Zur Ermittlung der ortsüblichen Miete im Ertragswertverfahren

Kernaussage

Das FG Münster befasst sich mit der Frage, wann sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, und welche Erkenntnisquellen einer Schätzung i. S. d. § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG zugrunde gelegt werden können.

Sachverhalt

Vater V schenkte jedem seiner drei Kinder (Kläger) in 2018 einen Miteigentumsanteil von einem Viertel an einem gemischt genutzten Grundstück. Das Gebäude aus dem Jahr 1954 besteht aus dem  Erdgeschoss (261 qm), dass an die F-GmbH gewerblich vermietet ist. Die darüber liegenden drei Stockwerke werden als Wohnungen genutzt. Außerdem befindet sich eine Garage mit einer Bruttogrundfläche von 15 qm auf dem Grundstück. 

In den Steuererklärungen zur Feststellung des Bedarfswerts wiesen die Kläger darauf hin, dass nach ihrer Auffassung das Sachwertverfahren anzuwenden sei, weil sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt für den gewerblich vermieteten Grundstücksteil keine übliche Miete ermitteln lasse. Die tatsächliche Monatsmiete für die gewerbliche Einheit gaben sie mit 8.400 € an, d. h. 32,18 €/qm, für die Wohnungen mit insgesamt 4.573 €, d. h. durchschnittlich 9,88 €/qm. Für die Garage seien am Stichtag 65 € pro Monat Miete gezahlt worden.

Der gesondert und einheitlich festgestellte Grundbesitzwert wurde auf 2.230.034 € und der übertragene Anteil am Grundbesitzwert jeweils auf 557.508 € festgestellt. Dem lag das Ertragswertverfahren zugrunde. Für die Ermittlung des Rohertrags ging das Finanzamt (FA) betreffend die Wohnungen von der erklärten vereinbarten Nettokaltmiete von 4.573 € monatlich aus. Auch bezüglich der Garage legte er die erklärte vereinbarte Nettokaltmiete von 65 € pro Monat zugrunde. Für den gewerblich vermieteten Teil setzte er eine „übliche Miete bei Vermietung“ von monatlich 5.873 € an. In den Erläuterungen zu den Bescheiden führte das FA aus, das Ertragswertverfahren finde Anwendung, weil sich auch für den gewerblichen Teil eine übliche Miete ermitteln lasse. Der Ansatz der üblichen Miete nach dem Grundstücksmarktbericht sei mit den Richtlinien vereinbar, da es sich zwar nicht um eine Mietsammlung, aber um eine Mietdatenbank gemäß R B 186.5 Abs. 4 ErbStR handele. Der Gutachterausschuss erkenne in seinem Grundstücksmarktbericht die angegebenen Daten an. Zudem erläuterte das FA in den Bescheiden u.a., dass über ein Verkehrswertgutachten der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts möglich sei.

Die gegen die Bescheide erhobenen Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. Mit den dagegen eingereichten Klagen, begehrten die Kläger weiterhin die Anwendung des Sachwertverfahrens, nach dem sie einen halb so hohen Grundbesitzwert ermittelt haben.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Das FA hat den Wert der wirtschaftlichen Einheit und den übertragenen Anteil am Grundbesitzwert jeweils dem Grunde und der Höhe nach zutreffend im Wege des Ertragswertverfahrens festgestellt.

Gemischt genutzte Grundstücke im Sinne von § 181 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 7 BewG, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, sind nach § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Ertragswertverfahren nach den §§ 184 bis 188 BewG zu bewerten. 

