Keine Buchwertverknüpfung bei zeitgleicher Veräußerung funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen

Kernaussage

§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG greift nicht ein, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.

Sachverhalt

Die Klägerin - eine GbR - ist Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der A-GmbH (Betriebs-GmbH). Miteigentümer des an die Betriebs-GmbH vermieteten Grundstücks X-Straße in B (Betriebsgrundstück) waren C zu 75% und D zu 25%, Gesellschafter der Betriebs-GmbH (Stammkapital von 50.000 DM) waren C zu 75,2% (37.600 DM) und D zu 24,8% (13.400 DM). Mit notariellem Vertrag vom 17.12.2013 (Vertrag 1) übertrug C im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihren Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück auf ihren Sohn (F). Mit gleichem Vertrag trat C von ihrem Anteil an der Betriebs-GmbH einen Teilanteil in Höhe von 15.000 DM (30% des Stammkapitals) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an F ab. In diesem Vertrag ist bestimmt, dass dessen Wirksamkeit unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass C die ihr verbleibenden Geschäftsanteile an D und dessen Bruder G rechtswirksam verkauft und überträgt sowie der Kaufpreis betreffend diese Anteile gezahlt ist. Mit weiterem notariellen Vertrag vom 17.12.2013 (Vertrag 2) verkaufte C einen Teilgeschäftsanteil an der Betriebs-GmbH in Höhe von 11.600 DM (23,2% des Stammkapitals) zu einem Kaufpreis von … € an D und den restlichen Teilgeschäftsanteil von 11.000 DM (22% des Stammkapitals) an G zu einem Kaufpreis von … €. Nach diesem Vertrag ist die Zahlung der Kaufpreise Bedingung für die Wirksamkeit der Abtretung der Geschäftsanteile. Nach der Präambel des Vertrags 2 steht die Übertragung der Geschäftsanteile an D und G unter der Bedingung, dass der Vertrag 1 mit Bedingungseintritt wirksam wird. Die Beteiligungsverhältnisse an der Betriebs-GmbH sind nach der Anteilsübertragung wie folgt: D 48%, F 30% und G 22%.

Das Finanzamt (FA) erließ zunächst erklärungsgemäß einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) für 2014, verbunden mit dem Hinweis, dass die Folgen vorstehend genannter Übertragungen noch zu klären seien. Mit geändertem Gewinnfeststellungsbescheid für 2014 erfasste das FA u.a. zusätzlich zu den bisherigen Feststellungen einen Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt … €. Dieser setzte sich aus der Veräußerung der GmbH-Anteile an D und G sowie aus der Übertragung der weiteren GmbH-Anteile (Gewinnanteil von … €) und des Miteigentumsanteils an dem Grundstück an F zusammen. Die Höhe dieser Veräußerungs-/Aufgabegewinnbestandteile steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Der Veräußerungsgewinn wurde allein C zugerechnet. Zur Begründung führte das FA aus, dass C durch die vorbezeichneten Übertragungen ihren Mitunternehmeranteil an der GbR nach § 16 EStG aufgegeben habe.

Das FA wies den hiergegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück, weil nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen - namentlich die GmbH-Anteile - unentgeltlich auf F übertragen worden seien. Die Verträge 1 und 2 hätten zu einer zeitgleichen Veräußerung der Teilgeschäftsanteile an D und G sowie Übertragung des Miteigentumsanteils am Betriebsgrundstück und des Teilgeschäftsanteils an F geführt. Die dagegen gerichtete Klage hatte im vollen Umfang Erfolg. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass C mit der unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Betriebsgrundstück sowie des Teilgeschäftsanteils an F die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt habe, auch wenn sie taggleich ihre weiteren Teilgeschäftsanteile an D und G veräußert habe. Dagegen reichte das FA Revision ein.

Entscheidung

Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Aufgabe des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Wird hingegen der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der Rechtsnachfolger ist nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an diese Werte gebunden.

Der (gesamte) Mitunternehmeranteil des Gesellschafters im Sinne vorgenannter Vorschriften umfasst sowohl den Anteil am Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsanteil) als auch das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen. Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG setzt voraus, dass neben dem Gesellschaftsanteil sämtliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens (I und II) übertragen werden, die funktional wesentlich sind. Zum Buchwert findet eine Anteilsübertragung demnach grundsätzlich nur dann statt, wenn neben dem Gesellschaftsanteil auch das gesamte funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden auf den Rechtsnachfolger übertragen wird. Danach liegt die Aufgabe des Mitunternehmeranteils vor, wenn der Gesellschafter seinen Anteil am Gesamthandsvermögen unentgeltlich überträgt, ohne dem Rechtsnachfolger auch alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens mit zu übertragen. Wird lediglich funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen unentgeltlich ohne den Gesellschaftsanteil übertragen, greift § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG ebenfalls nicht ein; die isolierte unentgeltliche Übertragung von Sonderbetriebsvermögen ist (auch) keine Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG.

