Steuerstundung bei Wegzug in die Schweiz
Wegzugsteuer als Einschränkung der Freizügigkeit
Wer als Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält, läuft Gefahr, im Zeitpunkt des Wegzugs stille Reserven im Wert dieser Anteile versteuern zu müssen, ohne einen entsprechenden Liquiditätszufluss zu generieren. Hintergrund ist, dass Deutschland bei einem Wegzug häufig das Besteuerungsrecht für einen späteren Verkauf der Anteile verliert, wenn das Land des Zuzugs mit Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat und der Gesellschafter nach seinem Wegzug im Ausland als steuerlich ansässig gilt. In einer solchen Fallkonstellation wird nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) ein Verkauf der Anteile im Zeitpunkt des Wegzugs fingiert (Wegzugsbesteuerung).
Sonderfall: Wegzug in die Schweiz
Da die Wegzugsbesteuerung eine erhebliche Einschränkung der Freizügigkeit darstellt, sah das Gesetz bis zum 31.12.2021 eine dauerhafte und zinslose Stundung der Steuer vor, wenn der Wegzug in einen Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR erfolgte. Bei einem Wegzug in sogenannte Drittstaaten trifft den Steuerpflichtigen dagegen die volle Härte des Gesetzes. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die Schweiz dar, die zwar weder EU- noch EWR-Mitgliedstaat ist, aber mit den EU-Ländern über ein Freizügigkeitsabkommen (FZA) verbunden ist. Für diese Fallkonstellation hat zunächst im Jahr 2019 der Europäische Gerichtshof (Blogbeitrag vom 10. April 2019) und in der Folge im Jahr 2023 auch der Bundesfinanzhof (Blogbeitrag vom 15. Februar 2024) entschieden, dass auch in diesen Fällen eine unbefristete und zinslose Stundung der Steuer zu erfolgen hat.
Finanzverwaltung folgt EuGH und Bundesfinanzhof
Die deutsche Finanzverwaltung hatte das zunächst anders gesehen, hat ihre bisherige Auffassung aber nunmehr aufgegeben. Mit dem BMF-Schreiben vom 2.6.2025 wendet sie die Rechtsprechung grundsätzlich auf Wegzugsfälle in die Schweiz vor dem 1.1.2022 an. Steuerpflichtige, die Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft sind, können demzufolge eine entsprechende Stundung beantragen, wenn sie in der Schweiz einer der deutschen Einkommensteuer vergleichbaren Steuer unterliegen. Die Stundung soll in der Regel nur gegen eine entsprechende Sicherheitsleistung gewährt werden. Das Schreiben geht auch auf besondere Fallkonstellationen wie Gewinnausschüttungen oder eine Einlagerückgewähr in signifikanter Höhe sowie auf Weiterumzüge ein, die vom FZA Schweiz erfasst sind.
Keine Stundung für Wegzüge nach dem 31.12.2021
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass sich die Finanzverwaltung der nationalen und europäischen Rechtsprechung anschließt und ihre gegenteilige Auffassung aufgibt. Gleichwohl ist das Problem der Wegzugsbesteuerung und der hierdurch ausgelösten Liquiditätsbelastung nur für einen kleinen Teil der Fälle gelöst – nämlich für Wegzüge vor dem 1.1.2022 in die Schweiz. Für Wegzüge nach dem 31.12.2021 gilt dagegen die neue Rechtslage, die keinerlei Stundung der Steuer mehr vorsieht (auch nicht für EU-/EWR-Wegzüge), sondern lediglich eine Ratenzahlung über maximal sieben Jahre.
Es ist weiterhin bedauerlich – und vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung auch unverständlich –, dass die frühere Stundungsregelung zwischenzeitlich abgeschafft wurde. Dabei hatte sich der EuGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2019 deutlich dafür ausgesprochen, dass er eine sofortige Erhebung der Steuer für eine unverhältnismäßige Einschränkung der Freizügigkeit und eine Stundung stattdessen unionsrechtlich und vor dem Hintergrund des FZA Schweiz für geboten hält. Es wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber hier noch einmal tätig wird und die Vorgaben des Gerichts in nationales Recht umsetzt.
BMF-Schreiben vom 2.6.2025, BStBl I 2025, S. 1448