Sonderkündigungsschutz: Worauf Arbeitgeber achten müssen
Beim allgemeinen Kündigungsschutz geht es um die Sozialwidrigkeit einer ausgesprochenen Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Zusätzlich besteht aber für bestimmte Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsschutz. Dieser setzt vor der Kündigungserklärung ein, deren Wirksamkeit von den besonderen Voraussetzungen des jeweiligen Sonderkündigungsschutzes abhängt. Unter Sonderkündigungsschutz fallen
- Schwangere,
- Arbeitnehmer in Elternzeit,
- Schwerbehinderte,
- Mitglieder des Betriebsrats oder des Wahlausschusses zur Betriebsratswahl,
- Auszubildende.
Bei diesem Sonderkündigungsschutz handelt es sich nicht um einen Tatbestand der Sozialwidrigkeit nach dem Kündigungsschutzgesetz, sondern um einen sonstigen Unwirksamkeitsgrund, der auch nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gerichtlich geltend gemacht werden muss. Sonderkündigungsschutz bedeutet nicht, dass unter dessen besonderem Schutz stehende Arbeitnehmer nicht gekündigt werden können. Der Kündigungsausspruch ist vielmehr an die Erfüllung von Vorgaben, namentlich an die Zustimmung von Betriebsrat oder Behörden gebunden. Die Verbote gelten für alle Arten der Kündigung. Was ein Arbeitgeber bei einer beabsichtigten Kündigung dieser Personengruppen beachten muss, erklären wir Ihnen im Folgenden.
Kündigungsschutz für Schwangere (§ 17 Mutterschutzgesetz)
Während der Schwangerschaft, bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Geburt ist eine Kündigung unzulässig. Voraussetzung ist, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt oder die Entbindung bekannt war oder ihm diese innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.
Liegen diese Voraussetzungen vor, setzt die Zulässigkeit der Kündigung die vorherige Zustimmung der für den Schutz von Schwangeren zuständigen Landesbehörde voraus. Das sind je nach Bundesland die Bezirksregierung, der Regierungspräsident oder die Gewerbeaufsicht.
Die Zustimmung ist „ausnahmsweise“ nur zu erteilen, wenn Gründe vorliegen, die mit dem besonderen Kündigungsschutz der Frau nicht im Zusammenhang stehen. Dazu zählen namentlich die Stilllegung des Betriebs, die wirtschaftliche Gefährdung des Arbeitgebers, aber auch verhaltensbedingte Gründe, die aber über den „wichtigen Grund“ für eine fristlose Kündigung hinausgehen müssen. Das können Vermögensdelikte gegen den Arbeitgeber sein oder dessen tätliche Bedrohung.
Arbeitsrechtliche Streitpunkte über die Richtigkeit der vom Arbeitgeber angegeben besonderen Kündigungsgründe sind nicht von der Behörde für Arbeitsschutz zu klären. So darf diese z.B. die Zustimmung nicht mit der Begründung verweigern, es liege tatsächlich keine Betriebsstillegung vor, sondern ein Betriebsübergang. Diese Frage berührt die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer Kündigung und ist von den Arbeitsgerichten zu klären.
Ist die Zustimmung zur Kündigung erteilt worden, ist in der Kündigungserklärung der Kündigungsgrund anzugeben. Zu achten ist ferner auf das Schriftformerfordernis.
Kündigungsschutz für Arbeitnehmer in Elternzeit (§ 18 Bundeselterngeldgesetz)
Arbeitnehmer in der Elternzeit genießen ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit beantragt worden ist, besonderen Kündigungsschutz. Dieser beginnt frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und frühestens 14 Wochen zwischen dem dritten und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes. Auch hier verlangt der Kündigungsausspruch die vorherige Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörde. Auch bei der Elternzeitkündigung müssen die genannten besondere Gründe vorliegen, die „ausnahmsweise“ eine Zustimmung rechtfertigen.
Dieser Sonderkündigungsschutz gilt nicht nur für das originäre Arbeitsverhältnis, das während der Elternzeit ruht. Es greift vielmehr auch für eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit, soweit diese beim Arbeitgeber erbracht wird. Teilzeitarbeit während der Elternzeit, die bei einem anderen Arbeitgeber ausgeführt wird, unterliegt dort nicht dem besonderen Kündigungsschutz.
Kündigungsschutz für Schwerbehinderte (§ 168 Sozialgesetzbuch IX)
Ebenso wie Schwangere oder Elternzeitberechtigte genießen Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer den besonderen Schutz des Gesetzes. Auch deren Kündigung bedarf der vorherigen Zustimmung. Zuständig ist das Integrationsamt. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung kommt es nicht an. Allerdings kann sich der Arbeitnehmer auf den besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch nur dann berufen, wenn er den Arbeitgeber binnen drei Wochen nach Kündigungszugang von seiner Schwerbehinderteneigenschaft informiert. Das muss er also spätestens in der Kündigungsschutzklage tun.
Der Sonderkündigungsschutz greift allerdings erst nach Ablauf von sechs Monaten des ununterbrochenen Bestehens des Arbeitsverhältnisses, also nicht während der Probezeit. Er greift außerdem nicht für Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf Abfindung aufgrund eines Sozialplans haben. Der Sonderkündigungsschutz setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Schwerbehinderteneigenschaft nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt wegen fehlender Mitwirkung des betroffenen Antragstellers innerhalb der gesetzlichen Fristen eine Entscheidung nicht treffen konnte. Das bedeutet, dass dann, wenn der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung den Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt hat, dieser zunächst den besonderen Kündigungsschutz genießt. Der Arbeitgeber ist einem solchen Fall gut beraten, vorsorglich Zustimmungsantrag beim Inklusionsamt zu stellen. Darauf, ob der Bescheid, mit dem die Schwerbehinderung mit einem Grad von mindestens 50 festgestellt wurde, rechtskräftig ist, kommt es für die formale Wirksamkeit der Kündigung zunächst nicht an.
