Nachholung einer unterlassenen Entnahmebesteuerung i.R.d. § 23 EStG

Kernaussage

Das FG Rheinland-Pfalz hat aktuell entschieden, dass bei einer unterbliebenen Entnahmebesteuerung innerhalb der 10jährigen Spekulationsfirst der damalige Buchwert als fiktive Anschaffungskosten zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

Eine aus zwei Geschwistern bestehende Grundstücksgemeinschaft (Klägerin) veräußerte mit Vertrag vom 23.05.2016 ein fremdvermietetes Grundstück, dass sie durch Übertragungsvertrag vom 14.012.2007 im Wege der vorweggenommenen Erbfolgen vom Vater aus dessen luf Betriebsvermögen erhalten hatte. 2007 wurde kein Entnahmegewinn beim Vater besteuert, dass Grundstück wurde lediglich nicht weiter im Anlagevermögen geführt.

Streitig ist der Ansatz fiktiver Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG. Die Klägerin ermittelte den Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung eines 2007 bei der Entnahme anzusetzenden (aber nicht angesetzten) Teilwerts von 570.600 € mit 14.265 €. Demgegenüber ging das FA von einem Gewinn i.H.v. 559.018 € aus, da nur der damals tatsächlich berücksichtigte Buchwert als angesetzter Wert und damit fiktive Anschaffungskosten zu berücksichtigen sei.

Da das Einspruchsverfahren erfolglos blieb wurde Klage eingereicht.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Rahmen der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG den Buchwert im Zeitpunkt der Entnahme als fiktive Anschaffungskosten berücksichtigt.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 22 Nr. 2 EStG u. a. vor, wenn bei einem Grundstück der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen der Anschaffung und der Veräußerung ist nach ständiger Rechtsprechung auf den Abschluss der obligatorischen Verträge abzustellen. Als Anschaffung gilt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ist bei unentgeltlichem Erwerb dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke dieser Vorschrift die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Das streitgegenständliche Grundstück gehörte zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen des Vaters.

Mit der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks auf seine Kinder im Jahr 2007 und 2008 hat der Vater das Grundstück seinem Betriebsvermögen entnommen und in das Privatvermögen überführt. Dieses ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Mit notariellem Vertrag vom 23.05.2016 veräußerten die Mitglieder der Klägerin u. a. das streitgegenständliche Grundstück, so dass die (fingierte) Anschaffung und Veräußerung innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfolgte.

Der Veräußerungsgewinn ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Der Veräußerungspreis für das streitgegenständliche Grundstück belief sich ausweislich des notariellen Kaufvertrags vom 23.05.2016 auf 570.600 €. An die Stelle der Anschaffungskosten tritt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG in den Fällen des Abs. 1 Satz 2 EStG, d.h. u. a. in den Fällen der Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme, der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG angesetzte Wert. Dieser ist der Teilwert.

Auf der Grundlage des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes folgt das FG der Auffassung des FA, dass im Streitfall der "angesetzte Teilwert" im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG dem Buchwert des Grundstücks im Zeitpunkt der Entnahme entspricht.

§ 23 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 EStG verweist zwar ausdrücklich auf die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG, welcher den Entnahmewert als Teilwert bestimmt. Dies ist auch folgerichtig, weil bei Ansatz des zutreffenden Teilwerts im Zeitpunkt der Entnahme des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen die stillen Reserven aufgedeckt werden und der Entnahmegewinn bereits zu diesem Zeitpunkt der Besteuerung unterworfen wird.

Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 wurde jedoch der Wortlaut des Gesetzes geändert. Sollte nach der Formulierung in Abs. 3 Satz 2 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes noch in allen Fällen an die Stelle der Anschaffungskosten der jeweils "anzusetzende" Wert treten, war nach der Änderung der Vorschrift durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 bei der Ermittlung des privaten Veräußerungsgewinns der "angesetzte" Wert maßgeblich. Dies ist der Entnahmewert, der der Steuerfestsetzung im Steuerbescheid des Veranlagungszeitraums, in dem die Entnahme des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen erfolgt ist, zugrunde gelegen hat unabhängig davon, ob sich dieser Wert als fehlerhaft herausstellt. Hierdurch soll nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden, dass bei einem fehlerhaft zu niedrigen Entnahmewert die bei der Entnahme nicht versteuerten stillen Reserven unversteuert bleiben. Erst mit der Einführung des § 23 Abs. 1 S. 2 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz fiel die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebs- in das Privatvermögen unter den Anschaffungsbegriff des § 23 Abs. 1 EStG. In den Gesetzesmaterialien zum Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 findet sich folgende Begründung: "Nicht selten kommt es vor, dass Steuerpflichtige bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen einen Wert angeben, der sich dann im Rahmen einer späteren steuerfreien Veräußerung aus dem Privatvermögen heraus als zu niedrig erweist. Die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, derartigen Praktiken durch genauere Prüfung des Entnahmewertes entgegenzuwirken, sind angesichts der sachtypischen Beweisnot gering. Daher wird die Veräußerung zukünftig nach § 23 EStG besteuert, wenn die Entnahme bei Grundstücken und ähnlichen Rechten weniger als zehn Jahre, bei anderen Wirtschaftsgütern weniger als fünf Jahre zurückliegt".

Übertragen auf den Streitfall führt dies dazu, dass zur Ermittlung des Gewinns aus dem privaten Veräußerungsgeschäft der Veräußerungspreis in Höhe von 570.600 € nur um den Buchwert des Grundstücks in Höhe von 11.582 € im Zeitpunkt der Entnahme zu vermindern ist mit der Folge, dass die stillen Reserven, die bislang unversteuert geblieben sind und für die eine Änderung der betreffenden Steuerbescheide des Rechtsvorgängers für den Veranlagungszeitraum, in dem die Entnahme erfolgt ist, aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr in Betracht kommt, nunmehr im Rahmen des § 23 EStG der Besteuerung unterworfen werden.

Auch mit weiteren Argumenten, wie z.B., dass durch den Ansatz des Buchwerts eine beim Vater unterbliebene Entnahmebesteuerung bi den Einkünften aus LuF in rechtsverjährter Zeit, nunmehr bei den Kindern als Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG (nachversteuert) würde, drang die Klägerin nicht durch.

Konsequenz

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil durch den Verweis in§ 23 Abs. 3 Satz 3 EStG auf die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Gesetzgeber seinen Willen, welcher Wert anstelle der Anschaffungskosten anzusetzen ist, nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe.

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