Freigebige Zuwendung durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens
Kernaussage
Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn ein Darlehen mit einem unüblich niedrigen Zinssatz gewährt wird. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils ist mit 5,5 % abzüglich des vereinbarten Zinssatzes zu berechnen, wenn kein anderer Wert feststeht. Hinsichtlich der Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel.
Sachverhalt
Der Kläger und seine Schwester schlossen im Rahmen eines Prozessvergleichs im Jahr 2016 einen Darlehensvertrag über ca. 1,8 Mio. € mit Grundschuldbestellung ab. Gemäß § 3 Abs. 2 des Vertrages wurde ein Festzinssatz von 1 % p. a. auf den Darlehensnennbetrag rückwirkend ab dem 01. Januar 2016 vereinbart. Das Darlehen wurde gemäß § 5 Abs. 1 auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von 12 Monaten erstmals zum 31. Dezember 2019 gekündigt werden. Das Darlehen ist am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen, § 5 Abs. 2. Die Darlehensgeberin war gemäß § 5 Abs. 3 berechtigt, jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten monatliche Tilgungsleistungen in Höhe von maximal 5.000,00 EUR zu verlangen. Die Darlehensgeberin war gemäß § 5 Abs. 4 einmalig in jedem Kalenderjahr berechtigt, mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten, eine Einmalzahlung in Höhe von 10.000,00 EUR zu verlangen. Gemäß § 7 des Vertrages wurde die Darlehenssumme durch Grundschulden auf näher bezeichneten Grundbesitz des Klägers besichert.
Der Kläger gab keine Schenkungssteuererklärung ab. Das Finanzamt (FA) setzte Schenkungsteuer gegen den Kläger fest. Gemäß den Erläuterungen zum Bescheid betraf dieser eine Zuwendung von Frau C durch einen Darlehensvertrag mit Wirkung zum 01. Januar 2016. Schenkung sei die Differenz zwischen tatsächlich vereinbartem Zinssatz und dem Zinssatz des § 15 Abs. 1 BewG (5,5 %) und betrage somit 4,5 % (gemischte Schenkung). Nach Anwendung des Multiplikators von 9,3 für Nutzungen von unbestimmter Dauer aus § 13 Abs. 2 BewG wurde der Steuerwert der Zuwendung mit 785.008,00 € angesetzt und ergab abzüglich des Freibetrages gemäß § 16 Abs.1 ErbStG i. H. v. 20.000,00 € einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 765.000,00 €. Somit ergab sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse II eine Schenkungsteuer i. H. v. 229.500,00 €. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte der Kläger Klage ein.
Entscheidung
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Schenkungssteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % zur Ermittlung des Jahreswertes der Nutzung im Streitfall nicht zu beanstanden.
Nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine solche freigebige Zuwendung unter Lebenden verlangt in objektiver Hinsicht, dass der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, in subjektiver Hinsicht, dass der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, die Zuwendung unentgeltlich oder teilentgeltlich vorzunehmen. Eine gemischte freigebige Zuwendung ist gegeben, wenn einer höherwertigen Leistung eine Leistung von geringerem Wert gegenüberstehe und die höherwertige Zuwendung neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages enthält. Das zu einem niedrigen Zinssatz als Darlehen überlassene Kapital stellt demnach eine freigebige Zuwendung dar.
In diesem Fall ist der Jahreswert des Nutzungsvorteils nach Ansicht des FG mit 5,5 % abzüglich des vereinbarten Zinssatzes zu berechnen, wenn kein anderer Wert feststeht. Es sei dem Steuerpflichtigen jedoch unbenommen darzulegen, dass ein niedrigerer Zinssatz als nach § 15 Abs. 1 BewG zur Anwendung komme. Vergleichsmaßstab sei der marktübliche Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre. Im Streitfall konnte dieser Nachweis gerade nicht erbracht werden.
Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Dieser ist bei einer teilentgeltlichen Kapitalüberlassung im Zeitpunkt der Übergabe bzw. Auszahlung des Kapitals an den Beschenkten zu sehen, denn ab diesem Zeitpunkt steht ihm das Kapital – teilentgeltlich – zur Nutzung zur Verfügung. Er hat damit ab diesem Zeitpunkt erhalten, was ihm nach der Schenkungsabrede gebührt, nämlich die Möglichkeit, das Kapital zu nutzen. Gemäß § 4 des zwischen dem Kläger und seiner Schwester abgeschlossenen Darlehensvertrages galt das Darlehen als mit dem 01.01.2016 ausgezahlt, so dass an diesem Tag die Steuer entstanden ist.
Gegen die Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % bestehen nach Auffassung des FG auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel. Zwar hat das BVerfG die Vollverzinsung nach § 233a AO i. V. m. § 238 AO i. H. v. 6 % ab dem 01.01.2014 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zur Neuregelung ab dem Verzinsungszeitraum 2019 aufgefordert. Ungeachtet dessen, dass der Bewertungsstichtag vorliegend vor dem 01.01.2019 liegt, lassen sich die verfassungsrechtlichen Zweifel jedenfalls auf den hier maßgeblichen Zinssatz des § 15 Abs. 1 BewG nicht übertragen. Denn anders als bei der Verzinsung nach § 233a AO ist es bei § 15 Abs. 1 BewG nicht sachgerecht, einen Vergleich zu den potentiell vom Steuerpflichtigen am Kapitalmarkt erzielten Zinsen oder zu den potentiellen Refinanzierungskosten des Steuergläubigers herzustellen. Vielmehr ist ausgehend vom Zuwendungsgegenstand zu fragen, welchen Zinssatz der Kläger für eine Darlehensaufnahme zu vergleichbaren Konditionen unter fremden Dritten hätte aufbringen müssen. Es sei dem Steuerpflichtigen unbenommen in solchen Fällen darzulegen, dass ein niedrigerer Zinssatz als nach § 15 Abs. 1 BewG anzusetzen ist. Im Streitfall ist der Kläger jedoch gerade einen solchen Nachweis schuldig geblieben.
Hinweis
Die Revision wurde zugelassen und ist unter dem Az. II R 20/22 beim BFH anhängig.
Zwischen Eltern und Kindern dürfte ein verbilligter Zins aufgrund der persönlichen Freibeträge von 400.000 € regelmäßig unproblematisch sein. Bei sonstigen Familienangehörigen sollte grundsätzlich der Nachweis eines niedrigeren, marktüblichen Zinssatzes erfolgen, um die geringen persönlichen Freibeträge nicht zu überschreiten. Dies kann aber nur gelingen, wenn das alternative Finanzierungsangebot vergleichbaren Konditionen unterliegt (Laufzeit, Tilgung, Sicherheiten, fester/variabler Zinssatz, Kündigungsrechte etc).
Fundstelle
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.04.2022 - 3 K 273/20