Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Ausgliederung eines Ausbildungsbetriebs für Jungpferde auf die Ehefrau
Kernaussage
Entscheidend für das Vorliegen einer GiG ist, dass die vor und nach der Übertragung ausgeübten bzw. geplanten Tätigkeiten und ausgeführten Umsätze übereinstimmen oder sich zumindest hinreichend ähneln. Im Streitfall ging es um die Übertragung eines Teilvermögens, dessen unternehmerische Betätigung sich auf die Ausbildung von Pferden, Pensionstierhaltung und den Verkauf von Pferden erstreckte.
Sachverhalt
Streitig ist, ob der Kläger (EM) diverse Wirtschaftsgüter im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen an seine Ehefrau (EF) übertragen hat.
EM ist als Trainer im Bereich des Reitsports tätig. Er trainierte Spitzensportler gemeinsam mit ihren jeweiligen (bereits vollständig ausgebildeten) Pferden auf allerhöchstem Niveau und nahm als Trainer an zahlreichen nationalen und internationalen Wettbewerben teil. Das Training erfolgte dergestalt, dass EM zu den Hofanlagen der von ihm trainierten Sportler fuhr und dort die Trainingsstunden durchführte, wobei der Fokus auf dem Zusammenspiel von Reiter und Pferd lag. Daneben bildete er Jungpferde – ohne einen fest zugeordneten Reiter – aus. Zu diesem Zweck beritten EM oder seine Angestellten die Pferde persönlich. Für die Ausbildung nutzte er Stallungen, Reithallen und Anlagen, die er von seiner Ehefrau angemietet hatte und die Teil einer Hofanlage sind, auf der die Eheleute auch wohnen. Die Ehefrau ist ebenfalls Unternehmerin im Sinne des § 2 UStG und bildet selbst auch Jungpferde aus. Sie versteuert ihre Umsätze nach § 24 UStG.
Die Jungpferde stammten überwiegend aus der Zucht der EF, die auch Eigentümerin dieser Jungpferde war. Ein kleiner Teil der Pferde stand im Eigentum fremder Dritter und wurde EM zu Ausbildungszwecken überlassen. Zu diesem Zweck betrieb er auch eine Pferdepension in den Stallungen. Für die Ausbildung zahlten die fremden Pferdeeigentümer an EM monatlich Beträge für Ausbildung und Unterhalt.
Die aus der Zucht der Ehefrau stammenden Pferde wurden nach erfolgreicher Ausbildung in Form einer bestandenen Prüfung erst durch EM bis ins Jahr 2009 im eigenen Namen und später durch den EM in Eigenschaft als Vertreter seiner Ehefrau verkauft. Bis zu einem Verkauf wurden sämtliche Kosten für Ausbildung, Unterkunft und Versorgung aufgrund einer mündlichen Vereinbarung zwischen den Eheleuten allein von EM getragen. Wenn EM diese Pferde in eigenem Namen an Dritte verkaufte, kaufte er zunächst selbst aufgrund einer ebenfalls mündlichen Vereinbarung im Zeitpunkt unmittelbar vor dem Verkauf das Pferd von EF, wobei diese dafür einen Preis in Höhe von 30 % des Verkaufspreises an den Drittkäufer erhielt. Ansonsten erhielt EM keine laufende Vergütung von EF für die Ausbildung der Pferde. Auf diese Weise hatte EM die Chance, bei schneller und guter Ausbildung hohe Gewinne zu erzielen. Demgegenüber bestand sein unternehmerisches Risiko darin, bei langer Ausbildung oder Krankheiten oder Tod der Pferde wenig bis gar keine Vergütung für die Ausbildung zu erhalten.
In Ausnahmefällen – zur Vermeidung von persönlichen Haftungsrisiken bei besonders hochpreisigen Pferden – veräußerte nicht EM bzw. EF die Pferde unmittelbar an den Käufer, sondern die Pferde wurden von der Ehefrau als Eigentümerin zunächst an eine zwischengeschaltete Gesellschaft, die O. GmbH & Co. KG, veräußert, die ihrerseits die Pferde an den Käufer veräußerte. In diesen Fällen rechnete EM seine Ausbildungsleistung gegenüber der O. GmbH & Co. KG gesondert ab.
Mit Wirkung zum 01.07.2014 kündigte EM die zuvor bestehenden Mietverhältnisse zu seiner Ehefrau und schenkte ihr diverse Maschinen, Anlagen, Einrichtungen und Transportmittel. EF trat auch in die Ausbildungs- und Versorgungsverträge fremder Pferdeeigentümer ein und übernahm die Angestellten des EM. Eine Ausgleichszahlung für eine bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte Ausbildung der Jungpferde der EF erfolgte nicht. Auf der Hofstelle übte EM seine Tätigkeit im Bereich der Ausbildung der Pferde, der Pferdepension und dem Pferdeverkauf ab diesem Zeitpunkt nicht mehr selbständig, sondern fortan als Angestellter von EF aus. Soweit er Trainingsstunden auf der Hofstelle in S. erteilte, tat er dies ebenfalls als Angestellter der EF. Der Verkauf der ausgebildeten Pferde erfolgte fortan nur noch durch EF. In Ausnahmefällen wurde – wie zuvor – die O. GmbH & Co. KG zur Vermeidung von persönlichen Haftungsrisiken zwischengeschaltet.
