Aufhebungsvertrag trotz Androhung einer fristlosen Kündigung wirksam
Fall: Aufhebungsvertrag oder Kündigung und Anzeige?
Ein Aufhebungsvertrag kann trotz der Androhung einer fristlosen Kündigung wirksam sein. So entschied erneut das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Hintergrund des Verfahrens war die Klage einer Verkäuferin, die mehrfach unbefugt Waren zu reduzierten Preisen in der EDV buchte und verkaufte. Nachdem der Arbeitgeber hiervon erfuhr, stellte er die Verkäuferin zur Rede und unterbreitete ihr das Angebot eines Aufhebungsvertrags zur sofortigen Annahme; andernfalls drohe neben einer Strafanzeige auch die fristlose Kündigung.
Nachdem die Verkäuferin den Vertrag unterzeichnet hatte, focht sie den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und klagte auf Feststellung der Unwirksamkeit. Das BAG wies die Klage ab.
Keine widerrechtliche Drohung
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Drohung mit der fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige nicht rechtswidrig war, da der Arbeitgeber solche Schritte in Betracht ziehen durfte.
Eine Drohung mit Kündigung ist nur dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält bzw. ein Kündigungsgrund nicht vorliegt. Wenn also – anders formuliert – ein verständiger Arbeitgeber die fristlose Kündigung nicht ernsthaft erwägen würde. Dies richtet sich nach dem objektiven Horizont des Arbeitgebers. Zu berücksichtigen sind auch weitere Ermittlungsergebnisse, die der Arbeitgeber zuvor zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hat.
Im entschiedenen Fall war nach dem Vortrag beider Parteien davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Vertragspflichten in schwerwiegender Weise verletzt hatte. Nicht nur die eigenmächtige Herabsetzung der Einkaufspreise in der EDV des Arbeitgebers stellt eine erhebliche Vertragsverletzung dar, sondern auch der anschließende Verkauf der herabgesetzten Waren. Somit hatte der Arbeitgeber mit der Annahme, das Fehlverhalten der Klägerin rechtfertige den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen.
Kein Verstoß gegen faires Verhandeln
Auch sah das BAG keinen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns. „Unfair“ ist ein Verhandeln nur, wenn der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers erheblich erschwert oder unmöglich macht. Hier lagen konkrete Anhaltspunkte für erhebliche Pflichtverletzungen der Verkäuferin vor. Man könnte sagen, dass die Arbeitnehmerin selbst die psychische Drucksituation geschaffen hatte, die der Arbeitgeber auch nicht ausgenutzt hat. Denn die Entscheidungsfreiheit der Verkäuferin wurde nicht dadurch verletzt, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hatte. Dies war rechtlich zulässig.
Die vom Arbeitgeber vorgetragenen und im Wesentlichen unstreitigen Verdachtsmomente waren so schwerwiegend, dass man dem Arbeitgeber nicht vorwerfen konnte, die Verkäuferin aus nichtigem Anlass gedrängt zu haben, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.
Der Aufhebungsvertrag war somit – trotz Anordnung der fristlosen Kündigung – wirksam zustande gekommen und löste das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.2.2022 – Az. 6 AZR 333/21