GmbH: Kann eine Stimmabgabe „zurückgenommen“ werden?
Keine freie Widerrufbarkeit der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung
Ist die bei einer Gesellschafterversammlung abgegebene Stimme einmal der Versammlungsleitung zugegangen, kann sie nicht mehr widerrufen werden. Auch ein nachträglicher wichtiger Grund für die Änderung des Stimmverhaltens ändert daran nach einem aktuellen Urteil des Münchener Oberlandesgerichts nichts.
Wichtiger Grund für Widerruf der Stimme irrelevant?
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit des Beschlusses über die Veräußerung eines Einkaufszentrums. Laut Protokoll hatte die Gesellschafterversammlung der beklagten Kommanditgesellschaft (KG) den Verkauf mit der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Mehrheit im schriftlichen Umlaufverfahren beschlossen. Ein Gesellschafter war anderer Meinung und hielt den Beschluss für unwirksam, weil die benötigte Mehrheit gerade nicht zustande gekommen sei. Tatsächlich hatten mehrere Gesellschafter:innen ihre Stimmen aufgrund nachträglicher Sachverhaltsinformationen vor Ablauf der Abstimmungsfrist – diese betrug einen Monat – geändert. Der Gesellschafter stellte sich auf den Standpunkt, dass eine Änderung der Stimmabgabe bis zur Auszählung der betreffenden Stimme noch jederzeit möglich sei. Diese Ansicht teilte das Oberlandesgericht München allerdings nicht.
Plötzliche Meinungsänderung muss schnell kundgetan werden
Die Richter:innen urteilten, dass sämtliche abgegebenen Stimmen zu Recht gewertet wurden, denn die nachträgliche Änderung einer abgegebenen Stimme ist nach deren Zugang bei der Versammlungsleitung nicht mehr möglich. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob für die Meinungsänderung ein wichtiger Grund gegeben war. Denn den Interessen der einzelnen Gesellschafter:innen ist durch die Möglichkeit der Anfechtbarkeit ihrer Stimme hinreichend Genüge getan, so die Richter:innen. Sollte sich die Tatsachengrundlage nach Abgabe der Stimme geändert haben, bleibt es den Gesellschafter:innen unbenommen, den gefassten Beschluss durch Anfechtungsklage abzuändern. Schon gar nicht relevant war für das Gericht der Zeitpunkt der Auszählung der Stimmen: Sobald eine Stimme bei der Versammlungsleitung „angekommen“ ist, zählt sie und es ist für eine Rücknahme zu spät.
Drum prüfe, „wer sich ewig bindet“
Das Münchener Oberlandesgericht beantwortet die Frage, ob einmal abgegebene und dem Erklärungsempfänger zugegangene Stimmen abgeändert werden können, eindeutig: Der Widerruf einer ursprünglich abgegebenen Ja-Stimme und eine spätere – korrigierende – Abstimmung mit Nein sind ausgeschlossen, wenn der Versammlungsleitung die Ja-Stimme bereits zugegangen war. Es kommt nur darauf an, wann die Stimme in den „Herrschaftsbereich“ der Versammlungsleitung gelangt, und nicht, wann sie inhaltlich davon Kenntnis nimmt. Dies gilt auch für Gesellschafterbeschlüsse, die – wie hier – nicht in Präsenzveranstaltungen, sondern im Umlaufverfahren gefasst werden. Gesellschafter:innen müssen sich also stets über die Bedeutung und Reichweite ihrer Stimme im Klaren sein. Im Falle einer Meinungsänderung nach der Stimmabgabe im Umlaufverfahren ist Eile geboten, denn hier wird man nur durch einen Anruf oder eine E-Mail die Bindung der Stimme (vor deren Eintreffen bei der Versammlungsleitung) noch verhindern können.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 5.4.2023 – 7 U 6538/20