Maßgeblichkeit des Steuerbilanzgewinns für die Gewinngrenze in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG
Kernaussage
Unter Gewinn im Sinne von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG ist der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu verstehen. Korrekturen um außerbilanzielle Positionen wie nichtabziehbare Betriebsausgaben oder einkommensteuerfreie Einnahmen sind – entgegen BMF v. 15.06.2022 - nicht vorzunehmen.
Sachverhalt
Die Klägerin ermittelt den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Der für das Streitjahr (Wj. = Kj.) ermittelte Steuerbilanzgewinn betrug von 199.309,90 €. In den steuerlichen Gewinn wurden nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge, ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) nach § 7g EStG von 120.000 € sowie nichtabziehbare Betriebsausgaben eingerechnet, sodass dieser 89.795,90 € betrug.
Das Finanzamt (FA) teilte der Klägerin mit, dass der für den IAB maßgebliche Gewinn unter Einbeziehung der außerbilanziellen Hinzu- bzw. Abrechnungen zu berechnen sei. Ohne die Gewinnminderung durch den IAB betrage dieser 209.795,90 € und übersteige damit die maßgebliche Grenze von 200.000 € des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG. Der IAB wurde daher nicht gewährt.
Der Einspruch gegen den ESt-Bescheid hatte keinen Erfolg. Woraufhin Klage eingereicht wurde.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Der beantragte IAB nach § 7g Abs. 1 EStG in Höhe von 120.000 € ist gewinnmindernd zu berücksichtigen.
IAB können nach § 7g Abs. 1 Satz 2 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Gewinn nach § 4 oder § 5 EStG ermittelt wird, im Wirtschaftsjahr, in dem die Abzüge vorgenommen werden sollen, ohne Berücksichtigung der IAB nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG und der Hinzurechnungen nach § 7g Abs. 2 EStG 200.000 € nicht überschreitet und der Steuerpflichtige die Summen der Abzugsbeträge und der nach den § 7g Abs. 2 bis 4 EStG hinzuzurechnenden oder rückgängig zu machenden Beträge nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung übermittelt. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, wie das Tatbestandsmerkmal Gewinn auszulegen ist.
Nach Auffassung des FG ist unter Gewinn im Sinne von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu verstehen. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nichtabziehbare Betriebsausgaben oder einkommensteuerfreie Einnahmen (z. B. Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG) ist nicht vorzunehmen.
§ 7g EStG enthält keine eigenständige Definition des Begriffs Gewinn. Der Wortlaut des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG deutet auf eine Maßgeblichkeit des nicht korrigierten Gewinns hin. Das Gesetz stellt auf den nach § 4 bzw. § 5 EStG „ermittelten” Gewinn ab. Dies lässt darauf schließen, dass Erhöhungen und Minderungen, die sich außerhalb der Gewinnermittlung vollziehen, bei der Bestimmung des Grenzwerts von 200.000 € unberücksichtigt bleiben sollen.
Zwar könnte auch ein nach „§ 4” ermittelter Gewinn die Korrekturen nach § 4 Abs. 5 EStG (nicht abziehbare Betriebsausgaben), § 4 Abs. 5b EStG (nicht abziehbare Gewerbesteuer) und § 4 Abs. 4a EStG (nicht abziehbare Schuldzinsen) beinhalten. Damit ist aber nicht erklärt, weshalb auch andere – nicht in § 4 EStG normierte – Korrekturen in die Gewinngrenze einzubeziehen wären (z.B. Teilabzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG, Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG, bei Körperschaften: nicht abziehbare Aufwendungen nach § 10 KStG). Zudem spricht mehr dafür, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „nach § 4 […] ermittelter Gewinn” zum Ausdruck bringen wollte, nicht nur die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern ebenso diejenige durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG als für Zwecke des § 7g EStG zulässige Gewinnermittlung zu bestimmen.
Nach dem Gesetzeszweck sollen sowohl durch IAB als auch durch Sonderabschreibungen die Liquidität, Eigenkapitalausstattung und die Investitions- und Innovationsbereitschaft begünstigter Klein- und Mittelbetriebe gestärkt werden. Dabei soll die von der Einkunftsart unabhängige einheitliche Gewinngrenze zu einem zielgenaueren und in der Praxis auch ohne besonderen Verwaltungsaufwand anwendbaren Abgrenzungskriterium führen. Indikator für eine Einstufung als begünstigungsfähiger Betrieb ist der Gewinn, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abbildet. Dies lässt nur den Schluss zu, dass auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers das durch die jeweilige Gewinnermittlungsmethode gewonnene Ergebnis für die Bestimmung des Grenzwerts maßgeblich ist. Betriebsausgaben i.S. von § 4 Abs. 4 EStG, die lediglich aufgrund spezieller gesetzlicher Anordnung bei der Berechnung des letztlich zu besteuernden Gewinns wieder hinzuzurechnen sind (z.B. § 4 Abs. 4a, Abs. 5 und Abs. 5b EStG), haben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemindert. Dasselbe gilt umgekehrt für den Zufluss steuerfreier Betriebsvermögensmehrungen.
Hinweis
Das FG stellt sich mit dem Urteil gegen das BMF-Schreiben v. 15.6.2022. Nach Rz. 13 sind Korrekturen der Steuerbilanz sowie Hinzu- und Abrechnungen bei der Einnahmeüberschussrechnung bei der Gewinnberechnung zu berücksichtigen.
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Diese ist unter dem Az. X R 14/23 beim BFH anhängig.
Fundstelle
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 02.05.2023 – 10 K 1873/22