Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten – Klarstellung durch das Bundesfinanzministerium
Keine generelle Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern
Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2019 sind Aufsichtsräte nur dann Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, wenn sie aufgrund einer variablen Vergütung für ihre Tätigkeit ein Vergütungsrisiko tragen. Erhalten Aufsichtsräte ausschließlich eine Festvergütung, so tragen sie kein Vergütungsrisiko und sind insoweit nicht unternehmerisch tätig. Das Bundesfinanzministerium hat sich im Jahr 2021 dieser Sichtweise angeschlossen und in einem BMF-Schreiben definiert, wann von einer variablen Vergütung auszugehen ist (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 16.8.2021). In einem weiteren Schreiben konkretisiert das BMF nun seine Auffassung und beseitigt damit in der Praxis bestehende Rechtsunsicherheiten.
Vergütungsrisiko bei festen und variablen Vergütungsbestandteilen
Besteht die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es nach einer Vereinfachungsregelung des BMF grundsätzlich selbstständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Geschäftsjahr der Gesellschaft mindestens 10 % der gesamten Vergütung betragen. Hinsichtlich der Ermittlung dieser 10-Prozent-Grenze beseitigt das BMF nun einige Rechtsunsicherheiten:
Bei der Ermittlung dieser Quote sind nach dem neuesten BMF-Schreiben nur die Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen, die für Leistungen gezahlt werden, welche in dem betreffenden Geschäftsjahr der Gesellschaft ausgeführt werden. Maßgeblicher Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds ist der Ablauf des Geschäftsjahres der Gesellschaft. Bei Sitzungsgeldern und Auslagenersatz für die Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen kommt es auf den Tag der Sitzung an.
Die zweite wichtige Klarstellung betrifft den Zeitpunkt der Prüfung der 10-Prozent-Grenze: Es sind nun alle zu Beginn des Geschäftsjahres geplanten Sitzungen einzubeziehen, unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme des Aufsichtsratsmitglieds. Das bedeutet, dass die Frage der Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds nun bereits zu Beginn des Geschäftsjahres festgestellt und eine spätere Anpassung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse vermieden wird.
Weitere Übergangsregelung
Um Übergangsschwierigkeiten zu vermeiden, beanstandet das BMF nicht, wenn die alte Rechtsauffassung, nach der Aufsichtsräte stets als Unternehmer:innen anzusehen waren, weiter auf Leistungen angewendet wird, die in einem Geschäftsjahr der Gesellschaft ausgeführt worden sind, das vor dem 1.1.2022 begonnen hat. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungserbringung wird es nicht beanstandet, wenn für Geschäftsjahre der Gesellschaft, die vor dem 1.1.2022 enden, als Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats die Teilnahme an der Hauptversammlung mit dem Ziel der Entlastung zugrunde gelegt wird. Dies entsprach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung.
Klarstellung sorgt für Rechtssicherheit und Vereinfachung
Die Konkretisierungen zum Zeitpunkt der Ermittlung der 10-Prozent-Grenze und zum Leistungszeitpunkt vereinfachen die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen erheblich. Da es bislang auf die tatsächlich erhaltenen Vergütungen innerhalb eines Kalenderjahres ankam, konnte sich die Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten aufgrund der Teilnahme oder Nichtteilnahme an Aufsichtsratssitzungen ändern, was dann mitunter Korrekturen nach sich zog. Dank der Neuregelung steht nun zu Beginn des Jahres fest, ob das Aufsichtsratsmitglied gegenüber der Gesellschaft mit oder ohne Umsatzsteuer abzurechnen hat.