Für das streitgegenständliche Objekt lässt sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln. Nach dem Wortlaut des § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG ist maßgeblich, ob sich eine solche Miete ermitteln lässt. Das ist so zu verstehen, dass es darauf ankommt, ob eine übliche Miete grundsätzlich ermittelbar ist. Zu der Frage, auf welche Weise diese übliche Miete zu ermitteln sein muss, verhält sich der Gesetzestext nicht. Maßgeblich ist deshalb, ob im Prinzip anhand eines anerkannten Verfahrens eine übliche Miete ermittelbar ist. Die abstrakte Ermittelbarkeit der üblichen Miete kann unter anderem dann gegeben sein, wenn der Nachweis der üblichen Miete durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens – sei es durch den Steuerpflichtigen oder auch durch die Finanzverwaltung – zumindest möglich erscheint. Die tatsächliche Erstellung eines Gutachtens ist hingegen nur erforderlich, sofern sich ein Beteiligter auf die darin konkret nachgewiesene übliche Miete im Rahmen des Ertragswertverfahrens berufen will. Weiterhin kann sich die abstrakte Ermittelbarkeit einer üblichen Miete daraus ergeben, dass ihre Ableitung aus einem Mietspiegel oder aus der tatsächlichen Miete in Betracht kommt. Eine übliche Miete ist, wie sich aus dem systematischen Normzusammenhang zwischen § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG mit § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG ergibt, auch dann ermittelbar, wenn sie im Schätzungswege auf Grundlage geeigneter Schätzungsgrundlagen ermittelt werden kann; maßgeblich ist insoweit, ob es sich um Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung handelt.

Vorliegend geht es um die Bewertung eines bebauten Grundstücks in der Innenstadtlage von N-Stadt, einer Großstadt, die am Bewertungsstichtag ca. […] Einwohner hatte. Die Immobilie ist ein Eckgebäude an der M-Straße, welche im weiteren Verlauf zur Fußgängerzone mit der höchsten Passantenfrequenz in N-Stadt wird. Die Mikroumgebung stellt sich vom äußeren Eindruck her ganz ähnlich dar wie das Bewertungsobjekt: Die Erdgeschosse der benachbarten und gegenüberliegenden Grundstücke an der M-Straße sind jeweils geprägt durch eine gewerbliche bzw. gastronomische Nutzung, während die darüber liegenden Stockwerke Wohn- oder Bürozwecken dienen. Bei dem vorliegenden, vollständig zu Wohn- bzw. Gewerbezwecken vermieteten Objekt handelt es sich damit um ein typisches Renditeobjekt, also um ein Objekt, bei dessen Wertfindung der nachhaltig erzielbare Mietertrag für die Werteinschätzung am Grundstücksmarkt im Vordergrund steht. Für die für Wohnzwecke genutzten Räumlichkeiten des Objekts ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit, dass sich eine übliche Miete, beispielsweise über den Mietspiegel, ermitteln lässt. Eine übliche Miete ist im Prinzip aber auch für das als Bäckerei mit Cafébetrieb genutzte Erdgeschoss zu ermitteln. Abgesehen davon, dass die gewerblich bzw. gastronomische Nutzung in der konkreten örtlichen Nähe des Objekts geradezu typisch ist und sich – was ebenfalls gerichtsbekannt ist – im Innenstadtbereich mehrere Bäckerei-Cafés, ähnlich wie das streitgegenständliche Objekt, befinden, ist kein Grund ersichtlich, warum eine übliche Miete nicht im Prinzip ermittelbar sein sollte. Die Kläger haben dabei keine durchgreifenden tatsächlichen Gründe dazu vorgetragen, warum eine übliche Miete im Einzelfall nicht ermittelbar sein soll. Im Streitfall erscheint die übliche Miete jedenfalls per Sachverständigengutachten ermittelbar. Aber auch der Handelsimmobilienreport 2017/2018 der Wirtschaftsförderung N-Stadt GmbH in Kooperation mit Firma T, auf den der Grundstücksmarktbericht 2019 des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt N-Stadt als Datenquelle ausdrücklich Bezug nimmt, bietet für den Streitfall eine geeignete und ausreichende Grundlage zur Ermittlung der üblichen Miete.

Für die Ermittelbarkeit der üblichen Miete ist nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht erforderlich, dass sich aus dem für die Bewertung genutzten Datenmaterial eine Vergleichsmiete in der Weise finden lässt, dass deren wertbestimmende Parameter mit denen des zu bewertenden Objekts exakt übereinstimmen. Das würde die Anforderungen, die das Gesetz in § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG für die konkrete Ermittlung der üblichen Miete im Schätzungswege, insbesondere mit den Merkmalen „in Anlehnung“ und „ähnlicher“ Art, Lage und Ausstattung, vorgibt, übersteigen.

