Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 – Umsatzsteuerliche Änderungen
Verlängerung der Übergangsfrist für Körperschaften des öffentlichen Rechts (§§ 2b und 27 Abs. 22a UStG)
Körperschaften des öffentlichen Rechts sollen weitestgehend wie „normale“ Unternehmer behandelt werden. Die Vorschrift gibt es schon seit dem 1.1.2016 und sah ursprünglich eine Frist zur Umstellung bis zum 31.12.2020 vor. Diese wurde zuletzt bis zum 31.12.2024 verlängert. Nun soll die Frist nochmals bis zum 31.12.2026 verlängert werden.
Hinweis: Die erneute Verlängerung wird mit weiterhin bestehenden grundlegenden Rechtsanwendungsfragen begründet. Stellt sich die Frage, wieso das Bundesfinanzministerium (BMF) elf Jahre benötigt, um diese zu lösen. „Normale“ Unternehmen können von solchen Übergangsfristen nur träumen, so bleiben z.B. für die Umstellung auf die E-Rechnung gerade einmal acht Monate.
Inkrafttreten: 1.1.2025
Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 UStG)
Werklieferungen liegen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur vor, wenn fremde Gegenstände be- oder verarbeitet werden. Sofern eigene Gegenstände be- oder verarbeitet werden, handelt es sich um eine Montagelieferung. Die Unterscheidung ist wichtig für die Frage, wer Steuerschuldner (§ 13b UStG) ist. Bei Werkslieferungen ist dies der Kunde, bei Montagelieferungen der leistende Unternehmer. Die Finanzverwaltung wendet die Rechtsprechung seit Mitte 2021 an. Nun wird das UStG entsprechend angepasst.
Inkrafttreten: Tag der Verkündung
Besteuerung virtueller Veranstaltungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 5 UStG)
Kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen an Nichtunternehmer werden bisher dort besteuert, wo der leistende Unternehmer tätig wird. Die Einräumung von Eintrittsberechtigungen für solche Veranstaltungen an Unternehmen bzw. nichtunternehmerisch tätige juristische Personen, denen eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UStID) erteilt wurde, wird derzeit dort versteuert, wo die Veranstaltung stattfindet.
Die Neuregelung folgt der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) und differenziert zwischen „offline“ und virtuell erbrachten Veranstaltungen. Für Leistungen, die „offline“ erbracht werden, bleibt es bei den bisherigen Regelungen. Werden die Leistungen dagegen per Streaming übertragen oder anderweitig virtuell Nichtunternehmern zur Verfügung gestellt, so ist die Leistung zukünftig am Wohnsitz des Leistungsempfängers zu versteuern. Eintrittsberechtigungen zu Veranstaltungen, an denen Teilnehmer (Unternehmer bzw. nichtunternehmerisch tätige juristische Person, der eine UStID erteilt wurde) virtuell teilnehmen, sind zukünftig am Sitz des Kunden zu versteuern.
Hinweis: Die Neuregelung entspricht den Vorgaben der MwStSystRL. Einfacher wird es dadurch nicht. So müssen Unternehmen, die solche Veranstaltungen anbieten, nun sicherstellen, dass sie die erforderlichen Informationen von Ihren Kunden erhalten. Dies dürfte gerade im B2C-Bereich schwierig werden.
Inkrafttreten: 1.1.2025
Abschaffung der Umsatzsteuerlagerregelung (§ 4 Nr. 4a UStG)
Lieferungen in ein Umsatzsteuerlager sind derzeit befreit. Erst mit der Auslagerung entsteht Umsatzsteuer. Die Regelung wird gestrichen. Damit entsteht die Umsatzsteuer mit bzw. während der Einlagerung.
