Besteuerung bei Wegzug in die Schweiz rechtmäßig?

Hintergrund

Veräußert ein Gesellschafter eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, erzielt er Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG, wenn er mit mindestens einem Prozent beteiligt war. Der Veräußerungsgewinn ist aufgrund des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % steuerpflichtig. Für solche Anteile gibt es im Außensteuergesetz (AStG) im Wegzugsfall einen besonderen Besteuerungstatbestand. Bei einem Gesellschafter, der insgesamt mindestens zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war und dessen unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, ist gemäß § 6 AStG auf diese Anteile im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden (Ersatzrealisationstatbestand). Als Veräußerungspreis gilt dann der gemeine Wert (Verkehrswert) der Anteile.

Sonderregelung in EU/EWR-Fällen

Die geschuldete Steuer auf den "Wegzugsgewinn" kann auf Antrag in regelmäßigen Teilbeträgen für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren gegen Sicherheitsleistung gestundet werden, wenn ihre sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen verbunden wäre. Für die Dauer der gewährten Stundung werden Zinsen erhoben. Ist der Steuerpflichtige EU/EWR-Staatsangehöriger und unterliegt er nach der Beendigung der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht in einem EU/EWR-Staat (Zuzugsstaat) einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht, so ist die geschuldete Steuer zinslos und ohne Sicherheitsleistung zu stunden. Das Finanzgericht Baden-Württemberg zweifelt derzeit an der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsfolgen für den Fall eines Wegzugs in die Schweiz, die kein EU/EWR-Mitgliedsstaat ist.

Beschluss

Geklagt hatte ein deutscher Staatsangehöriger, der zu 50 % beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz war. Nach seinem Wegzug in die Schweiz unterwarf das deutsche Finanzamt die Wertsteigerung des Anteils (so genannte stille Reserven) der sofortigen Besteuerung. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 14.6.2017 dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob diese sofortige Besteuerung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Nach Ansicht des Gerichts könne sich der Kläger auf das Abkommen über die Freizügigkeit zwischen der EU und der Schweiz berufen. Danach stehen die Niederlassungsfreiheit, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die allgemeine Freizügigkeit jeder Maßnahme entgegen, die geeignet sei, die Ausübung derselben zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Zwar könne die Besteuerung berechtigt sein, um eine „ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten“ sicherzustellen; die sofortige Einziehung der Steuer sei jedoch nicht verhältnismäßig. Eine zeitlich unbegrenzte Stundung bis zur Realisierung der Gewinne könne ein milderes Mittel darstellen.

Ausblick

Mit Spannung bleibt die Beurteilung der Rechtfrage durch den Europäischen Gerichtshof abzuwarten. Soweit in derartigen Fällen bislang eine Stundung nur gegen Verzinsung und Sicherheitsleistung gewährt wurde, sollten die Fälle offen gehalten werden. Selbstverständlich werden Ihre Berater der dhpg Sie hier auf dem aktuellen Stand halten.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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