New Work im Unternehmen: Rechtssicher im Homeoffice – auch nach Corona

 

Am 20.3.2022 wurde die Homeoffice-Pflicht in Deutschland abgeschafft. Das ifo-Institut hatte ein nachhaltiges Homeoffice-Potenzial von 56 % ermittelt. Tatsächlich arbeiten, so der Stand Anfang Mai, knapp 25 % der Deutschen zumindest teilweise noch mobil, also vor allem im Homeoffice. Das ist ein weit höherer Prozentsatz als vor der Pandemie und lässt die Annahme zu, dass sich viele Unternehmen auf nachhaltig flexible Arbeitsmodelle eingestellt haben. Doch wie kann man diese, gerade im laufenden Arbeitsverhältnis, rechtssicher gestalten? Unser Experte klärt auf.

Interview: Michael Huth


Auf welcher Grundlage können Beschäftigte aktuell im Homeoffice arbeiten?

Huth: Zunächst bedarf es immer einer Vereinbarung: entweder individuell für den einzelnen Beschäftigten oder auf kollektiver Ebene per Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag. Manche Arbeitgeber unterbreiten statt einer Vereinbarung einseitige Angebote an ihre Belegschaft – auch das kann ein guter Weg sein. So oder so darf man das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn es einen gibt, nicht vergessen. Übrigens möchte ich lieber von mobiler Arbeit als vom Homeoffice sprechen. Denn in den meisten Unternehmen geht es nicht um einen festen Schreibtisch in der Wohnung, sondern einfach darum, die Beschäftigten nicht durchgängig zur Präsenz im Büro zu verpflichten. Von wo aus sie dann arbeiten, ist meist gar nicht so wichtig.

Was ist mit mobiler Arbeit konkret gemeint? Was ist das Besondere daran?

Huth: Zu den Definitionsmerkmalen des Arbeitsverhältnisses gehört, dass ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten Weisungen erteilen kann, auch zum Arbeitsort. Gesteht nun der Arbeitgeber seinen Beschäftigten das Recht zu, zumindest teilweise von einem Ort ihrer Wahl aus zu arbeiten, verzichtet dieser Arbeitgeber auf Teile seines Direktionsrechts. Mit der örtlichen Mobilität ist meistens eine ausgeweitete Arbeitszeitflexibilität verknüpft. Feste Arbeitszeiten sind zwar theoretisch auch bei mobiler Arbeit denkbar, kommen aber in der Praxis kaum vor. Ganz wichtig ist: Die gesetzlichen Regeln zur Arbeitszeit gelten auch bei mobiler Arbeit. Dazu zählen das Einhalten der Höchstarbeitszeit ebenso wie Pausen- und Ruhezeiten sowie das Verbot der Sonntagsarbeit. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, die Einhaltung dieser Schutzvorschriften sicherzustellen.

Was muss ein Unternehmen in Sachen Datenschutz, IT-Sicherheit und Arbeitsschutz beachten?

Huth: Datenschutz und IT-Sicherheit gelten uneingeschränkt. Beides zu gewährleisten, kann je nach Sicherheitsbedürfnissen der Branche oder der konkreten Tätigkeit, eine anspruchsvolle Aufgabe sein. Das muss man sich im Einzelfall ansehen. Ungeklärt ist leider noch, wie der Arbeitsschutz bei mobiler Arbeit sichergestellt werden kann. Vieles lässt sich nur schlecht, zum Teil auch gar nicht vom Arbeitsplatz im Büro auf das Homeoffice übertragen. Es wird einen Unterschied machen, ob die Beschäftigten das bloße Recht haben, auch einmal mobil zu arbeiten, oder ob der Arbeitgeber feste heimische Arbeitsplätze vollständig einrichtet, wie es ein enges Verständnis des Begriffs „Homeoffice“ nahelegen würde. Zurzeit rate ich dazu, die Beschäftigten ganz allgemein auf die Richtlinien zur Bildschirmarbeit oder Pausen- und Ruhezeiten hinzuweisen und sie mit Blick auf die Überlastungsgefahren, die aus der fehlenden Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem resultieren, ergänzend zu schulen. 

Worauf sonst müssen Geschäftsführer achten, wenn sie das mobile Arbeiten verbindlich regeln möchten?

Huth: Die erforderlichen Vereinbarungen wollen gut durchdacht sein. Denn es stellt sich eine Vielzahl von Fragen: Welche Tätigkeiten kommen für die mobile Arbeit infrage? Wird eine Regelung allen Beschäftigten gerecht – auch denen, die sich im Büro vielleicht wohler fühlen? Wie stelle ich künftig die sozialen Kontakte in der Belegschaft sicher? Wie gelingt das Onboarding? Wie frei soll der einzelne Beschäftigte über die Homeofficetage selbst entscheiden können? Welche Rechte will und muss ich mir als Arbeitgeber vorbehalten, z.B. feste Präsenzzeiten im Büro? Wen müssen Beschäftigte über Mobilarbeit informieren? Wie lange im Voraus? Ist es überhaupt notwendig? Soll der Vorgesetzte zustimmen? Welche Anpassungen zur Arbeitszeit sind sinnvoll? Die meisten Arbeitgeber wissen, wie schwierig es ist, großzügige Regelungen für die Belegschaft später wieder einzuschränken. So sehr ich die Euphorie für die flexiblen Möglichkeiten der mobilen Arbeit teile, so weiß ich aus der Beratung auch um die Diskussionspunkte. Dennoch glaube ich, dass es gute Praxis ist, das Thema offen anzugehen und nicht allzu ängstlich zu sein. Nicht zuletzt hat der Umgang mit der Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Belegschaft mit dem Arbeitgeber und damit zwangsläufig auf die Arbeitgebermarke. Es kann sich anbieten, mit einer Erprobungsphase oder erst einmal klein zu starten, zum Beispiel nur einen Tag mobiler Arbeit pro Woche zuzulassen, und das Modell erst später auszuweiten.

Kann die mobile Tätigkeit eigentlich auch im Ausland ausgeübt werden?

Huth: Im Prinzip schon. Nur sollte man damit vorsichtig sein. Denn das Lohnsteuerrecht und vor allem das Sozialversicherungsrecht stellen die Arbeitgeber beim Homeoffice im Ausland vor neue Herausforderungen. Der allgemeine Sozialversicherungsschutz der Beschäftigten endet nun einmal an der Grenze. Wie stellt man also sicher, dass man als Arbeitgeber keinen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten im Ausland unterliegt? Viele Arbeitgeber wissen gar nicht, dass sie für etwaige Krankenbehandlungskosten ihrer Arbeitnehmer im Ausland eintrittspflichtig sein können. Vor allem aber darf der Versicherungsschutz der Beschäftigten nicht gefährdet werden. Besonders wichtig ist das für die Unfall- und die Krankenversicherung, zumal daran in vielen Fällen auch die Versicherung der Familienangehörigen hängt. Natürlich gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen, etwa für Dienstreisen. Ob der Schutz gewährleistet ist, lässt sich aber nur für den Einzelfall sagen. Dies gilt schon für die Nachbarländer, erst recht außerhalb der EU. Wir helfen gerne bei der Klärung, empfehlen jedoch, die allgemeinen betrieblichen Regelungen zur mobilen Arbeit zunächst auf das Inland zu beschränken. Das ist für international organisierte Arbeitgeber oder international vernetzte Beschäftigte leider eine bittere Wahrheit.

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Alexander Kirsch

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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