Online-Veranstaltungen und Streamingdienste – Risiken für Bildungsinstitute
Grundproblematik
Aus umsatzsteuerlicher Sicht gibt es leider nicht die „eine“ Online-Veranstaltung. So werden z.B. Live-Veranstaltungen digital in Echtzeit übertragen, vorproduzierte Aufzeichnungen solcher Veranstaltungen werden als Stream oder zum Download angeboten oder Veranstaltungen stehen ausschließlich online zur Verfügung. Von der Ausgestaltung des Angebots hängt die umsatzsteuerliche Erfassung ab, das heißt die Bestimmung des Ortes der Besteuerung, die Anwendung möglicher Steuerbefreiungen oder des ermäßigten Steuersatzes.
Hinweise des Bundesfinanzministeriums
Vorproduzierte Inhalte
Aufzeichnungen in digitaler Form, die über das Internet bereitgestellt werden, stellen elektronische Dienstleistungen dar, da sie nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht werden. Werden diese Leistungen an Nichtunternehmer erbracht, so sind sie am Wohnsitz des Leistungsempfängers zu besteuern.
Werden die Inhalte über Rundfunk- oder Fernsehsender verbreitet, so handelt es sich dagegen um eine Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung. Die Bestimmung des Ortes der Leistung entspricht den elektronischen Dienstleistungen.
In beiden Fällen kommt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Umsatzsteuergesetz (UStG) z.B. für Theater, Orchester etc. nicht in Betracht, ebenso nicht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG.
Live-Streaming
Die Bereitstellung des Live-Streams einer Veranstaltung stellt keine elektronische Dienstleistung dar. Hierbei ist es unerheblich, ob die Veranstaltung parallel oder anstelle der „Offline“-Veranstaltung angeboten wird. Die Besteuerung erfolgt gemäß § 3a Abs. 3a UStG, das heißt bei Nichtunternehmern als Leistungsempfänger am Tätigkeitsort des leistenden Unternehmers. Laut BMF soll der Leistungsort sich nach der Vorschrift am Wohnsitz des Nichtunternehmers befinden. Unseres Erachtens kann dies nur ein Fehler sein, da dies gemäß dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 erst ab dem 1.1.2025 gelten soll. Im Gegensatz zu den vorproduzierten Inhalten kann hier die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG in Betracht kommen sowie der ermäßigte Steuersatz für den Verkauf der digitalen Eintrittsberechtigung (§ 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG).
Einschaltung von Portalen (Dienstleistungskommission)
Häufig erfolgt die digitale Bereitstellung über Portale Dritter (z.B. Youtube, Twitch). Hier ist zu prüfen, ob eine Dienstleistungskommission vorliegt (§ 3 Abs. 11 oder 11a UStG). Ist dies der Fall, so erbringt der Unternehmer seine Leistung an das Portal und das Portal diese dann an den Konsumenten. Die Unterscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die korrekte Besteuerung der Anbieter und der Portalbetreiber. Die Nichtbeachtung führt in der Praxis zu gravierenden Schäden.
Kombinierte Leistungen – Einheitlichkeit der Leistungen
Wird neben dem Live-Stream auch der spätere Abruf der Aufzeichnung der Veranstaltung angeboten, so ist wie folgt zu unterscheiden:
- Wird kein gesondertes Entgelt für die Aufzeichnung vereinbart, so handelt es sich insgesamt um eine eigenständige, dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung.
- Wird ein gesondertes Entgelt bzw. ein Aufpreis für die Aufzeichnung vereinbart, so liegen zwei getrennt zu beurteilende Leistungen vor.
Konsequenzen
Gerade Anbieter von bisher steuerfreien Veranstaltungsleistungen (z.B. Fernbildungsinstitute) müssen jetzt tätig werden. Denn nun kann das Angebot von Aufzeichnungen dazu führen, dass die gesamte Leistung dem Regelsteuersatz unterliegt. Das BMF gewährt lediglich eine Übergangsfrist bis zum 30.6.2024. Ob dies ausreicht, das Angebot und laufende Verträge an die Anforderungen des BMF anzupassen, dürfte fraglich sein.
Zudem ist zu beachten, dass der Entwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 ab dem 1.1.2025 geänderte Ortsbestimmungen für Veranstaltungsleistungen, die virtuell angeboten bzw. konsumiert werden, vorsieht.
Es ist ersichtlich, dass die korrekte umsatzsteuerliche Erfassung von Online-Veranstaltungen sehr komplex ist. Wir empfehlen hier schon frühzeitig, das heißt im besten Fall vor Aufnahme der Tätigkeit, eine adäquate Beratung einzuholen. Gerne unterstützen Sie hierbei unsere Expert:innen.
Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 29.4.2024