Ein Grundstück, doppelte Grunderwerbsteuer?

Grunderwerbsteuer auf Anteilsübertragungen

Kern und inhaltlicher Ausgangspunkt des Grunderwerbsteuergesetzes ist die Besteuerung von inländischen Grundstücksübertragungen. Zur Vermeidung von Ausweichgestaltungen über die Nutzung von Gesellschaftsmänteln, unterwerfen die grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände unter gewissen Voraussetzungen auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen entsprechender Personen- oder Kapitalgesellschaften zum Zeitpunkt der Übertragung inländische Grundstücke gehören. Nach welchen Kriterien sich die Frage dieser grunderwerbsteuerlichen Zurechnung richtet, also wie das Merkmal des „Gehörens“ für grunderwerbsteuerliche Zwecke auszulegen ist, war zuletzt Gegenstand von mehreren Urteilen des Bundesfinanzhofs. Durch Veröffentlichung gleichlautender Ländererlasse hat nun auch die Finanzverwaltung Stellung bezogen.

Grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken bei Share Deals

Die Erlasse stellen zunächst klar, dass es für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Grundstückszurechnung weder auf das zivilrechtliche Eigentum, also den Eigentumsverhältnissen nach dem Grundbuch, noch auf das wirtschaftliche Eigentum ankommt. 

Die grunderwerbsteuerliche Zurechnung richtet sich vielmehr ausschließlich nach der Verwirklichung grunderwerbsteuerlicher Tatbestände. Danach ist einer Gesellschaft ein Grundstück insbesondere dann zuzurechnen („grundbesitzende Gesellschaft“), wenn sie in Bezug auf dieses Grundstück einen Tatbestand des § 1 Abs. 1 oder 2 GrEStG verwirklicht hat. Dazu zählt insbesondere der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. Die grunderwerbsteuerliche Zurechnung soll in diesen Fällen erst dann enden, wenn ein anderer in Bezug auf das entsprechende Grundstück einen der genannten Tatbestände erfüllt, also das Grundstück beispielsweise wiederum durch Kaufvertrag erwirbt. 

Die Finanzverwaltung vertritt jedoch ferner auch, dass die grunderwerbsteuerliche Zurechnung eines Grundstücks nicht auf die nach den oben genannten Kriterien ermittelte grundbesitzende Gesellschaft beschränkt ist, sondern daneben (also zeitgleich) auch für eine weitere Gesellschaft in Frage kommt, wenn diese Gesellschaft die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft grunderwerbsteuerbar vereinigt hat (§ 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG). Eine solche Anteilsvereinigung wird insbesondere dann ausgelöst, wenn durch einen Erwerb über 90 % der Gesellschaftsanteile übergehen oder sich in einer Hand (unmittelbar oder mittelbar) vereinigen. Diese zusätzliche Zurechnung soll erst dann enden, wenn ein Dritter in Bezug auf das Grundstück eine steuerbare Anteilsvereinigung verwirklicht, die Beteiligung unter die Beteiligungsschwelle von 90 % sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist (z.B. aufgrund einer grunderwerbsteuerbaren Veräußerung).
Die nach Auffassung der Finanzverwaltung mögliche Mehrfachzurechnung ist problematisch, da sie dazu führen kann, dass die Veräußerung einer einzelnen Gesellschaftsbeteiligung auf mehreren Ebenen Grunderwerbsteuer in Bezug auf das gleiche Grundstück auslöst. Je nach länderspezifischem Grunderwerbsteuersatz kann es hierdurch zu Belastungen von bis zu 13 % des Grundstücksverkehrswerts kommen.

Rechtsrisiken und Reformüberlegungen

Die gleichlautenden Erlasse der Finanzverwaltung übernehmen in Teilen die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, gehen jedoch im Hinblick auf die Möglichkeit der Mehrfachbesteuerung, die sich weder mit dem Sinn und Zweck des Grunderwerbsteuergesetzes als Ganzes noch den auf Share Deals gemünzten Ergänzungstatbeständen vereinbaren lässt über diese hinaus und sind insoweit abzulehnen. Gleichwohl müssen Anteilsübertragungen von (mittelbar) grundbesitzenden Gesellschaften unter Berücksichtigung der Finanzverwaltungsgrundsätze stets im Voraus und unter Berücksichtigung der bestehenden Rechtsunsicherheiten, auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Signing und Closing, auf etwaige grunderwerbsteuerliche Risiken untersucht werden.

In jedem Fall verdeutlicht die Diskrepanz zwischen Gesetzeszweck und Auffassung der Finanzverwaltung die Notwendigkeit einer umfassenden Grunderwerbsteuerreform. Ein entsprechender Diskussionsentwurf liegt bereits seit Mitte des Jahres 2023 vor. Die weitere Entwicklung bleibt mit Spannung und Hoffnung auf ein systematischeres Grunderwerbsteuerrecht abzuwarten. 
 

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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