Bundesfinanzhof: Neues aus dem Bereich der ertragsteuerlichen Organschaft
Finanzielle Eingliederung bei qualifizierten Mehrheitsverhältnissen in der Organschaft
Mit Urteil vom 9.8.2023 entschied der Bundesfinanzhof, dass der Organträger über eine qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte verfügen muss, wenn die Satzung der Organgesellschaft eine Regelung vorsieht, nach der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell lediglich mittels qualifizierter Mehrheit getroffen werden können.
Keine finanzielle Eingliederung bei Nichterfüllung des qualifizierten Mehrheitserfordernisses
Grundvoraussetzung für das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft ist, dass der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein muss, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht.
Im Streitfall erforderte die Satzung der vermeintlichen Organgesellschaft, einer GmbH, dass Gesellschafterbeschlüsse lediglich mit einer qualifizierten Stimmenmehrheit von 91 % getroffen werden können. Die vermeintliche Organträgerin verfügte hingegen lediglich über 79,8 % der Stimmen. Obwohl die Minderheitsgesellschafter:innen dem Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Mehrheitsgesellschafterin und der Gesellschaft zustimmten, wurde die finanzielle Eingliederung versagt, mit der Folge, dass Gewinnabführungen an die Mehrheitsgesellschafterin in Gewinnausschüttungen umqualifiziert wurden.
Gesellschaftsrechtliche Regelungen entscheidend
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs kommt es bei der finanziellen Eingliederung allein auf die gesellschaftsrechtlichen Regelungen an: Erfordert die Satzung für sämtliche Beschlüsse eine generelle, qualifizierte Stimmenmehrheit, muss der Organträger zur Erfüllung der finanziellen Eingliederung über ebendiese auch verfügen. Nicht entschieden wurde die Frage, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Satzung lediglich für einen Teil der Beschlüsse eine qualifizierte Stimmenmehrheit erfordert. Auch bleibt abzuwarten, ob diese Grundsätze auf weitere Vorschriften wie z.B. § 21 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) anzuwenden sind und ein Anteilstausch in dieser Konstellation nur dann steuerneutral gestaltbar ist, wenn der aufnehmende Rechtsträger auch hier über eine qualifizierte Stimmenmehrheit verfügt. Der Fall zeigt die Tragweite gesellschaftsrechtlicher Vorgaben für das Steuerrecht im Falle der Organschaft. Bei mehreren Gesellschafter:innen einer potenziellen Organgesellschaft ist deren Satzung im Vorfeld unbedingt zu prüfen.
Keine grenzüberschreitende Verlustverrechnung durch inländische Muttergesellschaft
Mit einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Verluste einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft nicht bei der inländischen Muttergesellschaft zu berücksichtigen sind.
Im Urteilsfall war die Klägerin, eine GmbH, einzige Gesellschafterin einer S.a.r.l., mit Sitz in Frankreich. Die S.a.r.l. erzielte vor ihrer Geschäftseinstellung ausschließlich Verluste. Streitig war, ob diese Verluste bei der inländischen Muttergesellschaft berücksichtigt werden können. Weder bestand zwischen der GmbH und der S.a.r.l. ein Ergebnisabführungsvertrag noch wurden die Verluste der S.a.r.l. durch die inländische Mutter tatsächlich ausgeglichen.
Der Bundesfinanzhof verneint eine Verlustberücksichtigung. Zum einen sei die S.a.r.l. als ausländische Gesellschaft nicht geeignet, um als Organgesellschaft zu fungieren. Zum anderen bestand kein Ergebnisabführungsvertrag und schließlich wurde eine grenzüberschreitende Organschaft mangels tatsächlichem Verlustausgleich auch nicht faktisch gelebt. Ob Bundesfinanzhof und Europäischer Gerichtshof im Falle einer faktisch gelebten Organschaft zu einem anderen Ergebnis gelangen würden, bleibt abzuwarten.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 9.8.2023 – I R 50/20 und I R 26/19