Inkrafttreten: 1.1.2026
Viele Steuerbefreiungen des UStG entsprechen nicht den Vorgaben der MwStSystRL. Die nachfolgenden Änderungen sollen dies ändern:
Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten (§ 4 Nr. 8a und g UStG)
Bisher ist die Gewährung von Krediten und Kreditsicherheiten steuerfrei. Zukünftig soll auch deren Verwaltung steuerfrei sein. Die Regelung wird damit an die Vorgaben der MwStSystRL angepasst, wodurch Wettbewerbsnachteile zukünftig vermieden werden.
Inkrafttreten: 1.1.2025
Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG)
Die Vorschrift hat bisher regelmäßig die Finanzgerichte beschäftigt, da sie nicht den Vorgaben der MwStSystRL entspricht. Nun erfolgt die Anpassung an die MwStSystRL. Wichtig ist, dass das bisher notwendige Bescheinigungsverfahren entfällt.
Hinweis: Unternehmer, die Bildungsleistungen anbieten, müssen die Entwicklung genau verfolgen. Zum einen erweitert der Entwurf die Anwendung der Steuerbefreiung, zum anderen wird es nicht mehr möglich sein, sich hinsichtlich der Steuerbefreiung auf die bisher erteilte Bescheinigung zu berufen.
Inkrafttreten: 1.1.2025
Sportveranstaltungen (§ 4 Nr. 22b und c UStG)
Sportveranstaltungen, die von bestimmten Unternehmern durchgeführt werden, sind derzeit von der Umsatzsteuer befreit, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Der Entwurf erweitert nun die Befreiung auf sonstige Leistungen, die in engem Zusammenhang mit Sport stehen und von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbracht werden, die Sport ausüben. Die Leistungen müssen für die Ausübung des Sports unerlässlich sein. Auch die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen kann unter den genannten Voraussetzungen steuerfrei sein.
Inkrafttreten: 1.1.2025
Unberechtigter Steuerausweis in Gutschriften (§ 14c Abs. 2 UStG)
Die Neuregelung schließt eine Besteuerungslücke, die sich durch die Rechtsprechung des BFH ergeben hat. Zukünftig wird sichergestellt, dass Nichtunternehmer, die einer Gutschrift (= Rechnung durch den Leistungsempfänger bzw. Selbstfakturierung) mit Ausweis der Umsatzsteuer nicht unverzüglich widersprechen, die ausgewiesene Umsatzsteuer schulden.
Inkrafttreten: Tag der Verkündung
Vorsteuerabzug aus Leistungen von Istversteuerern – Neue Anforderungen an Rechnungen (§§ 15 Abs. 1 und 14 Abs. 4 UStG, §§ 33, 34a UStDV)
Bisher kann der Vorsteuerabzug aus Rechnungen vorgenommen werden, wenn die Rechnung vorliegt und die Leistung erbracht wurde. Ob der leistende Unternehmer der Soll- oder Istversteuerung unterliegt, war bisher ohne Bedeutung. Wir hatten schon mehrfach darauf verwiesen (Blogbeitrag vom 31. Januar 2024), dass die Regelung nicht dem Gemeinschaftsrecht entspricht; dies wird nun geändert. Zukünftig ist der Vorsteuerabzug aus Leistungen von Istversteuerern erst zulässig, wenn die Zahlung hierfür geleistet wird. Damit finden auch Gestaltungen ein Ende, die bisher zum Ziel hatten, den Time-Lag zwischen Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger und der Abführung der Umsatzsteuer beim Istversteuerer auszunutzen. Damit der Leistungsempfänger überhaupt weiß, dass er Leistungen von einem Istversteuerer erhält, wird eine neue Pflichtangabe für diese Rechnungen eingeführt: „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“. Diese betrifft auch Kleinbetragsrechnungen und Fahrausweise.
Hinweis: Für die Finanzbuchhaltung bedeutet die Neuregelung eine differenzierte Betrachtung der Eingangsrechnungen, verbunden mit zusätzlichem Aufwand und neuen Risiken.
