Umsatzsteuerliche Behandlung der Flüssigfütterung

Kernaussage

Das FG Münster hat entschieden, dass bei der computergesteuerten Flüssigfütterung keine ermäßigt zu besteuernde Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende einheitliche Leistung besonderer Art vorliegt.

Sachverhalt

Der Kläger (L) ist Landwirt. Für die Jahre 2001 bis 2017 optierte er zur umsatzsteuerrechtlichen Regelbesteuerung. Er errichtete 1999 einen ca. 2 km von seiner Hofstelle entfernt liegenden freistehenden Schweinemaststall und erweiterte diesen in 2001 um 1.260 Mastplätze auf insgesamt 1.980 Mastplätze. Der durch eine Brandschutzmauer erweiterte, räumlich abgegrenzte Teil war vorgesehen für eine Verpachtung an einen anderen Unternehmer und ist letztlich im Umfang von 840 Mastplätzen an die Ehefrau des L verpachtet worden. Die gesamte Mastanlage, also alle 1.980 Mastplätze, wurden durch eine gemeinsame computergesteuerte Flüssigfutteranlage versorgt. Diese besteht neben dem Fütterungscomputer im Wesentlichen aus Vorratssilos, Anmischbehälter und Leitungen und befindet sich in einem gesonderten Gebäude und versorgt die einzelnen Mastplätze über ein Rohrleitungssystem mit Flüssigfutter. Im Rahmen einer verbindlichen Auskunft wurde die Betriebsteilung bestätigt. Das Flüssigfutter wird in einem einzigen Anmischbehälter für beide Mastställe zusammengemischt und über einen Fütterungscomputer verteilt. Der Computer regelt individuell nach den Vorgaben des jeweiligen Betriebsinhabers die Futtermittelrezepturen, die sodann über die Misch- und Verteilanlage verteilt wird. Die Erfassung nach Quantität und Qualität für jeden Maststall erfolgt mit entsprechenden Messinstrumenten. Es werden bis zu 25-mal am Tag kleinere Mengen Futter an die Schweine gegeben. Dabei wird sensorisch kontrolliert, ob noch Futter im jeweiligen Trog ist; bei leerem Trog wird automatisch nachgeliefert. Zu Beginn der Mastperiode wird vom jeweiligen Betriebsinhaber eine Futterkurve festgelegt. Diese kann in den beiden Mastbereichen unterschiedlich sein. Eine gleichzeitige Fütterung beider Mastbereiche ist aber nicht möglich.

Mit Wirkung vom 01.10.2002 verpachtete L 840 Mastplätze einschließlich Betriebsvorrichtungen, Anlagen und Einrichtungen im Stall, einem Güllelagerbehälter außerhalb des Stalls und die notwendigen Verkehrsflächen des Maststalls an seine Ehefrau. Die Fütterungsanlage oder Teile davon wurden nicht mitverpachtet. Gemäß § 5 des Vertrags verpflichtete sich L das Pachtobjekt während der Pachtzeit mittels seiner am Pachtstandort eingerichteten Fütterungszentrale mit Flüssigfutter in einem qualitativ und quantitativ erstklassigen Zustand zu versorgen. Die Pächterin verpflichtete sich aufgrund schriftlicher Vereinbarung zur Abnahme. Die übrigen Plätze des Maststalls nutzte L selbst zu Mastzwecken.

Die Ehefrau ist pauschalierende Landwirtin und lieferte ihre Getreide- und Maisernte mit Umsatzsteuerausweis i.H.v. 10,7 % an L. Dieser mischte die von seiner Ehefrau erworbene und gegebenenfalls seine eigene Ernte unter Beifügung von zugekauften Ergänzungsstoffen zu Flüssigfutter, welches nach Bedarf von der Ehefrau über die Fütterungsanlage abgenommen wurde.

Im Streitjahr 2013 berechnete L seiner Ehefrau Fütterungskosten, die er dem ermäßigten Steuersatz zu 7 % unterwarf. Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 2013 erging unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 2013 - 2015 war der Prüfer der Auffassung, die Versorgung der an die Ehefrau verpachteten Mastplätze mit Flüssigfutter unterliege dem Regelsteuersatz. Es läge keine begünstigte Futterlieferung, sondern eine aus mehreren Komponenten bestehende Fütterungsleistung vor, die dem Regelsteuersatz unterliege. Der gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos, woraufhin Klage erhoben wurde.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG Münster ist die Klage unbegründet. Die an die Ehefrau ausgeführten Fütterungsleistungen unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

