Vorsteuervergütungsverfahren bei Anzahlungsrechnungen
Vorsteuerabzug aus Anzahlungsrechnungen
Wird eine Rechnung bereits vor Ausführung der Leistung erstellt (Anzahlungsrechnung), ist ein in dieser Rechnung gesondert ausgewiesener Steuerbetrag bereits als Vorsteuer abziehbar, sobald dem Unternehmer die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.
In der nach Ausführung der Leistung zu erstellenden Endrechnung sind die Anzahlung und der auf sie entfallende Steuerbetrag abzusetzen. Ein Vorsteuerabzug ergibt sich dann lediglich aus dem in der Endrechnung ausgewiesenen Restbetrag.
Anwendung auf das Vorsteuervergütungsverfahren
Diese Grundsätze gelten ebenso für ausländische Unternehmer:innen, die eine Erstattung der Vorsteuer im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens beantragen. Dabei muss der Antrag bestimmte vorgeschriebene Angaben zu jeder Rechnung enthalten. Der Antrag ist innerhalb von sechs Monaten (im Drittland ansässig) bzw. neun Monaten (im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig) nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, zu stellen. Darüber hinaus sind mit dem Antrag die Rechnungen im Original (Drittland) bzw. auf elektronischem Wege (Gemeinschaftsgebiet) beizufügen.
Da – wie bereits erläutert – der Vorsteuerabzug bei einer Endrechnung auf die darin ausgewiesene Umsatzsteuer abzüglich der in den Anzahlungsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer begrenzt ist, müssen dem Vergütungsantrag grundsätzlich auch die Anzahlungsrechnungen beigefügt werden. Fehlen die Anzahlungsrechnungen, so gilt grundsätzlich der Vergütungsantrag in Höhe der auf die Anzahlungsrechnungen entfallenden Vorsteuer als nicht vorgelegt.
Anzahlungsrechnung und Endrechnung im selben Vergütungszeitraum
Der Bundesfinanzhof hatte nun einen Fall zu beurteilen, in dem
- Anzahlungsrechnung,
- Zahlung der Anzahlungsrechnung,
- Leistungsausführung und
- Endrechnung
denselben Vergütungszeitraum betrafen.
Er urteilte wie folgt: Selbst wenn in solchen Fällen lediglich die Endrechnung eingereicht wird, gilt der Vergütungsantrag trotzdem als vollständig vorgelegt, wenn die Vergütung der gesamten Vorsteuer (also inklusive der Vorsteuer aus den Anzahlungsrechnungen) beantragt wurde.
Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit
Der Bundesfinanzhof begründet dies damit, dass das Recht auf Vorsteuerabzug – und damit auch der Erstattungsanspruch – ein integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer sei und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden könne. Dementsprechend würden es die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit erfordern, dass die materiellen Voraussetzungen den formellen Voraussetzungen vorausgehen. Der Vergütungsantrag müsse auch hinsichtlich der Anzahlungsrechnungen als vollständig gelten.
Dem stehe nicht entgegen, dass das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zur Bearbeitung des Vergütungsantrags gegebenenfalls Rückfragen stellen muss. Werden die Anzahlungsrechnungen im Rahmen dieser Rückfragen – gegebenenfalls erst nach Ablauf der Antragsfrist – nachgereicht, handelt es sich lediglich um eine Ergänzung der bereits gemachten Angaben und nicht um einen erneuten und gegebenenfalls verfristeten Vergütungsantrag.
Praxisfolgen
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist zu begrüßen. Sie schafft Klarheit für ausländische Unternehmer:innen und vereinfacht insoweit die Antragstellung. Gleichwohl sollten Antragsteller:innen ihre Vorsteuervergütungsanträge sorgfältig auf Anzahlungsrechnungen hin überprüfen und diese im Zweifel gesondert anführen.
Nach unserer Einschätzung sollte das Urteil auch in Fällen anwendbar sein, in denen die Anzahlungsrechnung zwar bereits im Jahr vor dem Vergütungsantrag ausgestellt wurde, die Zahlung – und damit die materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug – jedoch erst im Jahr des Vergütungsantrags erfolgt.
Da hierzu – mangels Entscheidungserheblichkeit – jedoch keine expliziten Aussagen getroffen wurden, bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung das Urteil in der Praxis umsetzen wird.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2024 – V R 6/23