Verbindlichkeit von Vergleichswertfaktoren und Bodenrichtwerten der Gutachterausschüsse
Kernaussage
Das FG Niedersachen nimmt Stellung zur Verbindlichkeit der von den Gutachterausschüssen ermittelten Vergleichsfaktoren und Bodenrichtwerten.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige erbte im Jahr 2010 u.a. die in X belegen Erbbaugrundstücke, die mit Reihenhäusern und in einem Fall mit einem Werkstattgebäude bebaut sind. Das Finanzamt ermittelte die Bodenwertanteile unter Ansatz geschätzter Erbbauzinsen in Höhe von 2,20 € /qm, angelehnt an § 194 Abs. 3 BewG.
Im Einspruchsverfahren legte die Steuerpflichtige ein Gutachten des öffentlich bestellten Sachverständigen A für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken vor. Nach Auffassung des Gutachters kann eine Bewertung der Erbbaugrundstücke im Vergleichsverfahren nicht erfolgen, weil für den maßgeblichen Grundstücksteilmarkt (Veräußerung von Erbbaugrundstücken an Käufer, die nicht gleichzeitig die Erbbauberechtigen sind), nach Auskunft des örtlichen Gutachterausschusses, keine Kauffälle vorlägen. Darüber hinaus könnte auch nicht auf die veröffentlichten Vergleichsfaktoren zugegriffen werden, da sie aus Verkäufen von Erbbaugrundstücken an Erbbauberechtige abgeleitet werden und damit einen inneren bzw. internen Wert darstellen. Da der Steuerpflichtige aber ein hohes persönliches Interesse an dem Kauf habe, müsse auf den Teilmarkt der Veräußerung von Erbbaugrundstücken an andere als den Erbbauberechtigen abgestellt werden.
Unter Anwendung der finanzmathematischen Methode kommt der Sachverständige auf ca. 30 % niedrigere Werte als vom Finanzamt festgestellt. Das Einspruchsverfahren des Steuerpflichtigen blieb erfolglos, da das Finanzamt der Auffassung war, es sei nicht sachgerecht die finanzmathematische Methode anzuwenden. Diese käme aufgrund von Ziffer 4.3.2.2. Wertermittlungsrichtlinien 2006 (WertR) zum Zuge, wenn direkte oder indirekte Vergleichswerte nicht vorlägen. Nach Auffassung des Finanzamtes lägen jedoch indirekte Vergleichswerte in Form von Vergleichsfaktoren für den Teilmarkt „Erbbaugrundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser“ im Grundstücksmarktbericht vor. Im Rahmen des Klageverfahrens schaltete das Finanzamt den Gutachterausschuss für Grundstückswerte (GAG) ein.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Klage unbegründet. Die vom GAG mitgeteilten Vergleichsfaktoren sind nach Auffassung des FG im Streitfall maßgeblich. Das FG hat keine Bedenken hinsichtlich der Ermittlung der Vergleichsfaktoren aus Verkäufen des Erbbaugrundstücks an den Erbbauberechtigen.
Der Gesetzgeber hat nach Ansicht des FG die Ermittlung von Vergleichspreisen und –faktoren explizit den Gutachterausschüssen aufgegeben, da diese aufgrund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer Ortsnähe eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Vergleichspreisen und –faktoren zukommt. Vor diesem Hintergrund hat der BFH bereits entschieden, dass die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und an die Finanzämter kommunizierten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich sind. Nach Auffassung des GAG sind die Vergleichsfaktoren auch deshalb nicht untauglich, weil sie aus Verkäufen von Erbbaugrundstücken an die Erbbaurechtsnehmer abgeleitet werden. Denn nach Ansicht des GAG sei dies eine zulässige Vorgehensweise.
Das Gutachten des Sachverständigen A sei hingegen nicht als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes geeignet. Denn die vom Sachverständigen angewandte finanzmathematische Methode zur Verkehrsermittlung nach der Immobilienwertermittlungsverordnung ist nicht zugelassen. Dies gilt jedoch nur uneingeschränkt für die in § 194 BauGB vorgesehene Verkehrswertermittlung. § 198 BewG ordnet aber die Geltung der Immobilienwertermittlungsverordnung nur grundsätzlich an und lässt damit Ausnahmen zu. Eine Ausnahme könnte die Wertermittlungsrichtlinie 2006 (WertR 2006) sein.
Die finanzmathematische Methode ist nach Ansicht des FG nicht bedenkenlos zum Nachweis des niedrigeren gemeinem Werts von Erbbaugrundstücken gemäß § 198 BewG geeignet ist. Gemäß Ziffer 4.3.3.2.1 WertR 2006 liegt hinsichtlich des Bodenwertanteils des Erbbaugrundstücks die unterste Wertgrenze für den Wert des Erbbaugrundstücks in der Regel beim finanzmathematisch ermittelten Wert und die Obergrenze beim unbelasteten Bodenwert. Es ist nach Auffassung des FG nicht ersichtlich, warum die unterste Wertgrenze den gemeinen Wert des Erbbaugrundstücks darstellen soll. Insbesondere wenn die Wertermittlungsrichtlinie schon selbst das Vorhandensein einer Spanne anerkennt. Nach Auffassung des FG kann nur eine einzelfallbezogene Begründung dazu führen, dass die finanzmathematische Methode ausnahmsweise angewendet werden kann. Diese einzelfallbezogene Begründung fehlt jedoch nach Auffassung des FG im Streitfall.
Hinweis
Das Urteil wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zur Revision zugelassen. Es ist beim BFH unter dem Az. II R 7/18 anhängig. Mit dem Urteil folgt das FG den BFH Urteilen vom 11.05.2005 (Az. II R 21/02), 26.04.2006 (Az.: II R 58/04) und 16.12.2009 (Az. II R 15/09), in denen der BFH bestätigt, dass die von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte im Steuerrechtsverhältnis verbindlich sind.