Der vom FA im Wege des Ertragswertverfahrens ermittelte Grundbesitzwert ist ebenso wie der Wert des übertragenen Anteils am Grundbesitzwert rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Höhe der vom FA für den gewerblich vermieteten Grundstücksteil als Rohertrag des Grundstücks gemäß § 186 BewG zugrunde gelegten und im Schätzungswege ermittelten üblichen Miete nicht unzutreffend.

Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Wert der Gebäude (Gebäudeertragswert) getrennt von dem Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags nach § 185 BewG zu ermitteln (§ 184 Abs. 1 BewG). Bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts ist von dem Reinertrag des Grundstücks auszugehen (§ 185 Abs. 1 Satz 1 BewG). Dieser ergibt sich aus dem Rohertrag des Grundstücks abzüglich der Bewirtschaftungskosten (§ 185 Abs. 1 Satz 2 BewG). Rohertrag ist das Entgelt, das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den am Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist (§ 186 Abs. 1 Satz 1 BewG).

Für Grundstücke oder Grundstücksteile, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete (nach oben oder nach unten) abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat, ist die übliche Miete anzusetzen (§ 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG). Die übliche Miete ist gemäß § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Miete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Letztlich handelt es sich um eine Schätzung gemäß § 162 AO, bei der alle Umstände, die für die Schätzung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen sind. Das Tatbestandsmerkmal „übliche Miete“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der Auslegung unterliegt. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist gerichtlich voll überprüfbar. Die Gerichte sind dabei nicht an die in den ErbStR getroffenen Regelungen gebunden, weil es sich dabei um Verwaltungsinnenrecht handelt. Soweit darin Möglichkeiten zur Ermittlung der üblichen Miete genannt werden, sind diese deshalb jedenfalls nicht abschließend.

Die übliche Miete kann – angelehnt an R B 186.5 Abs. 1 Satz 1 ErbStR – insbesondere aus Vergleichsmieten oder Mietspiegeln abgeleitet, mit Hilfe einer Mietdatenbank (§ 558e BGB) geschätzt oder durch ein Mietgutachten ermittelt werden.

Mietspiegel ist in erster Linie ein nach dem Gesetz zur Regelung der Miethöhe bzw. nach den §§ 558c, 558d BGB erstellter Mietspiegel für den Bewertungsstichtag, aber auch ein anderer Mietspiegel, der einen repräsentativen Querschnitt der ortsüblichen Entgelte vergleichbarer Wohnungen oder Räumlichkeiten aufweist (vgl. R B 186.5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ErbStR). Ein Mietspiegel ist nach § 558c Abs. 1 BGB eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist. § 558d Abs. 1 BGB bezeichnet einen Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist, als qualifizierten Mietspiegel.

Im Streitfall sind für den gewerblich vermieteten Teil des Grundstücks weder Vergleichsmieten vorhanden, noch liegt ein Mietspiegel im vorgenannten Sinne oder eine Mietdatenbank vor. Denn die zitierten Regelungen des BGB beziehen sich auf Wohnungen, nicht aber auf gewerblich vermietete Objekte. Ein gewerblicher Mietspiegel steht für das streitgegenständliche Objekt nicht zur Verfügung.

Das FG schätzt den Betrag der üblichen Miete für den gewerblich vermieteten Teil gemäß § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG i. V. m. § 162 Abs. 1 AO, § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO jedenfalls nicht auf einen niedrigeren als den vom FA angesetzten Wert von 70.476 € jährlich (5.873 € monatlich x 12).

Ausgangspunkt der Schätzung ist die Erwägung, dass die wesentlichen wertbestimmenden Merkmale für eine Gewerberaummiete darin bestehen, in welcher Lage sich das Objekt befindet, und für welche Art der gewerblichen Nutzung sich die Räumlichkeiten nach ihrer Größe und der vom Vermieter bereitgestellten Ausstattung eignen. Im Streitfall stellt der Vermieter im Wesentlichen die Räumlichkeiten mit der Schaufensterfront zur Verfügung, ohne eine besondere für den Betrieb einer Bäckerei mit Café bzw. Verkaufsräumen notwendige Ausstattung.

