Fremdübliche Verzinsung einer Darlehensforderung

Urteilssachverhalt und Entscheidungsgründe

In einem jüngst ergangenen Urteil hatte der Bundesfinanzhof über die Frage zu entscheiden, ob der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehensforderung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen kann.

Hintergrund

Verdeckte Gewinnausschüttungen sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensmehrungen, die sich gewinnmindernd auf das Einkommen der Körperschaft ausgewirkt haben und nicht Gegenstand einer offenen Gewinnausschüttung waren. Verdeckte Gewinnausschüttungen sind den Gesellschafter:innen oder den diesen nahestehenden Personen zuteilwerdende Vermögensvorteile, die einem Fremdvergleich zwischen fremden Dritten nicht standhalten würden und insbesondere den Zweck verfolgen, Vermögen aus der Sphäre der Körperschaft in die Sphäre der Gesellschafter:innen – außerhalb eines offenen Gewinnausschüttungsbeschlusses – zu transferieren. Wird eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt, erhöht sich das Einkommen der Körperschaft; zugleich wird der Vermögensvorteil auf Ebene der Gesellschafter:innen einer Besteuerung unterworfen.

Gesellschafterverrechnungskonto

Das Gesellschafterverrechnungskonto ist regelmäßiger Bestandteil des Jahresabschlusses einer Körperschaft und spiegelt den zum Abschlussstichtag vorhandenen Saldo der laufend gegenseitig zu verrechnenden Zahlungsansprüche zwischen Gesellschaft und ihrem Gesellschafter wider. Das Gesellschafterverrechnungskonto stellt einen Darlehensanspruch dar, dessen Saldo sich zugunsten der Körperschaft oder zugunsten des Gesellschafters auswirken kann.

Urteilssachverhalt und Entscheidungsgründe

Im Urteilsfall hatte der Bundesfinanzhof über die Frage zu entscheiden, ob ein solches Gesellschafterverrechnungskonto trotz des in den Streitjahren 2014 und 2015 bestehenden Niedrigzinsniveaus für Zwecke der Fremdüblichkeit angemessen zu verzinsen gewesen wäre. Die Klägerin (eine GmbH) hatte in den Streitjahren von einer Verzinsung des Gesellschafterverrechnungskontos abgesehen. Sie vertrat die Auffassung, dass eine Verzinsung in Zeiten des anhaltenden Niedrigzinsniveaus nicht fremdüblich gewesen sei und ihr im Falle der Geldanlage bei einem Kreditinstitut sogar Strafzinsen bzw. Verwahrentgelte gedroht hätten. Das Finanzamt war anderer Auffassung und sah in der zinslosen Überlassung des Gesellschafterverrechnungskontos einen nicht fremdüblich gewährten Vermögensvorteil zugunsten des Gesellschafters. In der Folge nahm das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung an und bewertete diese mit Blick auf einen zugrunde gelegten Fremdvergleichszinssatz mit einem Zins in Höhe von 4,5 %. Dieser Zinssatz entsprach im Urteilssachverhalt der geteilten Marge zwischen Soll- und Habenzinsen (sogenannte Margenteilung). 

Der Bundesfinanzhof hat sich im Streitfall der Auffassung des Finanzamts angeschlossen und in der zinslosen Überlassung des Gesellschafterverrechnungskontos eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen. Eine Verzinsung kann für Zwecke der Angemessenheit demnach auch in Zeiten eines Niedrigzinsniveaus erforderlich sein. 

Hinsichtlich der Höhe des zugrunde gelegten Vergleichszinssatzes führte der Bundesfinanzhof in seiner Urteilsbegründung aus, dass für die Bestimmung des angemessenen (fremdüblichen) Zinssatzes vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden sei. Diese Methode würde unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führen und dem Zins entsprechen, zu dem fremde Dritte unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten. Agiert eine Körperschaft, die selbst keine Bankgeschäfte betreibt, gegenüber ihrem Gesellschafter insoweit als private Darlehensgeberin, kann die Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung grundsätzlich nach den in Rechnung gestellten Sollzinsen berechnet werden, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass ein zugunsten der Körperschaft bestehender positiver Saldo des Gesellschafterverrechnungskontos anderenfalls zur Kreditzahlung hätte verwendet werden können. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, so bilden nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung.

Der maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommen soll. Eine Orientierung an dem (höheren) Sollzinssatz hält der Bundesfinanzhof jedenfalls dann für nicht gerechtfertigt, wenn die Körperschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb mit der Überlassung des Gesellschafterverrechnungskontos auch keinen damit verbundenen Aufwand trägt. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist es daher nicht zu beanstanden, wenn sich private Darlehensgeber und Darlehensnehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen (sogenannter Grundsatz der Margenteilung). 

Der Grundsatz der Margenteilung führte im Streitfall dazu, dass die bankübliche Marge in Höhe von 4,5 % (Sollzinssatz ca. 9 % und Habenzinssatz ca. 0,1 %) als Vergleichszinssatz für Zwecke der Wertbestimmung der verdeckten Gewinnausschüttung herangezogen werden konnte. 

Fazit

Der Bundesfinanzhof hat mit dem ergangenen Urteil zu der Erforderlichkeit einer angemessenen Verzinsung des Gesellschafterverrechnungskontos auch in Zeiten eines Niedrigzinsumfelds Stellung bezogen und seine Rechtsprechung zum Grundsatz der Margenteilung weiterhin bestätigt. Die Ausführungen zum Gesellschafterverrechnungskonto lassen sich nach unserer Einschätzung grundsätzlich auch auf vergleichbare Darlehensverhältnisse übertragen, wobei neben dem Grundsatz der Margenteilung auch weitere Umstände, wie etwa die Darlehensbesicherung, das Darlehensausfallrisiko oder die Gewährung in Konzernstrukturen, berücksichtigt werden sollten. 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.2.2023 – I R 27/20

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Stefan Hamacher, LL.M.

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