(Teil-)Entgeltliche Immobilienübertragung gegen Versorgungsleistung im Privatvermögen

Kernaussage

Früher galt bei vielen familiären Vermögensübergaben gegen wiederkehrende Leistungen (insbesondere vorweggenommener Erbfolge) ein steuerliches Sonderrecht. Über den Sonderausgabenabzug beim Vermögensübernehmer und die Besteuerung als sonstige Einkünfte beim Vermögensübergeber sollte dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Übergeber durch die Versorgungsleistungen, die der Erwerber an ihn zu erbringen hat, de facto von den Erträgen seines Vermögens profitiert. Das Sonderrecht ist im Jahr 2008 insoweit eingeschränkt worden, als dass es nur noch bei Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen an betrieblich tätigen Mitunternehmerschaften oder (eingeschränkt) GmbH-Anteilen zur Anwendung gelangt. Bisher hatte der Bundesfinanzhof noch keine Grundsatzentscheidung für jene familiären Übertragungsfälle (insbesondere Grundstücksübertragungen) getroffen, die nicht mehr unter das Sonderrecht fallen. Eine höchstrichterliche Entscheidung wurde jetzt gefällt und die Verwaltungsauffassung bestätigt.

Sachverhalt

Ein Vater übertrug am 5.11.2011 ein zu seinem Privatvermögen gehörendes, vermietetes Mehrfamilienhaus notariell mit Grundstücksübertragungsvertrag auf seine Tochter. Die Übertragung erfolgte zivilrechtlich unentgeltlich im Wege der Schenkung. Zugunsten des Vaters war eine nicht wertgesicherte lebenslange Rente von zunächst monatlich 2.000 € zu erbringen. Die Sicherung erfolgte durch Eintragung einer Reallast im Grundbuch. Die Tochter verpflichtete sich, den Vater von der Mithaft aller im Grundbuch eingetragenen dinglichen Belastungen freizustellen und über den übertragenen Grundbesitz nur mit Zustimmung des Vaters zu verfügen, insbesondere diesen zu verkaufen oder zu belasten.

Nachdem eine Grundpfandgläubigerin der vorgesehenen Schuldübernahme nicht zustimmte, löste der Vater den offenen Darlehensbetrag von 50.544,28 € ab und schloss mit der Tochter am 22.12.2011 einen geänderten Grundstücksübertragungsvertrag ab, in dem sich diese zum Ersatz des Darlehens und zur Erhöhung der monatlichen Rente auf 2.500 € verpflichtete. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 berücksichtigte die Tochter die Rentenzahlungen von 30.000 € als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid lediglich den sich aus der Besteuerung von Leibrenten ergebenden Ertragsanteil von 3.900 € jährlich als Werbungskosten.

In ihrer Klage vor dem Finanzgericht machte die Tochter geltend, die gesetzliche Beschränkung auf den Ertragsanteil sei verfassungswidrig und verstoße gegen das objektive Nettoprinzip. Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Leibrentenzahlungen stünden in gar keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und seien daher nicht als Werbungskosten abziehbar. Ein Grundstücksübergabevertrag unter Vorwegnahme der Erbfolge auf einen Abkömmling gegen Gewährung einer Versorgungsleistung sei steuerrechtlich nicht als entgeltliches Veräußerungsgeschäft, sondern als unentgeltliche Übertragung unter Vorbehalt eines Teils der Erträge (vergleichbar einem Nießbrauchsvorbehalt) zu betrachten. In derartigen Fällen stellten die wiederkehrenden Versorgungsleistungen weder ein Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern seien spezialgesetzlich den Sonderausgaben und wiederkehrenden Bezügen zugeordnet. An dieser grundsätzlichen Zuordnung ändere auch der Umstand nichts, dass Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mietwohngrundstücks seit der Änderung durch das Jahressteuergesetz 2008 nicht (mehr) zum Sonderausgabenabzug zugelassen seien. Zwar führe der von der Tochter gezahlte Einmalbetrag von 50.544,28 € zu Anschaffungskosten, die im Wege der Abschreibungen zu berücksichtigenden Werbungskosten seien aber im Streitjahr geringer als die zu Unrecht gewährten Zinsanteile der Rentenzahlungen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof ist in der Revision keiner der beiden Auffassungen der Vorinstanz komplett gefolgt. Nach seiner Entscheidung ist nur die Übertragung des im Gesetz ausdrücklich genannten „privilegierten“ Vermögens gegen Versorgungsleistungen unentgeltlich. Dagegen liegt bei nicht begünstigtem Vermögen ertragsteuerlich eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor. Bei Übertragung eines Vermietungsobjekts des Privatvermögens gegen Leibrente führen die wiederkehrenden Leistungen des Übernehmers an den Übergeber in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten, die mit den Abschreibungen berücksichtigt werden. In Höhe des Zinsanteils liegen sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vor. Die Abzugsbeschränkung der sofort abzugsfähigen Werbungskosten auf den im Gesetz vorgesehenen Ertragsanteil der Leibrentenzahlungen ist verfassungsgemäß.

Was folgt aus dem Urteil?

Aus der Entscheidung ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Der Senat hat die Erhöhung der Rente von 2.000 € auf 2.500 € nicht problematisiert. Das lässt vermuten, dass moderate Anpassungen einkunftswirksam sind, wenn sie unmittelbar nach dem ursprünglichen Vertragsabschluss erfolgen.
  • Die monatlichen Zahlungen stellen in Höhe des Barwerts „verrentete“ Anschaffungskosten dar. Diese sind zusammen mit dem abgelösten Darlehensbetrag von 50.544,28 € und nach Aufteilung in Grund und Boden sowie Gebäude Bemessungsgrundlage für mögliche Abschreibungen.
  • Der Ertragsanteil der monatlich geleisteten Zahlungen (im Streitjahr 3.900 €) ist sofort als Werbungskosten abzugsfähig.
  • Wegen Anwendung der Trennungstheorie sind die Anschaffungskosten aus dem Übertragungsvorgang mit dem Verkehrswert abzugleichen und in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Anteil aufzuteilen. In Höhe des unentgeltlichen Anteils bemisst sich die Abschreibung nach den anteiligen Anschaffungskosten und dem Restwert des Rechtsvorgängers.
  • Eine (Teil-)Entgeltlichkeit hat auch Auswirkungen beim Übergeber. Veräußerungsfristen sollten beachtet und nach Möglichkeit ausgenutzt werden.


Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.9.2021 – IX R 11/19

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