Legt der Arbeitnehmer gegen den Zustimmungsbescheid des Inklusionsamts Widerspruch ein, hindert das das Arbeitsgericht an einer Entscheidung über die Kündigungsgründe, wenn die Wirksamkeit der Kündigung von der Frage der wirksamen Zustimmung des Inklusionsamts abhängt. Das Arbeitsgericht setzt dann das Kündigungsschutzverfahren bis zur Widerspruchsentscheidung aus.
Ist die Zustimmung zur Kündigung erteilt, ist die Kündigung binnen eines Monats nach Zugang des Zustimmungsbescheids auszusprechen. Der Zugang beim Kündigungsempfänger ist maßgeblich. Es empfiehlt sich, im Kündigungsschreiben auf die Zustimmung des Integrationsamts nicht nur hinzuweisen, sondern den Zustimmungsbescheid der Kündigung beizulegen. Denn die Klagefrist von drei Wochen nach § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beginnt erst zu laufen, wenn dem Arbeitnehmer der Zustimmungsbescheid bekannt gemacht worden ist.
Kündigungsschutz für Betriebsräte und Wahlbewerber (§ 15 Kündigungsschutzgesetz)
Die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist nur als fristlose Kündigung zulässig und setzt die Zustimmung des Betriebsrats oder die Ersetzung der Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung voraus. Der besondere Kündigungsschutz setzt indes schon früher ein. Er gilt auch für
- Arbeitnehmer, die zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands (Wahlversammlung) einladen,
- Mitglieder des Wahlvorstands,
- Wahlbewerber (ab Aufnahme in die Wählerliste).
Deren Sonderkündigungsschutz endet – wenn sie nicht in den Betriebsrat gewählt worden sind – mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Die außerordentliche fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds bedarf ihrerseits der Zustimmung des Betriebsrats, § 103 Betriebsverfassungsgesetz. Das betroffene Betriebsratsmitglied ist dabei nicht stimmberechtigt. Wird die Zustimmung verweigert, kann die Zustimmung auf Antrag des Arbeitgebers durch das Arbeitsgericht ersetzt werden. Da nur außerordentlich fristlos gekündigt werden kann, ist die Zustimmung so rechtzeitig zu beantragen, dass der Betriebsrat noch innerhalb der 14-tägigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB entscheiden kann. Auch der Zustimmungsersetzungsantrag ist beim Arbeitsgericht noch innerhalb der Ausschlussfirst einzureichen, während die Kündigung nach Erteilung der Zustimmung noch rechtzeitig ist, wenn sie „unverzüglich“ nach Zustimmung oder Zustimmungsersetzung erklärt wird.
Der besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern endet nicht nach Ablauf des Amts. Es greift dann der sogenannte nachwirkende Kündigungsschutz. Dieser beträgt ein Jahr, § 15 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Ersatzmitglieder genießen den besonderen Kündigungsschutz erst, wenn sie eine Betriebsratsfunktion wahrgenommen haben. Jede Vertretungssituation generiert aber den Neubeginn der Nachwirkungsfrist. Auch Ersatzmitgliedern kommt unter dieser Vorgabe der nachwirkende besondere Kündigungsschutz zugute. Im nachwirkenden Kündigungsschutz bedarf die Kündigung nicht mehr der Zustimmung des Betriebsrats, sondern nur noch dessen Anhörung nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz.
Eine Einschränkung des besonderen Kündigungsschutzes greift bei Betriebsstilllegung. In diesem Fall darf eine ordentliche Kündigung, allerdings nur zum Zeitpunkt der Stilllegung, ausgesprochen werden. Die Zustimmungsvoraussetzungen gelten gleichwohl.
Kündigungsschutz im Berufsausbildungsverhältnis
Berufsausbildungsverhältnisse können nach Ablauf der Probezeit nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, § 22 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz. Die Kündigung muss schriftlich unter Angabe der Kündigungsgründe erklärt werden. Ist bei der Handwerkskammer oder der IHK ein Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Auszubildendem und Ausbilder gebildet, ist dieser vor der Kündigung, aber innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist einzuschalten. Besonders zu beachten ist, dass § 23 Berufsbildungsgesetz dem Auszubildenden eine Schadensersatzanspruch zubilligt, wenn der Ausbilder grundlos nach der Probezeit kündigt. Und das kann teuer werden, da es für den Schaden keine Höchstgrenze gibt. Zu ersetzen sein kann deshalb auch der künftige Verdienstausfallschaden, den der Auszubildende erleidet, weil er den Beruf nun nicht mehr oder nur mit erheblicher Verzögerung aufnehmen kann.
Exkurs
Ist das Arbeitsverhältnis mit einem unter die Sonderkündigungsschutzgründe fallenden Arbeitnehmer wirksam befristet worden, endet dieses Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristung. Es gelten also die Zustimmungsvoraussetzungen nicht.
Fazit
Der besondere Kündigungsschutz birgt erhebliche Fallstricke, die dem Arbeitgeber zum Nachteil gereichen, wenn er das Dickicht der Zustimmungsvoraussetzungen nicht beachtet. Guter Rat des arbeitsrechtlichen Experten ist daher nicht teuer, sondern erspart Rechtsnachteile. Sprechen Sie uns gerne an – wir beraten Sie persönlich.