Nach dem Handelsimmobilienreport für die Jahre 2017/2018 der Wirtschaftsförderung N-Stadt GmbH in Kooperation mit Firma T ist der südliche Teil der M-Straße in N-Stadt als 1b- bis B-Lage zu klassifizieren; die benachbarte Hausnummer […] in der M-Straße in N-Stadt wird im detaillierten Retailerplan für die Innenstadt (dort Seite 22) als B-Lage erfasst. Im Retailerplan des Handelsimmobilienreports für die Folgejahre 2019/2020 (dort Seite 24) wird das dort ausdrücklich als F-Café bezeichnete streitgegenständliche Objekt ebenfalls einer Lage zwischen 1b und B zugeordnet. Dabei bezieht der Handelsimmobilienreport u. a. die Passantenfrequenz, die Qualität der Straßenfronten und Gebäudesubstanzen in die Einteilung der Lagequalitäten mit ein (Handelsimmobilienreport 2017/2018, Seite 22). Die Beteiligten haben keine Einwände dagegen erhoben, dass am Bewertungsstichtag von einer 1b- bis B-Lage auszugehen ist. Für diese Einordnung spricht, dass es sich um ein Eckgebäude am Rand der Innenstadt handelt mit einer breiten Verkaufstheke, die sich exakt an der Straßenecke befindet und so die Lage an zwei Straßenfronten, der M-Straße und der L-Straße, optimal abdeckt.

Die Einzelhandelsmiete für eine 1b-Lage in der M-Straße gibt die Mietpreisübersicht des Handelsimmobilienreports für die Jahre 2017/2018 mit 30 bis 60 € pro Quadratmeter an, bei einer vermieteten Fläche von 150 bis 300 qm. Für eine B-Lage werden 25 bis 40 € pro Quadratmeter ausgewiesen. Damit liegen die im Handelsimmobilienreport 2017/2018 als „Orientierungshilfen“ (dort Seite 19) bezeichneten Mieten deutlich über dem vom FA angesetzten Wert von 22,50 € pro Quadratmeter (5.873 € dividiert durch 261 qm).

Der Umstand, dass der Handelsimmobilienreport 2017/2018 lediglich von „Orientierungshilfen“ spricht, die die aufgeführten Mietpreise bieten sollen, und angibt, dass die Mieten in Abhängigkeit von individuellen Gegebenheiten des Ladenlokals höher oder niedriger ausfallen könnten, macht ihn als Schätzungsgrundlage nicht ungeeignet. Gleiches gilt für den Umstand, dass er nicht von der Stadt N-Stadt selbst aufgestellt oder formell als gewerblicher Mietspiegel anerkannt ist. Das FG berücksichtigt hierbei, dass er auf einer breiten Datengrundlage aus dem Zeitraum von August 2016 bis August 2018 erstellt wurde, in die Neuverträge und Mietverträge, die in dem Zeitraum mit einem neu verhandelten Mietpreis verlängert wurden, einbezogen wurden, und durch den Abgleich mit Mietpreisübersichten der großen Maklerhäuser sowie durch die Einbeziehung von Vertretern des Vereins ISI als Zusammenschluss von Händlern, Gastronomen und Eigentümern, d.h. typischen gewerblichen Mietern und Vermietern, plausibilisiert wurde. Indem der für das Berichtsjahr 2018 erstellte Grundstücksmarktbericht 2019 des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt N-Stadt unter der Rubrik „8. Mieten und Pachten a) Gewerbemieten“ explizit innerhalb des Überblicks über das Mietniveau im Gewerbebereich für weitere Angaben auf den Handelsimmobilienreport 2017/2018 Bezug nimmt, weist er ihn als von dem mit hoher Kompetenz ausgestatteten Gutachterausschuss fachlich anerkannte Erkenntnisquelle aus. Hinzu kommt, dass die Herausgeberin des Handelsimmobilienreports 2017/2018, die Wirtschaftsförderung N-Stadt GmbH, ein Unternehmen ist, dessen Anteilseigner (85 v. H. Stadt N-Stadt; 15 v. H. U-Bank; […]) der kommunalen öffentlichen Hand zuzuordnen sind. Eine einseitige Interessenlage zugunsten von gewerblichen Mietern oder Vermietern ist damit für die Wirtschaftsförderung N-Stadt GmbH nicht ersichtlich, auch wenn das private Immobilienberatungsunternehmen Firma T GmbH & Co. KG in deren Auftrag die Bewertung der innerstädtischen Handelslagen vorgenommen hat (vgl. Seite 5 des Handelsimmobilienreports 2017/2018). Überdies bietet der Handelsimmobilienreport 2017/2018 als einzige öffentlich zugängliche Datenquelle eine äußerst detaillierte Mietpreisübersicht für die nach verschiedenen örtlichen Bereichen der Stadt differenzierte Situation auf dem Handelsimmobilienmarkt, die auch die Entwicklung von Gastronomieflächen im Blick hat.