Inkrafttreten: 1.1.2026 (Anwendung erstmals auf Rechnungen, die nach dem 31.12.2025 ausgestellt werden (§ 27 Abs. 38 UStG))
Aufteilung der Vorsteuer – Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels (§ 15 Abs. 4 UStG)
Die Neuregelung stellt klar, dass einer Aufteilung der Vorsteuer der Gesamtumsatzschlüssel nur dann zugrunde gelegt werden kann, wenn kein anderer präziserer Maßstab existiert. Dies entspricht der derzeitigen Rechtsauffassung.
Inkrafttreten: Tag der Verkündung
Kleinunternehmer: Ausweitung auf die EU - Anhebung der Grenzwerte (§§ 19, 19a UStG, 34a UStDV)
Bisher gilt die Kleinunternehmerregelung nur national. Hiesige Kleinunternehmer müssen daher im EU-Ausland ab dem ersten Euro Umsatzsteuer abführen und ausländische Kleinunternehmer in Deutschland. Die MwStSystRL sieht hier eine Harmonisierung bis zum 1.1.2025 vor. Der Entwurf setzt dies wie folgt um:
Kleinunternehmerregelung im Inland
- Inländische Umsätze von Kleinunternehmern sind nunmehr steuerfrei (bisher wurde die Umsatzsteuer nicht erhoben)
- Die Umsatzgrenzen werden angehoben. Die Grenze bezüglich des Vorjahresumsatz wird von 22.000 € auf 25.000 € sowie die Grenze für den Umsatz des laufenden Jahres von 50.000 € auf 100.000 € erhöht.
- Die Grenzwerte werden auf Basis von Nettowerten ermittelt (bisher: Bruttowerte).
- Wird der Grenzwert für das laufende Jahr (100.000 €) überschritten, entfällt die Kleinunternehmerregelung ab diesem Zeitpunkt. Bisher kann die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen werden, wenn zu Beginn des Jahres objektiv prognostiziert wird, dass die Grenze voraussichtlich nicht überschritten wird. Ein tatsächliches Überschreiten der Grenze ist dann unerheblich; ab 2025 dann nicht mehr.
Kleinunternehmer in der EU
- Ab dem 1.1.2025 können Kleinunternehmer auch die Kleinunternehmerregelungen in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist, dass ihre Umsätze in der EU 100.000 € nicht überschreiten. Sichergestellt wird dies über ein neues Meldeverfahren (§ 19a UStG) sowie die Vergabe einer in der EU gültigen Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr.).
Rechnungsstellung
- Kleinunternehmer müssen zukünftig in ihren Rechnungen auf die Steuerbefreiung hinweisen (§ 34a Nr. 5 UStDV).
Hinweis: Grundsätzlich ist die Harmonisierung zu begrüßen. Sie geht jedoch mit einem nicht zu unterschätzendem Verwaltungsaufwand einher (Meldeverfahren, KU-IdNr.).
Inkrafttreten: 1.1.2025
Durchschnittssatz für Landwirte (§ 24 Abs. 1 UStG)
Der Durchschnittssatz wird für das Kalenderjahr 2024 von 9,0 % auf 8,4 % gesenkt und ab 2025 auf 7,8 %.
Inkrafttreten: Tag der Verkündung (8,4 %); 1.1.2025 (7,8 %).
Brexit: Lieferungen nach und von Nordirland (§ 30 UStG)
Nordirland wird für Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe nach dem 31.12.2020 – trotz Brexit - wie übriges Gemeinschaftsgebiet behandelt. Die Neuregelung stellt klar, dass USt-IDNr. mit dem Präfix „XI“ als gültige USt-IDNr. eines anderen Mitgliedstaates gelten.
Inkrafttreten: Tag der Verkündung
Fazit
Sicherlich handelt es sich „nur“ um einen Entwurf. Da viele der Regelungen jedoch dazu dienen geltende EU-Vorgaben sowie die aktuelle Rechtsprechung umzusetzen, ist davon auszugehen, dass es in diese Richtung gehen wird. Insofern lohnt es sich für Betroffene sich schon frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen, da die Änderungen durchaus grundlegend sind.