Ein Neustart für das Grunderwerbsteuerrecht? Finanzministerium veröffentlicht Diskussionsentwurf zur Grunderwerbsteuerreform
Ein reformbedürftiges Grunderwerbsteuerrecht
Der Grunderwerbsteuer sollen dem Grunde nach nur Übertragungen inländischer Grundstücke unterworfen werden. Um auch den (wirtschaftlichen) Übergang von solchen Grundstücken zu erfassen, die nicht unmittelbar von natürlichen Personen, sondern über Gesellschaften oder sonstige Rechtsgebilde gehalten werden, hat der Gesetzgeber weitgehende Ergänzungstatbestände für Anteilsübertragungen (sogenannte Share Deals) geschaffen und kontinuierlich verschärft. Dabei ist es neben dem durch die Herabsetzung der grunderwerbsteuerrelevanten Beteiligungsquote bedingten „Hase und Igel“-Lauf zwischen Gesetzgeber und Gestaltungspraxis zu einer Vielzahl weiterer Auslegungsprobleme und Zweifelsfragen gekommen. Insbesondere in jüngerer Vergangenheit erschweren Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf die grunderwerbsteuerliche Zurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen sowie das seit Kurzem grunderwerbsteuerrelevante Auseinanderfallen von Verpflichtungs- (Signing) und Verfügungsgeschäft (Closing) die grunderwerbsteuerliche Handhabe in der Praxis. Auch das Bundesfinanzministerium hat dies erkannt und nun einen Diskussionsentwurf mit grundlegenden Änderungen für das Grunderwerbsteuerrecht vorgelegt.
Eckpunkte der geplanten Gesetzesänderungen
- Neuregelung der Ergänzungstatbestände: Die bisherigen Regelungen zu schädlichen Gesellschafterwechseln und Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG) werden in Gänze gestrichen und durch einen einheitlichen, rechtsformneutralen Tatbestand ersetzt, der einzig die Vereinigung von 100 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft besteuert. Die Vermeidung von Grunderwerbsteuer durch Co-Investoren oder sonstige bislang zur Anwendung kommende Modelle wird durch die bewusst konkretisierungsbedürftigen Begriffe der Erwerbergruppe und des dienenden Interesses unterbunden. Durch die geplante Neuregelung entfallen die bisherigen Mindestbeteiligungsquoten von 90 % und die bislang für Gesellschafterwechsel zum Tragen kommenden Zehnjahresfristen.
- Änderung bei den Befreiungsvorschriften: Derzeit sieht das Grunderwerbsteuerrecht neben den persönlichen Befreiungsvorschriften der §§ 3 und 4 GrEStG, die durch die geplante Reform nicht verändert werden sollen, auch Befreiungen für Übertragungen von, auf und zwischen grundbesitzenden Gesellschaften vor. An die Stelle der bisherigen Befreiungen (§§ 5, 6, 6a, 7 Abs. 2 GrEStG) soll nun eine umfassende Steuerbefreiung für Umstrukturierungen treten, die Erwerbsvorgänge von der Steuer befreit, wenn sich entweder der bestimmende Einfluss über das Grundstück nicht ändert oder soweit Personen vor oder nach einem Erwerbsvorgang beteiligt bleiben.
- Weitere Neuerungen: Zu den weiteren nennenswerten Änderungen gehören insbesondere die gesetzliche Klarstellung zur Zurechnung von Grundstücken bei derjenigen Gesellschaft, die das Grundstück durch einen originären Erwerbsvorgang (das heißt nicht einen Ergänzungstatbestand) erworben hat. Daneben ist erstmals auch vorgesehen, dass die Bundesländer die Befugnis erhalten, bei Erwerben von selbst genutzten Immobilien durch natürliche Personen nur einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden.
Ausblick
Eine Reform des Grunderwerbsteuerrechts ist angesichts der skizzierten Rechtsunsicherheiten im Status quo dringend notwendig. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass das Bundesfinanzministerium mit dem veröffentlichten Diskussionsentwurf einen ersten Schritt zu grundlegenden Gesetzesänderungen getan hat. Die in Zusammenarbeit mit dem aus Vertreter:innen von Wirtschaft, Forschung und Verwaltung bestehenden „Arbeitskreis Grunderwerbsteuer“ erarbeiteten Eckpunkte der geplanten Gesetzesänderungen überzeugen insbesondere durch die geplante Rechtsformneutralität und Vereinfachungswirkungen der Neuregelungen. Ob und inwieweit die geplante Reform tatsächlich Eingang in das Gesetz findet, ist weiterhin mit Spannung abzuwarten.