1,3 Mio. € sind kein „Trinkgeld“

Wie hoch darf ein Trinkgeld maximal sein?

Durch die Abschaffung der Freibetragsgrenze von 1.224 € im Jahr 2002 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, höhere Beträge als steuerfreies Trinkgeld zu verbuchen. Auch wenn per Gesetz keine Begrenzung gilt, entsprechen die beiden an zwei Prokuristen überwiesenen Beträge in Höhe von 1,3 Mio. € und 50.000 € nicht dem Sinn von Trinkgeld.

Zahlungen innerhalb eines Konzerns als „Trinkgeld“?

Die beiden Prokuristen waren in der X-GmbH tätig, die durch die Y-Holdinggesellschaft gehalten wurde. Die Z-GmbH, die an der Holdinggesellschaft beteiligt war, verkaufte einen Teil ihrer Anteile. Im Rah-men dieser Transaktion hatten die beiden Prokuristen die streitgegenständlichen Zahlungen von der Z-GmbH erhalten. In ihren Einkommenssteuererklärungen machten sie die Zahlungen als steuerfreies Trinkgeld (§ 3 Nr. 51 EstG) geltend, denn die Beträge seien „anlässlich einer Arbeitsleistung von einem Dritten freiwillig und ohne Rechtsanspruch darauf zusätzlich zum Arbeitslohn vom Arbeitgeber“ gezahlt worden. Dieser Ansicht schloss sich das Finanzamt – wen wundert’s? – nicht an und erließ einen korrigierten Einkommenssteuerbescheid in dem die Zahlungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn verbucht wurden. Das Finanzamt begründete seine Ansicht damit, dass freiwillige Sonderzahlungen konzernverbundener Unternehmen keine steuerfreien Trinkgelder seien, sondern steuerpflichtige Bezüge. Weiterhin fehle das vom Bundesfinanzhof geforderte und für den Trinkgeldbegriff charakteristische Gast- bzw. Kunden-Dienstleistungsverhältnis. Das wollten die Prokuristen nicht hinnehmen und legten Einspruch ein. An der Auffassung des Finanzamts änderte das aber nichts; dort meinte man, dass die Tätigkeit der Prokuristen gerade nicht unmittelbar der Z-GmbH zugutegekommen sei, denn die Wertsteigerung der von der Z-GmbH gehaltenen Anteile sei den Prokuristen der X-GmbH nur mittelbar zuzuschreiben. Dadurch würde der klassische Charakter des Trinkgelds, Zufriedenheit mit der Dienstleistung auszudrücken, nicht erfüllt.

„Kleineres Trinkgeld“ wird durch die tatsächliche Höhe bestimmt

Auch vor dem Finanzgericht Köln hatten die Prokuristen keinen Erfolg. Die Richter argumentierten mit der Ansicht des Bundesfinanzhofs, nach der der Trinkgeldbegriff durch die klassischen Trinkgeldempfänger charakterisiert. Dies sind vor allem Arbeitnehmer in niedrig entlohnten Berufen, beispielsweise Friseure, Gepäckträger und Taxifahrer, für die das Trinkgeld ein geringer zusätzlicher Betrag zum Arbeitseinkommen ist. Dadurch qualifiziert der Bundesfinanzhof Trinkgeld als kleines Geldgeschenk an den Dienstleistenden. Die Argumentation der Prokuristen, die Zahlung sei nur ein kleiner Prozentanteil des gezahlten Kaufpreises, half hier nicht: das Kölner Finanzgericht erklärte, dass der Prozentsatz keine Bedeutung habe, sondern es müsse sich insgesamt um eine kleinere Zahlung handeln, also um eine Zusatzleistung in Form einer Nebenleistung. Weiterhin betonten die Richter, die Prokuristen hätten nicht geltend gemacht, durch welche spezifische Art von zusätzlicher Dienstleistung für die Z-GmbH sie die Wertsteigerung in den Anteilen herbeigeführt dadurch eine besondere Honorierung verdient hätten.

Rechtsprechung des BFH füllt den Trinkgeldbegriff aus

Das Finanzgericht Köln stufte die Zahlungen an die Prokuristen letztlich gleich dem Finanzamt als steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit ein (§ 19 Absatz 1 Nr. 1 EstG). Unterstützt wurde dies durch das Begleitschreiben zur Zahlung der Z-GmbH, aus dem hervorging, dass die Prokuristen die Beträge für ihre erfolgreiche Tätigkeit als Prokuristen erhalten hatten. Auch nach der Gesetzesänderung im Jahr 2002 gilt die Steuerbefreiung für Trinkgeld damit nicht unbegrenzt fort. Der Begriff des Trinkgeldes wird weiterhin neben dem Gesetz durch die Definition des Bundesfinanzhofs charakterisiert und beschränkt sich damit auf kleinere Beträge neben im Austauschverhältnis stehenden Leistungen im Rahmen einer Dienstleistung als Zeichen der Honorierung.

FG Köln, Urt. v. 14.12.2022, Az. 9 K 2507/20 und 9 K 2814/20
 

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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