Bei einer Betriebsaufspaltung - wie hier zwischen einer Besitzpersonengesellschaft und einer Betriebskapitalgesellschaft - kann sich der im Miteigentum der Gesellschafter der Besitzgesellschaft befindliche Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück im (notwendigen) Sonderbetriebsvermögen I (bei Überlassung des im Miteigentum befindlichen Betriebsgrundstücks an die Besitzpersonengesellschaft zur Weitervermietung an die Betriebskapitalgesellschaft) oder Sonderbetriebsvermögen II (bei unmittelbarer Überlassung des im Miteigentum befindlichen Betriebsgrundstücks an die Betriebskapitalgesellschaft) befinden. Die von den Mitunternehmern gehaltenen Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft sind notwendiges Sonderbetriebsvermögen II. Diese Geschäftsanteile sind zugleich funktional wesentlich. Denn die beide Unternehmen beherrschende Person oder Personengruppe verwirklicht ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durch die Geschäftstätigkeit der Betriebskapitalgesellschaft. Hierfür sind die Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft funktional erforderlich.

Maßgebend dafür, ob ein (gesamter) Mitunternehmeranteil (entgeltlich oder unentgeltlich) übertragen wird, ist das Betriebsvermögen, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert. Insoweit ist die Aussage in den BFH in der aktuellen Rechtsprechung zu präzisieren. Abzustellen ist nicht auf das am Tag der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen, sondern (enger) auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen; es ist eine zeitpunkt-, keine zeitraumbezogene - folglich auch keine tageweise - Prüfung vorzunehmen.

Dies bedeutet, dass es für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unschädlich ist, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) ganzen Mitunternehmeranteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Das Wirtschaftsgut scheidet auch dann vorab aus dem zu übertragenden Mitunternehmeranteil aus, wenn es eine „juristische Sekunde“ vor dessen Übertragung hieraus entfernt wird. Somit ist das taggleiche Ausscheiden funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen unter Aufdeckung der in diesen befindlichen stillen Reserven für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unschädlich, wenn dies zeitlich vor Übertragung des verbliebenen, verkleinerten Mitunternehmeranteils erfolgt (anderer Ansicht BMF-Schreiben in BStBl I 2019, 1291, Rz 9).

Die Frage, ob § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auch dann eingreift, wenn mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils zeitgleich stille Reserven in funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens (durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen) aufgedeckt werden, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der BFH hat bisher lediglich entschieden, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 5 EStG gleichzeitig anwendbar sind, wenn funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils zu Buchwerten nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG überführt bzw. nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragen wird. Dies setzt allerdings voraus, dass die Ausgliederung nach § 6 Abs. 5 EStG nicht zu einer Zerschlagung der betrieblichen Sachgesamtheit führt.

Die parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 5 EStG bei zeitgleichen Übertragungsakten liegt insbesondere darin begründet, dass diese Privilegierungen nach dem Wortlaut des Gesetzes gleichberechtigt nebeneinander stehen. Ein Rangverhältnis ist weder ausdrücklich geregelt noch lässt es sich im Wege der Auslegung bestimmen. Werden hingegen zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils stille Reserven in funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt, kommt eine parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 und § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht.

Für die Frage, ob mehrere Übertragungen in zeitlicher Reihenfolge erfolgt sind oder nicht, ist auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das wirtschaftliche Eigentum kann bereits vor Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums übergehen.

Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend. Diese Grundsätze gelten hinsichtlich aller Kriterien des wirtschaftlichen Eigentums.

Hinweis

Wird danach die im Zeitpunkt der Übertragung existierende betriebliche Sachgesamtheit nicht vollständig übertragen, sondern werden zeitgleich stille Reserven infolge der Veräußerung/Entnahme von Teilen der betrieblichen Sachgesamtheit aufgedeckt, ist § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nicht anwendbar mit der Folge, dass auch hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragung des verbleibenden Mitunternehmeranteils die stillen Reserven aufzudecken sind, weil es sich insgesamt um die Aufgabe des (gesamten) Mitunternehmeranteils i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt.

Da im Streitfall, der zeitliche Ablauf der Übertragungsvorgänge nicht eindeutig geklärt war, konnte der BFH nicht durchentscheiden, so dass der Fall ans FG zurückverwiesen wurde.

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