Vorsicht bei gerichtlichen Vergleichen – Verzicht auf gesetzlichen Urlaub unwirksam!
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt, dass ein Arbeitnehmer auch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs nicht wirksam auf den gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann. Um sich unter Umständen vor hohen Nachzahlungen zu schützen, sollten Arbeitgeber daher bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sorgfältig mögliche Urlaubsansprüche prüfen.
Hintergrund des Urteils
Dem Urteil lag ein Verfahren zugrunde, in dem ein Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber über die finanzielle Abgeltung von Urlaubstagen aus dem Jahr 2023 stritten. Der Arbeitnehmer war im Jahr 2023 durchgehend erkrankt und konnte seinen gesetzlichen Urlaub deshalb nicht nehmen. Er schloss daraufhin mit seinem Arbeitgeber einen gerichtlichen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im März 2023 war das Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht beendet. In dem Vergleich hieß es, alle Urlaubsansprüche seien „in natura“ gewährt worden. Damit sollte klargestellt werden, dass der Urlaub vollständig genommen und damit abgegolten sei. Ein späterer Anspruch auf Auszahlung sollte damit ausgeschlossen sein.
Trotzdem verlangte der Kläger nachträglich die finanzielle Abgeltung seiner Urlaubstage. Der Arbeitgeber hielt dem entgegen, dass im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs wirksam auf den Urlaub verzichtet worden sei.
Das BAG gab der Klage statt und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen: Ein Verzicht auf den Mindesturlaub ist rechtlich ausgeschlossen.
Begründung des Gerichts
Das Gericht stellte klar, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses unzulässig ist, selbst wenn er in einem gerichtlichen Vergleich erklärt wird. Dies ergebe sich bereits aus § 13 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), der Abweichungen zulasten des Arbeitnehmers ausschließt. Eine Klausel oder Vereinbarung, die den Anspruch auf Mindesturlaub faktisch ausschließt, verstößt gegen dieses gesetzliche Verbot.
Der gesetzliche Mindesturlaub diene dem Gesundheitsschutz und sei daher während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar, so das BAG. Eine sogenannte Tatsachenvereinbarung, wie sie häufig in arbeitsgerichtlichen Vergleichen oder Aufhebungsverträgen zu finden ist, bei der die Parteien über das Bestehen eines Anspruchs streiten und sich vergleichsweise einigen, lag hier aber nicht vor. Denn bei unstreitiger Sachlage (hier: dauerhafte Arbeitsunfähigkeit) ist ein Tatsachenvergleich rechtlich unzulässig. Der krankheitsbedingte Ausfall des klagenden Arbeitnehmers war bekannt. Eine Unsicherheit hinsichtlich der möglichen Urlaubsansprüche bestand daher nicht, sodass ein Tatsachenvergleich nicht möglich war. Schließlich schloss das BAG einen Verstoß gegen Treu und Glauben aufgrund widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitnehmers aus. Der Arbeitgeber durfte nicht auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertrauen, denn bereits im gerichtlichen Verfahren hatte die Anwältin des Arbeitnehmers Zweifel an der Zulässigkeit dieser Vereinbarung geäußert.
Folgen für die Praxis
Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass weder außergerichtlich noch gerichtlich eine wirksame Vereinbarung über den Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub mit dem Arbeitnehmer getroffen werden kann, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Eine Abgeltung ist nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich – dann aber verpflichtend. Arbeitgeber sollten daher die Formulierungen in Vergleichstexten oder Aufhebungsverträgen sorgfältig prüfen, um sich vor nicht unerheblichen Urlaubsabgeltungsforderungen von Arbeitnehmer:innen zu schützen. Pauschale Abgeltungsklauseln und Standardformulierungen wie „Urlaub ist in natura gewährt“ können im Einzelfall, insbesondere bei Langzeiterkrankungen, unwirksam sein. Wenn der Urlaub nicht mehr genommen werden kann und daher abzugelten ist, kann im Rahmen von Vergleichsverhandlungen eine Reduzierung der möglichen Abfindung in Erwägung gezogen werden, um die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszugleichen. Das BAG bekräftigt damit einmal mehr, dass der gesetzliche Mindesturlaub kein „Verhandlungsthema“ ist, sondern zwingendes Recht.
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 3.6.2025 – 9 AZR 104/24