Zunächst verweist das FG auf die Ermächtigungsgrundlage für die Steuerermäßigung in Art. 98 i. V. m. Anh. III Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: MwStSystRL). Die in Anh. III MwStSystRL genannten Kategorien stellen Berechtigungen und Grenzen für die Mitgliedstaaten zur Einführung von ermäßigten Steuersätzen dar. Die Mitgliedstaaten sind daher nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt, für alle dort genannten Kategorien ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Für die Mitgliedstaaten besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des ermäßigten Steuersatzes zudem die Befugnis, die in Anhang III zur MwStSystRL aufgeführten Ermächtigungen auch nur selektiv auszuüben und auf einzelne konkrete und spezifische Aspekte der jeweiligen Kategorie von Dienstleistungen zu beschränken, sofern dabei der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird. Daher können Steuerpflichtige sich insoweit auch nicht direkt auf die MwStSystRL berufen und die Kategorien können auch nicht als Auslegungshilfe dienen. Die hier streitbefangene Frage, ob L umsatzsteuerermäßigte Leistungen erbracht hat, kann daher nur anhand der deutschen Vorschriften beurteilt werden.

L hat nach Auffassung des FG keine Lieferung von zubereitetem Futter gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Anl. 2 Nr. 37 UStG ausgeführt, denn es liegt keine „Lieferung“ i. S. der vorgenannten Vorschrift, sondern ein Leistungsbündel mit überwiegendem Dienstleistungsanteil vor. Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist "die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen zu bestimmen".

Im Streitfall liegt eine einheitliche Leistung des L vor, die Lieferungs- und Dienstleistungselemente enthält, wobei nach Auffassung des FG die Dienstleistungselemente überwiegen. Die Fütterungsleistung des L an die Mastschweine seiner Ehefrau ist nicht aufteilbar in eine Futterlieferung einerseits und eine sog. Futtermanagement-Dienstleistung andererseits. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst. Der EuGH hat außerdem festgestellt, dass sich zum einen aus Art. 2 der 6. EGRL (jetzt: Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) ergibt, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und dass zum anderen ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf. Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Nach den vorgenannten Grundsätzen liegt eine einheitliche Leistung vor. Die Herstellung des Futters und automatische Verfütterung an die Mastschweine der Ehefrau mit Flüssigfutter sind weder nach der Interessenlage der am Leistungsverhältnis Beteiligten noch technisch aufteilbar. L liefert nicht erst Futter an seine Ehefrau durch Verschaffung der Verfügungsmacht hieran. Das eigens hergestellte Futter wird unmittelbar in die computergesteuerte Fütterungsanlage gegeben. Die anschließende Fütterung der Schweine der Ehefrau wird mit den im Eigentum des L stehenden Anlagen durchgeführt, die außerdem auch die eigenen Schweine des L versorgen. Die Futterbestandteile für beide Mastställe werden in einem einzigen Anmischbehälter verarbeitet. Das Flüssigfutter für die Schweine der Ehefrau wird nach deren Vorgaben gemischt und automatisch verfüttert. Das Futterverhalten der Schweine wird mittels der Anlage kontrolliert und überwacht.

Die einheitliche Fütterungsleistung des L ist als Dienstleistung und nicht als Lieferung zu qualifizieren. Bei einer Verfütterung von aufbereitetem Futter können im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung die Grundsätze zur Abgrenzung von Lebensmittellieferungen zu Restaurationsleistungen herangezogen werden. Die Aufbereitung von Lebensmitteln in einen zu einem bestimmten Zeitpunkt verzehrfähigen Gegenstand ist nicht notwendig mit ihrer Vermarktung verbunden und deshalb bei der Gesamtbetrachtung dem Dienstleistungsbereich zuzurechnen. Die Feststellung eines qualitativen Überwiegens der Dienstleistungen setzt zumindest zwei Dienstleistungselemente voraus. Im Streitfall liegen neben dem bedarfsgerechten Mischen des Flüssigfutters weitere von L –durch die in seinem Eigentum stehende Fütterungsanlage– ausgeführte Dienstleistungen vor, nämlich die automatische Prüfung, ob die Tröge leer sind, die automatische Wiederbefüllung der Tröge, die automatische Überwachung des Fressverhaltens der Tiere und die automatische Fütterung nach Maßgabe einer von der Ehefrau vorgegebenen „Fütterungskurve“.

Da die Steuerermäßigungsvorschriften der § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG (Aufzucht und Halten von Vieh) und § 12 Abs. 2 Nr. 4 (die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen) nicht greifen, ist der Regelsteuersatz anzuwenden.

Hinweis

Das FG teilt hier die teilweise in der Literatur (Herbort/Menke, NWB 2015, 1076; a. A. Nieskens, UR 2016, 49) und von der Finanzverwaltung (OFD NRW v. 14.07.2015, S 7417-2015/0001-St 445) vertretene Auffassung, dass Flüssigfutterleistungen über eine einheitliche Futtermittelzentrale an andere Unternehmer keine Lieferungen, sondern dem Regelsteuersatz unterliegende Futtermanagementleistungen darstellen.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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