GmbH-Geschäftsführer beruft sich auf eigene Unfähigkeit: Bewahrt ihn das vor der Haftung?
„Dummheit“ schützt vor Strafe nicht
Ein GmbH-Geschäftsführer muss nicht alle Arbeit selbst erledigen; er kann sie auch abgeben, muss aber seine Hilfsperson sorgfältig auswählen und ihr „auf die Finger schauen“. Gegenüber Haftungsansprüchen kann er sich nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage war, den Aufgaben eines Geschäftsführers ordentlich nachzukommen. Hierzu stellte der Bundesfinanzhof kürzlich klar: Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.
Wer Fehler zulässt …
Der klagende GmbH-Gesellschafter hielt 90 % der GmbH-Geschäftsanteile und war über zehn Jahre lang deren alleiniger Geschäftsführer. Die restlichen 10 % der Anteile hielt sein Enkel, der 2012 die Geschäftsführung übernahm. Faktischer Geschäftsführer der GmbH war allerdings der Sohn des Klägers, der formal als Prokurist angestellt war. Von März 2007 bis Juli 2011 hatte die GmbH Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer verkürzt, indem aufgrund von Falschrechnungen und beleglosen Buchungen die erforderlichen Erklärungen entweder gar nicht oder fehlerhaft abgegeben worden waren. Als der Kläger einen gegen ihn gerichteten Haftungsbescheid im Briefkasten fand, wollte er nicht zahlen. Er versuchte sich dadurch zu entlasten, dass tatsächlich sein Sohn die Geschäfte der GmbH geführt hatte und er selbst wegen seines fortgeschrittenen Alters und nicht vorhandener PC-Kenntnisse nicht in der Lage gewesen sei, Geschäftsvorfälle in der EDV der GmbH nachzuvollziehen. Das ließ der Bundesfinanzhof allerdings nicht gelten.
… muss dafür auch geradestehen
Grundsätzlich haftet ein GmbH-Geschäftsführer, wenn an die GmbH Steuervergütungen oder -erstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden, weil er die ihm auferlegten Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat und deshalb die Steuerschulden der GmbH vom Finanzamt nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. So war es auch hier. Das Argument des Klägers, ihn träfe kein Verschulden, zog nicht, denn die Richter:innen sahen ein klares Überwachungsverschulden. Auch wenn ein Geschäftsführer die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der GmbH auf andere Personen übertragen kann, darf er seinen Hilfspersonen kein blindes Vertrauen schenken, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen will. Im Gegenteil: Er muss seine Helfer:innen sorgfältig auswählen und laufend überwachen. Dabei gilt, dass an die Überwachungsmaßnahmen eines Geschäftsführers umso größere Anforderungen gestellt werden müssen, je weniger er einschätzen kann, ob die Hilfsperson, an die er die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der GmbH delegiert hat, auch wirklich zuverlässig und versiert ist. Hier hatte der Kläger seine Pflicht eben dadurch verletzt, dass er eine faktische Geschäftsführung durch seinen Sohn geduldet hatte, den er ohne ausreichende Überwachung gewähren ließ. Die Richter:innen erteilten auch den weiteren Argumenten des Klägers noch eine deutliche Absage: Wer – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage ist, die Firmen-EDV nachzuvollziehen, darf entweder die Geschäftsführung einer GmbH gar nicht erst übernehmen bzw. die faktische Geschäftsführung durch andere nicht dulden.
Eigene Unfähigkeit ist kein Entschuldigungsgrund
Die Entscheidung zeigt, was eigentlich auf der Hand liegt: Auf das eigene Unvermögen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, kann sich niemand berufen – weder im Verhältnis zum Staat noch gegenüber der GmbH selbst. Mit anderen Worten: Wer die Stellung eines Geschäftsführers übernimmt, haftet, sofern ihm persönliches Verschulden mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen (Überwachungs-)Aufgaben nachzukommen. Hierbei ist der Geschäftsführer nicht verpflichtet, jede Aufgabe selbst zu erledigen, trotzdem verbleibt die Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Erfüllung bei ihm.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.11.2022 – VII R 23/19