Verrechnungspreise in der Umsatzsteuer – nun muss der EuGH entscheiden

Verrechnungspreise und Methoden zu ihrer Bestimmung (vereinfacht)

International tätige verbundene Unternehmen können konzerninterne Verrechnungspreise potenziell nutzen, um Gewinne zu verlagern und so die ertragsteuerliche Belastung zu minimieren. Die Finanzverwaltungen akzeptieren allerdings nur angemessene, das heißt fremdübliche Verrechnungspreise, zu deren Bestimmung verschiedene Methoden existieren. 

Aus ertragsteuerlicher Sicht dient die fremdübliche Verrechnung von konzerninternen Geschäftsbeziehungen der „korrekten“ Gewinnabgrenzung. Gewinne sollen nach Maßgabe des erbrachten Wertschöpfungsbeitrags der an der Transaktion beteiligten Konzerngesellschaften durch eine fremdübliche Vergütung verteilt werden. Aufgrund der unterjährigen Verrechnung, z.B. auf Basis von Vorjahres- oder Plandaten, können Verrechnungspreisanpassungen erforderlich sein, um zum Jahresende eine „korrekte“ Gewinnabgrenzung aus ertragsteuerlicher Sicht zu gewährleisten. 

Welche Frage stellt sich in der Umsatzsteuer?

Die Umsatzsteuer kennt kein „angemessenes“ Entgelt. Die Umsatzsteuer wird daher grundsätzlich nach den vereinbarten Entgelten bemessen, auch dann, wenn diese nicht angemessen sind. Insofern stellt sich die Frage, ob ein Bezug zwischen den nachträglichen, ertragsteuerlich motivierten Korrekturen der Verrechnungspreise und den erbrachten Leistungen besteht, der eine Korrektur der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer rechtfertigt. Zu dieser Frage sind mehrere Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig, von denen eines (C-726/23) aufgrund der Veröffentlichung des Schlussantrags des Generalanwalts nun an Fahrt aufnimmt. 

Das beim EuGH anhängige Verfahren

Das Verfahren betrifft einen weltweit agierenden Konzern. Die Muttergesellschaft in Belgien erbrachte Dienstleistungen für eine ihrer Tochtergesellschaften in Rumänien. Eine Studie zu den Verrechnungspreisen ergab, dass die Tochter eine bestimmte Betriebsergebnismarge ausweisen musste. Mutter und Tochter sicherten dies vertraglich ab. Hierbei wurde das Über- oder Unterschreiten der Marge durch die Verpflichtung zur Ausstellung von Ausgleichsrechnungen verhindert. In den strittigen Jahren erzielte die Tochter eine zu hohe Marge. Die Mutter stellte ihr daraufhin Ausgleichsrechnungen über Dienstleistungen ohne Umsatzsteuer aus. 

Soweit die Tochter hieraus im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens die Vorsteuer geltend machte, wurde ihr dies von der zuständigen Finanzverwaltung versagt. Diese bemängelte den fehlenden Nachweis der Erbringung der abgerechneten Dienstleistungen sowie deren Bezug für die steuerbaren Umsätze der Tochter. Das zuständige Gericht legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Dieser muss entscheiden, ob derartige, aus ertragsteuerlicher Sicht notwendige Anpassungen der Verrechnungspreise der Umsatzsteuer unterliegen. Sollte dies der Fall sein, so muss der EuGH zudem klären, welche Prüfungshandlungen im Hinblick auf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug seitens der Finanzverwaltung zulässig sind.

Generalanwalt schlägt Einzelfallbetrachtung vor

Der Generalanwalt weist in seinem Schlussantrag zunächst darauf hin, dass die umsatzsteuerlichen Folgen des Verrechnungspreismechanismus schon mit unterschiedlichen Ergebnissen von zwei Gremien der EU thematisiert wurden: dem Mehrwertsteuerausschuss sowie der Mehrwertsteuer-Expertengruppe. 