Die Tätigkeit als Trainer der Spitzensportler auf deren auswärtigen Höfen setzte EM hingegen unverändert als selbständiger Unternehmer fort.
EM behandelte die Übertragung der Wirtschaftsgüter zum 01.07.2014 als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG. Das Finanzamt (FA) folgte dem nach einer Umsatzsteuersonderprüfung nicht. EM habe die Wirtschaftsgüter stattdessen unentgeltlich auf EF übertragen, was als Entnahme (unentgeltliche Wertabgabe) nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG zu besteuern sei, die nach den bei der Ausführung der Umsätze entstandenen Ausgaben zu bemessen sei. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet abgewiesen. Dagegen legte EM Klage ein.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt, da die Übertragung der Wirtschaftsgüter an EF zum 01.07.2014 nicht steuerbar war. Sie erfolgte im Rahmen einer Übertragung eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebs im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG.
Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers. Unionsrechtliche Grundlage von § 1 Abs. 1a UStG ist Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
Der Begriff „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens” ist vom EuGH dahin ausgelegt worden, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestands schließt der Begriff hingegen nicht ein. Nach dieser Rechtsprechung des EuGH muss die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile ausreichen, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Bei der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände ist der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen.
Nach der Rechtsprechung des BFH bezieht sich der Begriff des „Teilvermögens” auf eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde. Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind unmaßgeblich. Der Erwerber muss nach der Rechtsprechung des BFH außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt das FG im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der Gegenstände im Rahmen einer nicht steuerbaren Übertragung eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebs im Ganzen erfolgte. EM hat mit den später übertragenen Gegenständen Jungpferde zu …pferden ausgebildet und eine Pferdepension betrieben. Hierbei handelt es sich um selbständige wirtschaftliche Tätigkeiten, die eindeutig von der anderen Tätigkeit des EM – dem Training der Spitzensportler und deren Pferden auf auswärtigen Anlagen und bei Turnieren – abgegrenzt werden können.
Zur Ausübung der Ausbildungstätigkeit und der Pferdepensionshaltung nutzte EM neben den übertragenen Gegenständen auch Anlagen (z. B. Stallungen, Reithallen), die bereits im Eigentum der EF und späteren Erwerberin standen. Nach der Übertragung der Gegenstände und der Beendigung der Mietverhältnisse standen alle für die Fortsetzung der Ausbildung und der Pferdepensionshaltung erforderlichen Gegenstände und Anlagen im Eigentum und zur uneingeschränkten Verfügung der EF. Demnach reichte die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile aus, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit – der Ausbildung der Pferde und der Pferdepensionstierhaltung – zu ermöglichen, was auch – unstreitig – tatsächlich geschah. Das FG ist der Auffassung, dass die Kündigung eines Mietvertrags betreffend die für das Unternehmen wesentlichen Betriebsgrundlagen zur Wiedereinräumung sämtlicher Nutzungs- und Fruchtziehungsrechte des Eigentümers der Einräumung dieser Rechte durch Mietvertrag gleichsteht. Im Rahmen der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände und insbesondere der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit hat das FG Außerdem dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, dass EM seine Tätigkeit fortan als Angestellter der EF fortgesetzt hat. Demnach hat EM nicht nur die Gegenstände übertragen, sondern auch seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, sodass eine nahtlose Fortsetzung des Ausbildungs- und Pferdepensionshaltungsbetriebs gewährleistet war. Auf die von den Beteiligten diskutierte Frage, ob besondere persönliche Fähigkeiten Teil einer Geschäftsveräußerung sein können, kommt es mithin gar nicht an. Unabhängig davon verfügt die EF selbst auch über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten für die Pferdeausbildung.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt nur die Möglichkeit der Fortführung des Unternehmens und gesteht ausdrücklich zu, dass der Geschäftsbetrieb z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt geändert oder modernisiert wird. Die Änderung besteht im Streitfall darin, dass die Ausbildung nach Übertragung der Gegenstände von EM in der Eigenschaft als Angestellter der EF – und nicht mehr als Selbständiger – erfolgte.
Entscheidend ist, dass die vor und nach der Übertragung ausgeübten bzw. geplanten Tätigkeiten und ausgeführten Umsätze übereinstimmen oder sich zumindest hinreichend ähneln. Dies ist unstreitig der Fall, denn vor und nach der Übertragung der Gegenstände wurden Pferde ausgebildet, in Pension gehalten und Erlöse aus dem Verkauf von Pferden erzielt.
Hinweis
Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der vorliegende Fall zeigt ein weiteres Mal eindrucksvoll, wie schwierig es im Einzelfall sein kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu erkennen. Sobald eine unternehmerische Betätigung jedoch von einem Unternehmer auf einen anderen übergeht, wird man sich in der Praxis intensiv damit auseinandersetzen müssen, inwieweit die bisher von der Rechtsprechung in zahlreichen unterschiedlichen Sachverhalten, aufgestellten Beurteilungskriterien vorliegen.