Neuregelung zur Konzernfinanzierung: Finanzverwaltung veröffentlicht Entwurf
Neuregelungen zur Konzernfinanzierung im Wachstumschancengesetz
Mit dem Wachstumschancengesetz sind im Frühjahr dieses Jahres neue Bestimmungen zu grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe in Kraft getreten (Blogbeitrag vom 9. April 2024). Diese regeln zum einen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Zinsen, die an eine ausländische Konzerngesellschaft gezahlt werden, in Deutschland als Betriebsausgaben abgezogen werden können (§ 1 Abs. 3d AStG n.F.). Darüber hinaus werden bestimmte Arten von Finanzierungstätigkeiten zu regelmäßig funktions- und risikoarmen Dienstleistungen erklärt – mit der Folge, dass für derartige Leistungen die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden ist und nur ein vergleichsweise geringer Gewinnaufschlag verrechnet werden darf (§ 1 Abs. 3e AStG).
Finanzverwaltung bemüht sich um Rechtssicherheit
Die Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen hatte teilweise erhebliche Kritik bei den betroffenen Unternehmen hervorgerufen – einerseits weil die Regelungen teilweise von den Richtlinien der OECD abweichen und damit ein Potenzial für Doppelbesteuerungen bedeuten, andererseits weil der Gesetzgeber eine ganze Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe geschaffen hat, was die Unternehmen vor große Auslegungsschwierigkeiten stellt. Vor dem Hintergrund der ausgelösten Rechtsunsicherheit ist es sehr zu begrüßen, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bereits am 14.8.2024 einen Entwurf zur Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 (Blogbeitrag vom 12. Juli 2023) veröffentlicht hat. In diesem Entwurf wird das Kapitel zu den Finanzierungsbeziehungen vollständig überarbeitet und an die neue Rechtslage angepasst.
Überwiegend Erleichterungen für die Unternehmen
Auch inhaltlich enthält der Entwurf für die betroffenen Unternehmen überwiegend gute Nachrichten, weil die Finanzverwaltung bei vielen Zweifelsfragen, die sich aus dem Gesetzeswortlaut ergeben, tendenziell Erleichterungen für die Steuerpflichtigen vorsieht:
- So dürfen für die Frage der Kapitaldienstfähigkeit sowohl andere Vermögenswerte des Schuldners als auch eine gegebenenfalls notwendige Anschlussfinanzierung (beispielsweise bei langfristigen Immobilien-Investitionen) berücksichtigt werden. Letztlich soll es auf die Gesamtschau der Verhältnisse ankommen.
- Auch besonders risikobehaftete Finanzierungsbeziehungen, bei denen die Kapitaldienstfähigkeit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sein kann (z.B. im Start-up-Bereich), werden als fremdüblich anerkannt.
- Die gesetzliche Anforderung, wonach die Verwendung des Fremdkapitals mit dem Unternehmenszweck im Einklang stehen muss, wird tendenziell ebenfalls großzügig ausgelegt. Insbesondere soll die Verwendung für Ausschüttungen nicht dem Unternehmenszweck widersprechen. Darüber hinaus soll es bei Akquisitionsfinanzierungen unschädlich sein, eine gewisse Liquiditätsreserve vorzuhalten, die kurzfristig auch im konzerninternen Cash Pool angelegt werden kann.
- Für die steuerliche Anerkennung dem Grunde nach müssen die Kriterien „Kapitaldienstfähigkeit“, „wirtschaftlich benötigt“ und „Verwendung für den Unternehmenszweck“ kumulativ erfüllt sein. Dies muss der Steuerpflichtige glaubhaft machen, wobei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend sein soll. Gelingt die Glaubhaftmachung nicht, so wird der Betriebsausgabenabzug nicht vollständig versagt, sondern nur in Höhe des fremdunüblichen Teils.
- Bei der Bestimmung des Zinssatzes ist nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich vom Konzern- bzw. Gruppenrating auszugehen. Der vorliegende Entwurf konkretisiert diese Anforderung, lässt aber verschiedene Vereinfachungen und in bestimmten Fällen auch eine Anwendung von Einzelratings zu.
- Hinsichtlich der zeitlichen Anwendung bestimmt der Entwurf, dass die Neuregelungen in § 1 Abs. 3d AStG im Jahr 2024 noch nicht für bestehende Finanzierungsbeziehungen gelten sollen, die vor dem 1.1.2024 zivilrechtlich vereinbart wurden und deren tatsächliche Durchführung vor dem 1.1.2024 begonnen hat, sofern nicht nach dem 31.12.2023 wesentliche Änderungen eingetreten sind. Ab dem 1.1.2025 dürften dagegen auch Altverträge bei Fortführung unter die gesetzliche Neuregelung fallen.
Leichtes Aufatmen, keine Entwarnung
„Es hätte deutlich schlimmer kommen können“ könnte ein vorläufiges Fazit aus Sicht der Unternehmen angesichts des Entwurfs lauten. Das BMF ist erkennbar bemüht, für Rechtssicherheit zu sorgen und Doppelbesteuerungsrisiken nicht noch weiter zu vergrößern. Gleichwohl besteht kein Anlass für eine vollständige Entwarnung: Die gesetzlichen Regelungen fordern von den Unternehmen unverändert einen hohen Dokumentationsaufwand und schränken Spielräume erheblich ein. Die Übergangsregelung verschafft den Unternehmen Zeit, ihre bestehenden Finanzierungsbeziehungen an die neuen Vorschriften anzupassen – allerdings auch nur bis Jahresende, danach fallen auch die Altverträge unter die Neuregelungen. Und noch ist das BMF-Schreiben „nur“ ein Entwurf. Die Verbände können bis zum 6.9.2024 Stellung nehmen. Wir halten Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden – und beraten gerne bei der Überprüfung und Anpassung der Finanzierungsbeziehungen.