Dem Generalanwalt ist bewusst, dass eine grundsätzliche Antwort auf die Frage, ob nachträgliche Anpassungen von Verrechnungspreisen der Umsatzsteuer unterliegen, verlockend wäre. Er lehnt dies jedoch ab, da die Realität zu komplex ist, und plädiert für eine Einzelfallprüfung.

Im Hinblick auf eine Steuerbarkeit ist zu prüfen, ob bestimmbare Dienstleistungen vorliegen, die von einem Unternehmer in einem Mitgliedstaat gegen Entgelt erbracht wurden. Zudem muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert bestehen. 

Im vorliegenden Fall sieht der Generalanwalt die Voraussetzungen für die Steuerbarkeit erfüllt, da die vertragliche Vereinbarung zwischen Mutter und Tochter eine bestimmbare Dienstleistung und eine Vergütung vorsieht, deren Höhe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen eindeutig bestimmen lässt.

Der Finanzverwaltung gesteht der Generalanwalt zu, andere Dokumente als die Rechnungen zur Prüfung der Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu fordern. Allerdings müssen die Maßnahmen verhältnismäßig sein.

Konsequenzen

Auch wenn das endgültige Urteil des EuGH abzuwarten bleibt, so zeigen die Ausführungen des Generalanwalts die Komplexität der Thematik. Leider fokussiert sich der Generalanwalt auf den vorliegenden Fall. Ausführungen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen bzw. ab wann eben keine Steuerbarkeit mehr gegeben ist, fehlen. Hier ist zu hoffen, dass das Urteil des EuGH mehr Klarheit schaffen wird. Vorbehaltlich des Urteils des EuGH ist in der Praxis für Zwecke der Umsatzsteuer zu prüfen, ob der Anpassung der Verrechnungspreise ein konkreter Leistungsbezug zugrunde liegt. Bis zum Ergehen des EuGH-Urteils sollten etwaige Verfahren zur umsatzsteuerlichen Erfassung von Verrechnungspreisanpassungen offengehalten werden. Über die Entscheidung des EuGH werden wir Sie informieren.

EuGH C-726/23 Schlussantrag Generalanwalt vom 3.4.2025

Weitere (anhängige) Verfahren:
EuGH-Vorlage C-603/24
EuGH-Vorlage C-808/23
EuGH-Urteil C-527/23

Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

Zum Profil von Oliver Lohmar, LL.M.

Gert Klöttschen

Steuerberater

Zum Profil von Gert Klöttschen

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

Zum Profil von Benno Lange

Nadine Sinderhauf

Steuerberaterin

Zum Profil von Nadine Sinderhauf

Derk Eilers, LL.M. Taxation

Steuerberater / Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Director

Zum Profil von Derk Eilers, LL.M. Taxation

Uwe Inkemann

Steuerberater

Zum Profil von Uwe Inkemann

Kontakt

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Mail Kontaktformular Telefon +49 228 81000 0 Newsletter Newsletter
Durch das Laden des YouTube Videos erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies durch YouTube und Google gesetzt werden, und dadurch Daten an diese Anbieter übermittelt werden. Wir verarbeiten die Daten um die Zugriffe auf unsere YouTube-Videos analysieren zu können oder die Wirksamkeit unserer Werbung und Anzeigen auszuwerten. YouTube und Google verarbeiten die Daten auch zu eigenen Zwecken. Zudem erklären Sie sich auch damit einverstanden, dass Ihre Daten in die USA übermittelt werden, obwohl in den USA das Risiko besteht, dass US-Behörden zu Überwachungszwecken Zugriff auf Ihre Daten erhalten und Ihnen dagegen möglicherweise keine ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten zustehen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
YouTube Video laden
Durch das Laden des Podcast-Players erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies durch Podigee gesetzt und dadurch Daten an diesen Anbieter übermittelt werden. Wir nutzen diese Daten, um die Zugriffe auf unsere Podcasts zu analysieren und die Wirksamkeit unserer Inhalte zu bewerten. Podigee verarbeitet die Daten auch zu eigenen Zwecken. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Podcast-Player laden