Neue Krankheit – neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Kernaussage
Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung für maximal sechs Wochen. Wird ein Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an die erste Erkrankung aber erneut krank, muss er für einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch erst beweisen können, dass die erste Erkrankung zu Beginn der neuen Erkrankung bereits überwunden war. Dies hat das Bundesarbeitsgericht aktuell entschieden.
Sachverhalt
Konkret ging es um die Klage einer Altenpflegerin aus Niedersachsen, die im Jahr 2017 zunächst circa drei Monate aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig ausgefallen war. Am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit attestierte eine Ärztin der Klägerin eine neue Arbeitsunfähigkeit als Erstbescheinigung aufgrund einer für den Folgetag geplanten Operation. Die Klägerin war aufgrund dieser Operation in der Folgezeit circa weitere sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Auch für diesen Zeitraum forderte die Klägerin die Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber, der dies aber ablehnte. Nach seiner Auffassung handelte es sich um einen einheitlichen Verhinderungsfall und daher sei auch nur einmalig Entgeltfortzahlung für sechs Wochen zu leisten gewesen; dies habe er bereits getan. Die Klägerin erhob Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht, zunächst mit Erfolg. Die weiteren Instanzen wiesen die Klage indes ab.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht folgte der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und lehnte einen Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung für die zweite Erkrankung ab.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts haben Arbeitnehmer im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Erkrankt der Arbeitnehmer dann unmittelbar erneut aufgrund einer anderen Erkrankung, entsteht nicht automatisch ein neuer Anspruch für weitere Entgeltfortzahlung. Vielmehr hat der Arbeitnehmer darzulegen und nachzuweisen, dass die erste Erkrankung bereits beendet war, als die neue begann. Nur dann kann tatsächlich ein Anspruch auf weitere Entgeltfortzahlung bestehen. Dies war der Klägerin in dem zur Entscheidung vorliegenden Fall allerdings nicht gelungen.
Konsequenz
Das Urteil ist überzeugend und für beide Seiten – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer – folgenreich. Für Arbeitgeber gilt, dass bei verschiedenen Erkrankungen eines Mitarbeiters in engem zeitlichen Abstand immer im Einzelfall geprüft werden muss, ob und wie lange der Mitarbeiter tatsächlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Für Arbeitnehmer gilt, dass mit der Geltendmachung eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs zunächst Nachweise zu erbringen sind, dass die erste Erkrankung bei Beginn der zweiten Erkrankung bereits abgeschlossen war; dies wird in der Praxis in vielen Fällen sicherlich schwierig.