, dass dieser für sämtliche Schäden ersatzpflichtig sei, die entstanden waren, weil sämtliche Verzichtserklärungen unwirksam waren. Sie bekam recht.
… ob sich nicht doch der richtige Unterzeichner findet!
Die Richter:innen des Bundesgerichtshofs ließen keinen Zweifel daran, dass der Notar wegen Verletzung seiner Amtspflicht haften musste, weil er den Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkundet hatte, ohne dass der Vater persönlich dabei war. Missachtet hatte der Notar nämlich eine Vorschrift des BGB, nach der ein Erblasser einen solchen Vertrag nur persönlich schließen kann. Folglich konnte der Vater die Erklärung der vollmachtlosen Vertreterin später weder genehmigen, noch konnte er das Verzichtsangebot wirksam annehmen. Der Schaden der alleinerbenden Schwester lag darin, dass sie sich Pflichtteilsansprüchen ihrer Schwester ausgesetzt sah. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten waren nicht ersichtlich: Insbesondere hatte sie keinen Anspruch gegen ihre Schwester auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags geerbt, denn dessen Erfüllung war mit dem Tod des Vaters unmöglich geworden. Ein Pflichtteilsverzicht kann nämlich nur zu Lebzeiten eines Erblassers geschlossen werden.
Vorsicht bei „höchstpersönlichen“ Rechtsgeschäften
Das Urteil verdeutlicht, dass der Erklärende bei sogenannten höchstpersönlichen Rechtsgeschäften (Eingehen der Ehe, Errichtung eines Testaments/Erbvertrags) unbedingt persönlich eine eigene Willenserklärung abgeben muss; hierbei ist eine Vertretung gesetzlich ausgeschlossen und anderweitige Vereinbarungen sind nicht möglich. Dies gilt es zu beachten. Zum Schluss gab der Bundesgerichtshof den Beteiligten noch mit auf den Weg, dass der unwirksame und deshalb insgesamt nichtige Vertrag auch nicht durch eine andere Auslegung hätte gerettet werden können: in dem Sinne, dass unter den Töchtern für den Fall der Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts ein Erbschaftsvertrag geschlossen sein sollte, der die Schwester verpflichtete, nach dem Tod des Vaters den Pflichtteilsanspruch (hinsichtlich des hoffreien Vermögens) zu erlassen. Ein dahingehender Wille kam nicht deutlich genug zum Ausdruck.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2024 – IV ZR 263/23