Entschärfung der sogenannten Nachspaltungsveräußerungssperre durch den Bundesfinanzhof
Steuerneutralität von Umstrukturierungen durch Buchwertprivilege
Den steuerlichen Auswirkungen von Übertragungsvorgängen kommt im Rahmen von Umstrukturierungen eine hohe Relevanz zu. Um betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsprozesse nicht durch hohe Steuerbelastungen zu verhindern, sehen die Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes für eine Reihe von Umwandlungen die Übertragung zum Buchwert und somit ohne steuerpflichtige Aufdeckung der stillen Reserven vor (sogenannte Buchwertprivilege).
Strittige Auslegung umwandlungssteuerrechtlicher Begünstigungsvorschriften
Die Gewährung dieser Begünstigungsvorschriften knüpft im Gegenzug regelmäßig an eine Reihe von im Vorhinein zu erfüllenden Voraussetzungen und im Nachhinein zu beachtenden Sperrfrist- und Behaltensregelungen, die insbesondere die missbräuchliche Ausnutzung der Buchwertprivilege verhindern sollen. Im Rahmen von Spaltungsvorgängen von Körperschaften (z.B. GmbH oder AG) kann vor diesem Hintergrund insbesondere dann keine steuerneutrale Übertragung erfolgen, wenn durch die Spaltung nicht eine konzerninterne und somit begünstigte Umstrukturierung bezweckt wird, sondern vielmehr unter Ausnutzung des Buchwertprivilegs auf eine Veräußerung an außenstehende Personen abgezielt wird (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Umwandlungssteuergesetz – UmwStG). Diesem Sinn und Zweck folgend sieht das Gesetz auch dann von einer steuerneutralen Übertragung ab, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine nachfolgende Veräußerung geschaffen werden (§ 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Der unmittelbar folgende § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG normiert, dass davon auszugehen ist, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden.
Unklar und auch in der Literatur umstritten war bislang das Rangverhältnis zwischen dem Grundtatbestand des Satzes 3 und der Konkretisierung des Satzes 4. Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass die 20-Prozent-Grenze des Satzes 4 nur eine Vermutung für das Vorliegen einer Veräußerungsabsicht aufstelle, sodass bei bestehender und nachweisbarer Veräußerungsabsicht auch unterhalb dieser Grenze eine steuerneutrale Spaltung aufgrund dieser „Nachspaltungsveräußerungssperre“ versagt werden könne. Die herrschende Auffassung in der Literatur lehnt dies ab.
Urteil des Bundesfinanzhofs
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung urteilt der Bundesfinanzhof nun, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG nur die Grundlage für die 20-Prozent-Grenze des Satzes 4 regelt und somit außerhalb einer Überschreitung dieser Grenze keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat. Bei der Nachspaltungsveräußerungssperre handele es sich mithin um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bestehend aus den Sätzen 3 und 4.
Hierfür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift. Unter der Formulierung „Davon [von einer Veräußerungsvorbereitung] ist auszugehen“ sei gerade keine beispielhafte, sondern eine abschließende Definition zu verstehen. Anderenfalls hätte sich der Gesetzgeber an dieser Stelle Formulierungen wie „insbesondere“ oder „etwa“ behelfen können.
Eine solche Auslegung gebiete ferner auch die Zielsetzung des Satzes 4, welcher durch Implementierung einer anteils- bzw. wertbezogenen Grenze gerade ein objektives und somit einfach zu ermittelndes Abgrenzungskriterium zum Zweck habe. Dieses Auslegungsergebnis werde auch durch die Entstehungsgeschichte gestützt, welche ebenfalls darauf hinweise, dass der Gesetzgeber durch Satz 4 eine abschließende Klarstellung der Nachspaltungsveräußerungssperre bezweckte.
Ausblick
Das Urteil des Bundesfinanzhofs liegt auf einer Linie mit der herrschenden Auffassung in der Literatur und ist zu begrüßen. Aus Steuerpflichtigensicht sorgt die vom Bundesfinanzhof vertretene Auslegung für ein deutlich erhöhtes Maß an Rechtssicherheit im Nachgang von betroffenen Spaltungsvorgängen. Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten, wobei von einer Veröffentlichung im Bundessteuerblatt und somit einer fallübergreifenden Anwendung der vom Bundesfinanzhof aufgestellten Rechtsgrundsätze ausgegangen werden dürfte.