Selbst wenn weitere untergeordnete Parameter – etwa die Länge der Straßenfront – Einfluss auf die Höhe der üblichen Miete haben sollten, ist nicht erkennbar, dass sie sich im Streitfall so auswirken würden, dass die übliche Miete mit weniger als 22,50 € pro Quadratmeter zu schätzen wäre. Zu bedenken ist, dass die Qualität der Straßenfront bereits Eingang in die Bestimmung der Lagequalität gefunden hat und sich die Schaufensterfront beim streitgegenständlichen Objekt jedenfalls über die komplette Grundstücksseite entlang der M-Straße erstreckt. Die M-Straße weist – das ist dem Gericht aus eigener Anschauung bekannt – gegenüber der an der Gebäudeecke abzweigenden L-Straße eine deutlich höhere Passantenfrequenz aus, weil sie eine direkte Verbindung zwischen der Innenstadt und den Knotenpunkten für den öffentlichen Personennahverkehr mit zahlreichen Bushaltestellen schafft. Demgegenüber ist die L-Straße deutlich schmaler und nicht geprägt durch gewerbliche Nutzung, sondern durch Wohnnutzung.

Im Übrigen haben die Kläger auch nicht vorgetragen, dass und warum die übliche Miete den Betrag von 5.873 € monatlich noch unterschreiten sollte. Auch weichen die im Mietvertrag mit der F-GmbH getroffenen Regelungen nicht in einem solchen Maße zulasten der Vermieterseite von den üblichen Klauseln für gewerbliche Mietverträge ab, dass sie den Rückschluss nahelegen würden, dass die übliche Miete für die hier zu betrachtenden gewerblichen Räumlichkeiten mindestens um nahezu die Hälfte des tatsächlich vereinbarten Mietzinses niedriger liegen würde. Der Vermieterseite werden keine sie wirtschaftlich belastenden Verpflichtungen auferlegt, die über das übliche Maß hinausgehen würden. Beispielsweise sind die Kosten für Schönheitsreparaturen und kleinere Instandsetzungen auf den Mieter überwälzt. Für bauliche Veränderungen durch den Mieter ist keine Kostentragungspflicht für den Vermieter vorgesehen. In der Vergangenheit wurden die Kosten für erhebliche bauliche Veränderungen an der Fassade und der Schaufensteranlage tatsächlich dem Mieter zugeordnet (Nachtrag vom 10.07.2006 zu § 14 des Mietvertrags).

Dafür, dass die in den angefochtenen Bescheiden angesetzte tatsächliche Miete, soweit sie auf den zu Wohnzwecken genutzten Teil entfällt, zu mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete abweichen würde, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch die Kläger und der Beigeladene V haben insofern keine Bedenken erhoben, genauso wenig wie zu den weiteren bei der Durchführung des Ertragswertverfahrens zugrunde zu legenden Werten bzw. zu den notwendigen weiteren Rechenschritten.

Den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes (§ 198 BewG) haben die Kläger nicht geführt.

Hinweis

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Es ist zu § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG noch nicht höchstrichterlich entschieden, wann sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, und welche Erkenntnisquellen einer Schätzung i. S. d. § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG zugrunde gelegt werden können.
 

Andrea Köcher

Steuerberaterin

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