Reduzierung des Verrechnungspreises mindert nicht den Zollwert

 

Bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen für konzerninterne, grenzüberschreitende Lieferungen von Waren greifen Unternehmen häufig auf Anpassungen zum Jahresende zurück, um sicherzustellen, dass die erzielten Gewinnmargen innerhalb steuerlich anerkannter Bandbreiten liegen. Für die Ermittlung des Zollwerts gelten dagegen eigene Regeln. Hier kommt es regelmäßig nur auf die Wertverhältnisse an, die im Zeitpunkt der Zollanmeldung bereits feststehen. Nachträgliche Anpassungen werden dabei nicht berücksichtigt – jedenfalls dann nicht, wenn es dadurch zu einer Preisreduzierung kommt.

Die Suche nach dem richtigen Preis

Grenzüberschreitender Handel findet häufig zwischen verbundenen Unternehmen statt, bevor die Waren schließlich die Endkund:innen im Bestimmungsland erreichen. Strukturen, in denen Produkte zunächst in Land A hergestellt, an eine konzernverbundene Vertriebsgesellschaft in Land B und von dort weiter ausgeliefert werden, stellen Unternehmen und Finanzbehörden vor vielfältige Herausforderungen. Es gilt, den „richtigen“ Preis für die Lieferung von Land A zu Land B zu finden, denn dieser beeinflusst nicht nur den Gewinn (und damit die Steuerlast von A und B), sondern unter Umständen auch die Höhe des Zolls. Die Vorschriften für die Preisfindung sind indes nicht identisch, was jüngst durch Rechtsprechung nochmals bestätigt wurde.

Verrechnungspreissystem mit Jahresendanpassungen

Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die H GmbH bezog von ihrer japanischen Muttergesellschaft Waren und vertrieb diese in Deutschland. Der von der Muttergesellschaft in Rechnung gestellte (vorläufige) Preis für die einzelnen Waren wurde auch als Zollwert angegeben. Im Streitjahr 2010 betraf dies verschiedene Waren aus mehr als 1.000 Sendungen. Für ertragsteuerliche Zwecke hatte der Konzern mit den beteiligten Finanzverwaltungen in Deutschland und Japan ein sogenanntes Advanced Pricing Agreement (APA) abgeschlossen. Dieses sah vor, dass sich die Umsatzrendite der H GmbH für das Gesamtjahr innerhalb einer gewissen Bandbreite bewegen musste. Bei Über- oder Unterschreitung dieser Bandbreite erfolgten am Jahresende entsprechende Nachberechnungen oder Gutschriften. Im konkreten Fall lag die Umsatzrendite der H GmbH unterhalb der festgelegten Zielbandbreite. Daher erteilte die Muttergesellschaft der GmbH eine Gutschrift über sämtliche im Jahr gelieferten Waren in Höhe von rund 4 Mio. €. Die H GmbH beantragte daraufhin eine Anpassung des Zollbetrags und eine anteilige Erstattung von Zöllen.

Anpassung ohne Auswirkung auf den Zollwert

Der Fall hatte bereits vor einigen Jahren den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigt. Dieser hatte in seiner Hamamatsu-Entscheidung vom 20.12.2017 (C-529/16) entschieden, dass eine pauschale Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums nicht zu einer Korrektur des Zollwerts nach der sogenannten Transaktionswertmethode führt, wenn sich nicht im Vorfeld sagen lässt, ob am Ende des Abrechnungszeitraums eine Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgen wird. Vielmehr komme eine nachträgliche Berichtigung des Zollwerts nur in Sonderfällen in Betracht, etwa wenn die Ware fehlerhaft war oder nach ihrer Abfertigung zum freien Verkehr Mängel festgestellt wurden (Blogbeitrag vom 1.2.2018).

Nach Zurückverweisung an das Finanzgericht München landete der Fall nun vor dem Bundesfinanzhof. Dieser bestätigte zum einen das Urteil des EuGH zur Transaktionswertmethode. Zum anderen führten die Richter:innen am Bundesfinanzhof aus, dass die nachträglichen Preisanpassungen zollrechtlich auch nicht nach der sogenannten Schlusswertmethode zu berücksichtigen seien. Denn der Warenwert sei im Zeitpunkt der Zollanmeldung nicht quantifizierbar, wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehe, ob am Ende des Abrechnungszeitraums überhaupt eine Berichtigung vorzunehmen sei und ob, falls dies der Fall ist, sie nach oben oder nach unten zu erfolgen habe.

Das Zwei-Welten-Problem bleibt

Auch nachdem der Hamamatsu-Fall den Weg durch alle gerichtlichen Instanzen beendet hat, bleiben für die Praxis Fragen offen. Die erste Frage geht dahin, ob und wie es gelingen kann, ein Verrechnungspreissystem zu implementieren, bei dem lediglich ein Preis für die Besteuerung und die zollrechtliche Behandlung zugrunde gelegt werden kann. Zweitens stellt sich die Frage, ob die fehlende zollrechtliche Relevanz von Jahresendanpassungen in beide Richtungen gilt. Im entschiedenen Fall ging es um eine nachträgliche Reduzierung der unterjährig angesetzten Preise. Für den umgekehrten Fall ist jedenfalls in der Praxis zu beobachten, dass die Zollverwaltung bei nachträglichen Preiserhöhungen den korrigierten Wert als Zollwert annimmt. Den Unternehmen kann daher nur empfohlen werden, auch bei Verrechnungspreissystemen mit Anpassungsmechanismen so genau wie möglich zu planen, um größere Anpassungen am Jahresende zu vermeiden. Keine leichte Aufgabe in Zeiten von hoher Inflation, Lieferengpässen und ungewissen Konjunkturprognosen.


Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.5.2022 – VII R 2/19

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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