Wirksamkeit einer fristlosen Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit

Der Hintergrund

Die Corona-Krise stellte Arbeitgeber im vergangenen Jahr vor vielfältige Probleme. Unter anderem gab es für viele aufgrund der wirtschaftlichen Situation keine andere Möglichkeit, als auf Kurzarbeit zurückzugreifen. Dafür braucht ein Arbeitgeber allerdings eine rechtliche Grundlage, die sich in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im individuellen Arbeitsvertrag findet. Allerdings schweigen sich viele Arbeitsverträge zum Thema Kurzarbeit aus. Sollten keine tariflichen Regelungen oder Betriebsvereinbarungen greifen, steht der Arbeitgeber vor der Herausforderung, Kurzarbeit nun erstmalig individuell mit Arbeitnehmern vereinbaren zu müssen. Hilfestellung erhalten Arbeitgeber nun durch ein Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.10.2020. Hierin erklärte es eine fristlose Änderungskündigung zur Anordnung von Kurzarbeit für gerechtfertigt.

Kurzarbeit oder Änderungskündigung

Der Arbeitgeber, eine Leiharbeitsfirma, die weder einen Betriebsrat hatte noch tarifgebunden war, sprach gegenüber einer Arbeitnehmerin nach erfolglosen Verhandlungen Anfang April 2020 eine fristlose Änderungskündigung aus, weil sie aufgrund der Corona-Krise von einem erheblichen Arbeitsausfall betroffen war. Die Arbeitnehmerin hatte im Bereich Soziales und Pflege gearbeitet und war vor allem mit der Einsatzplanung für Kindergärten und Kindertagesstätten betraut. Nachdem diese Einrichtungen durch die Corona-Krise vorübergehend geschlossen worden waren, war auch die Arbeitnehmerin konkret von einem Arbeitsausfall betroffen. Die Arbeitnehmerin weigerte sich, eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterschreiben, weshalb der Arbeitgeber schließlich die fristlose, hilfsweise fristgemäße Änderungskündigung aussprach. Durch diese sollte der Arbeitgeber berechtigt sein, Kurzarbeit dann anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, und auch sämtliche weitere Voraussetzungen für einen Anspruch der Arbeitnehmerin auf Kurzarbeitergeld vorliegen. Die Ankündigungsfrist für den Arbeitgeber über die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit sowie deren Beginn und Ende betrug drei Wochen und sah die Textform vor. Gegen die Änderungskündigung wehrte sich die Arbeitnehmerin durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Stuttgart hielt die fristlose Änderungskündigung für wirksam. Der erhebliche Arbeitsausfall im Betrieb des Arbeitgebers stellt ein dringendes betriebliches Erfordernis dar, welches zu einer fristlosen Kündigung berechtigt. Besteht kein Betriebsrat und scheidet eine individualvertragliche Regelung wegen einer Ablehnung auf Arbeitnehmerseite aus, verbleibt nur noch die Möglichkeit einer Änderungskündigung. Diese soll den Zugang zum vorgesehenen und politisch gewünschten Kurzarbeitergeld nicht verbauen und darf deshalb nicht an erhöhten Anforderungen, wie etwa einer drohenden Insolvenz, zu messen sein, soweit sie auch verhältnismäßig ist. Für die Änderungskündigung reicht es aus, dass der erhebliche Arbeitsausfall auf betrieblicher Ebene eingetreten ist, weil er nur die rechtliche Grundlage für eine Anordnungsberechtigung von Kurzarbeit schafft. Die konkrete Anordnung von Kurzarbeit mit dem jeweiligen Arbeitnehmer darf allerdings nur dann ausgesprochen werden, wenn auch dieser konkrete Arbeitnehmer von einem Arbeitsausfall betroffen ist. Für die Verhältnismäßigkeit der Änderungskündigung forderte das Arbeitsgericht, 

  • dass der Arbeitgeber zuvor versucht hatte, mit dem Arbeitnehmer Kurzarbeit zu vereinbaren, 
  • dass die Anordnung der Kurzarbeit eine Ankündigungsfrist vorsieht 
  • und die Kurzarbeit auch zeitlich begrenzt ist.

Diese drei Punkte waren laut Arbeitsgericht von dem im vorliegenden Fall betroffenen Arbeitgeber beachtet worden. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber in einem solchen Fall auch nicht die ordentlichen Kündigungsfristen einhalten, weil die Gründe für Kurzarbeit meistens ohne längere Ankündigung eintreten und er durch die Einhaltung der jeweiligen Fristen an der Anordnung von Kurzarbeit faktisch gehindert werden kann.

Die Auswirkungen

Einerseits zeigt das Urteil des Arbeitsgerichts, wie sinnvoll es ist, sich gleich zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses, unabhängig von der aktuellen Wirtschaftssituation, mit den Fragen bezüglich der Anordnung von Kurzarbeit zu befassen. Andererseits hilft es aber auch, wenn es an einer solchen vertraglichen Vereinbarung fehlt. Arbeitgeber sollten zunächst versuchen, in individuellen Verhandlungen mit dem jeweiligen Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu erzielen. Sollten diese Bemühungen aber erfolglos bleiben, dann hilft das Urteil Arbeitgebern insoweit, weil es einerseits klarstellt, dass eine fristlose Änderungskündigung wirksam sein kann, und es auch inhaltliche Vorgaben aufstellt, die für die Verhältnismäßigkeit einer Änderungskündigung zu beachten sind.

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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