Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse: Wenn Projektmeetings beim deutschen Arbeitgeber zu Lohnsteuer führen
Grundsätzlich sind Mitarbeitende einer ausländischen Betriebsstätte mit alleinigem Wohnsitz im Ausland dort lohn- und einkommensteuerpflichtig. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun die Frage zu klären, ob eine Lohnsteuerpflicht in Deutschland entsteht, wenn diese Mitarbeitenden für Schulungen oder Projektarbeiten zum Stammhaus nach Deutschland reisen. Im vorliegenden Fall unterhielt das Stammhaus zahlreiche Zweigniederlassungen im Ausland, unter anderem in Japan und Frankreich. Deutschland hat mit allen betroffenen Staaten ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen.
Wann entsteht eine Lohnsteuerpflicht bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen?
Grundsätzlich ordnen die deutschen DBAs dem Ansässigkeitsstaat des Mitarbeitenden das Besteuerungsrecht für dessen Lohn zu. Ein abweichender Tätigkeitsstaat erhält dagegen nur unter bestimmten Voraussetzungen das Besteuerungsrecht. Da sich die Mitarbeitenden im vorliegenden Fall nie länger als 183 Tage im jeweiligen, vom einschlägigen DBA definierten Zeitraum in Deutschland aufhielten, konnte hieraus keine Steuerpflicht abgeleitet werden.
Die deutschen DBA definieren jedoch auch dann eine Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat, wenn dieser zeitgleich der Staat des Arbeitgebers ist. Strittig war im vorliegenden Fall, ob das deutsche Stammhaus, mit dem die Mitarbeitenden den zivilrechtlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatten, als Arbeitgeber im Sinne der DBA-Vorschrift zu verstehen ist oder ob sich die ausländischen Zweigniederlassungen als wirtschaftlicher Arbeitgeber qualifizieren, da diese den Arbeitslohn wirtschaftlich zu tragen hatten. Im vorliegenden Fall machten diese den gesamten Arbeitslohn sowie die mit den Reisen nach Deutschland verbundenen Kosten in ihrer Buchhaltung geltend. Eine Erstattung durch das Stammhaus erfolgte nicht.
Eine ausländische Betriebsstätte kann kein Arbeitgeber im Sinne des DBA sein
Nach Ansicht des BFH kamen die ausländischen Betriebsstätten jedoch nicht als Arbeitgeberinnen in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann Arbeitgeber im Sinne des DBA nicht nur der zivilrechtliche Arbeitgeber, sondern auch eine andere natürliche oder juristische Person sein, die die Vergütung für die geleistete nichtselbstständige Arbeit wirtschaftlich trägt. Die ausländischen Zweigniederlassungen der Klägerin qualifizieren jedoch nicht als (juristische) Personen. Zudem kommt abkommensrechtlich nur eine Person als Arbeitgeberin in Betracht, die die Fähigkeit besitzt, in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig zu sein. Da eine Betriebsstätte jedoch nicht ansässig sein kann, kann die ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen Person auch nicht Arbeitgeber sein.
Lohnsteuerpflicht in Deutschland ab dem ersten Arbeitstag
Somit sah der BFH das deutsche Stammhaus als einzigen Arbeitgeber der im Ausland wohnhaften Arbeitnehmer an. Die Folge war, dass die Mitarbeitenden bereits ab dem ersten Tätigkeitstag in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht und somit dem Lohnsteuerabzug unterlagen. Bei Einsatz von im Ausland ansässigen Kollegen im Inland sollten demnach steuerliche Folgen stets im Voraus geprüft werden.
Urteil des BFH vom 12. Dezember 2024 (VI R 25/22)