Nachträgliche Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags wegen Überschreitens des schädlichen Betriebsgrößenmerkmals

Kernaussage

Forderungen des Mitunternehmers gegen die Mitunternehmerschaft aus Gesellschafterdarlehen sind nach den Feststellungen des FG Niedersachsen in seiner Sonderbilanz zu aktivieren. Sie zählen bei der Bemessung des Betriebsvermögens für Zwecke des Investitionsabzugsbetrags mit. Die Nachholung der bisher unterlassene Aktivierung führte im Urteilsfall zu Rückgängigmachung des IAB.

Sachverhalt

Die Klägerin unterhält in der Rechtsform der GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit dem Schwerpunkt Herstellung und Vertrieb von Rolltoren. Sie ermittelt den Gewinn durch Bestandsvergleich. Im Streitjahr 2011 hatte sie in ihrer Feststellungserklärung einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) nach § 7g Abs. 1 EStG i.H.v. 108.764 € geltend gemacht, den das FA zunächst akzeptierte. Nach einer Betriebsprüfung versagte das FA den IAB, weil das Betriebsgrößenmerkmal des § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG (Wert des Betriebsvermögens von 235.000 €) zum Ende des Wirtschaftsjahres 2011 überschritten war. Die Überschreitung des Betriebsgrößenmerkmals ergebe sich aus der Aktivierung von Forderungen aus Gesellschafterdarlehen im Sonderbetriebsvermögen I bei der Klägerin. Die von den Kommanditisten der KG gewährten unverzinslichen Gesellschafterdarlehen seien zwar in der Gesamthandsbilanz der KG zutreffend passiviert worden. Eine Aktivierung der entsprechenden Forderungen als Sonderbetriebsvermögen in den Sonderbilanzen der Gesellschafter sei jedoch unterblieben.

Durch die Aktivierung sei das Betriebsvermögen der KG über die Grenze von 235.000 € gestiegen. Ihren Einspruch gegen den geänderten Feststellungsbescheid begründete die KG damit, dass die Sonderbilanzen für die Jahre 2011–2013 jährlich beim FA eingereicht worden seien und vom zuständigen Sachbearbeiter nicht beanstandet wurden. Eine Berichtigung der Sonderbilanzen durch die Aktivierung der Darlehensforderungen zum 31.12.2011 sei damit nicht mehr zulässig.

Das FA war weiterhin der Auffassung, dass zum 31.12.2011 eine unrichtige Gesamtbilanz vorliege, die der Steuerfestsetzung nicht zugrunde gelegt werden dürfe. Vielmehr müsse das FA einen Bilanzierungsfehler des Steuerpflichtigen grundsätzlich bei der Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung für den Veranlagungszeitraum berücksichtigen, in dem der Fehler erstmals aufgetreten sei und steuerliche Auswirkungen habe. Liege die fehlerhafte Bilanz einem Feststellungsbescheid zugrunde, der aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden könne, so sei der unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich bei der ersten Gewinnfeststellung richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich sei.

Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos, woraufhin Klage eingereicht wurde.

Entscheidung

Stellt das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung fest, dass unentgeltliche Gesellschafterdarlehen der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG bislang nicht als Sonderbetriebsvermögen I behandelt wurden, ist ein wegen Überschreitens des Betriebsgrößenmerkmals zu Unrecht gebildeter Investitionsabzugsbetrag nachträglich im Jahr der Bildung rückgängig zu machen.

Bei dem Betriebsvermögen im Sinne von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG handelt es sich um das in der Steuerbilanz auszuweisende Kapitalkonto, das sich nach Ansatz der in der Steuerbilanz auszuweisenden Positionen ergibt. Bei Personengesellschaften ist neben dem Gesamtvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen zu erfassen. Hat ein Gesellschafter gegen die Personengesellschaft eine Forderung, z.B. aus Darlehen, ist diese einkommensteuerlich – ebenso wie zivilrechtlich – nicht aufzuspalten in eine Forderung gegen sich selbst und die übrigen Gesellschafter. Solche Forderungen sind, soweit sie von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG erfasst werden, Sonderbetriebsvermögen I des Gesellschafters und in der Sonderbilanz zu aktivieren. In der Steuerbilanz der Gesellschaft steht ihnen eine Schuld (Fremdkapital) gegenüber.

Der Wert des Betriebsvermögens ist eigenständig und ohne Bindung an die Steuerbilanzwerte zu ermitteln. Die Berechnung ist formlos vorzunehmen und erschöpft sich in der Regel in der Übernahme der Steuerbilanzwerte. Materielle Fehler selbst einer bestandskräftig veranlagten Steuerbilanz können daher zugunsten wie zu Ungunsten der Steuerpflichtigen für Zwecke der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages korrigiert werden.

Hinsichtlich des Überschreitens dieses Größenmerkmals kommt es auf den Schluss des Wirtschaftsjahres an, in dem der Abzug vorgenommen wird. Wird durch eine spätere Betriebsprüfung das Betriebsvermögen für das Abzugsjahr über den Grenzbetrag hinaus erhöht, z. B. durch Nachaktivierung von Aufwendungen, entfällt nachträglich auch der Investitionsabzugsbetrag.

Das Finanzamt ist an eine in den Sonderbilanzen der Vorjahre unbeanstandet gebliebene – aber fehlerhafte – steuerliche Behandlung der Darlehen der Kommanditisten nicht gebunden (Grundsatz der Abschnittsbesteuerung).

Liegt eine fehlerhafte Bilanz einem Feststellungsbescheid zugrunde, der aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden kann, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs der unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich bei der ersten Gewinnfeststellung richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für die Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist.

Auch der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit rechtfertigt nicht die Fortführung der fehlerhaften Nichtaktivierung eines Wirtschaftsgutes. Denn der Stetigkeitsgrundsatz hindert nicht, materiell rechtswidrige Bilanzen zu berichtigen, und kann insbesondere nicht rechtfertigen, dass ein fehlerhafter Bewertungsansatz fortzuführen ist.

Hinweis

Das Urteil ist rechtskräftig.

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