Anwendungsbereich für elektronische Dienstleistungen ausgeweitet
Hintergrund
Nicht nur die Digitalisierung schreitet voran, sondern auch die Komplexität der umsatzsteuerlichen Erfassung der hiermit verbundenen Leistungen. Denn seit dem 1.1.2015 sind Dienstleistungen, die gegenüber Privatpersonen auf elektronischem Weg erbracht werden, dort zu versteuern, wo der Empfänger sitzt. Bisher galt dies nur für Unternehmen aus Drittländern. Unternehmen mit Privatkunden aus den übrigen Mitgliedstaaten müssen die Umsatzsteuer nun entweder vor Ort bzw. alternativ im Rahmen des „MOSS-Verfahrens“ über das Bundeszentralamt für Steuern deklarieren. Für die betroffenen Unternehmen ist dies mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden; zugleich steigt das Risiko einer Fehlbeurteilung.
Rechtslage
Auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen werden definiert als Dienstleistungen, die über das Internet erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert ist und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.
Fall
Ein US-Unternehmen (Klägerin) betrieb Kontaktbörsen im Internet. Strittig war, ob die Umsätze der Klägerin mit in Deutschland ansässigen Kunden auch hier als Dienstleistung, auf elektronischem Weg erbracht wurde, zu besteuern sind. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei, da ihre Leistungen mehr als nur minimale menschliche Beteiligung erforderten. So unterhielt sie eine Beschwerde-Hotline und eine Abteilung, die die Aktivitäten bzw. Profile der Kunden überprüfte.
Urteil
Hinsichtlich der Frage, ob eine minimale menschliche Beteiligung für die Leistungserbringung nötig ist, ist laut Bundesfinanzhof entscheidend, ob diese den eigentlichen Leistungsvorgang betrifft. Deshalb sind insoweit die ursprüngliche Inbetriebnahme und die laufende Wartung des elektronischen Systems nicht in die Betrachtung einzubeziehen. Dies gilt auch für die Überprüfung der Mitgliederprofile, die nur der Vorbereitung der eigentlichen Hauptleistung dienten.
Konsequenzen
Die Klägerin muss damit in Deutschland Umsatzsteuer abführen. Angesichts von allein ca. 1,8 Mio. Mitgliedern hierzulande wird sich eine mehr als erhebliche Nachzahlung ergeben haben. Doch auch für andere Unternehmen, die Dienstleistungen an Privatkunden über das Internet erbringen, bringt das Urteil Probleme mit sich, da es den Anwendungsbereich der Regelung ausweitet. Diese müssen im Einzelfall prüfen, ob sie unter die Regelung fallen.
Hinweis
Im vorliegenden Fall hatte der Fiskus ein Interesse daran, die Leistung als eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung zu qualifizieren, um die Besteuerung in Deutschland zu erreichen. Wird in einem vergleichbaren Fall ein solches Portal von einem in Deutschland ansässigen Unternehmer bereitgestellt, so wäre der Teil der Umsätze mit im Ausland ansässigen Privatkunden in Deutschland nach dem Urteil nicht steuerbar. Bekanntlich entwickeln Prüfer aber eine gewisse Kreativität, um Anhaltspunkte zu finden, Urteile nicht anzuwenden, wenn sie der hiesigen Besteuerung entgegenstehen. Um diesem Risiko zu entgehen, sollte die Vorgehensweise mit dem Finanzamt abgestimmt werden, wenn nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, ob die „menschliche Beteiligung minimal“ ist oder nicht. Ebenso ist anzumerken, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs nur hinsichtlich der Besteuerung in Deutschland Relevanz hat, es ist nicht zwingend, dass im EU-Ausland die Abgrenzung „auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen“ vergleichbar erfolgt; eine Doppelbesteuerung ist damit nicht gänzlich ausgeschlossen.