Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen durch Multilaterales Instrument (MLI)
Hintergrund
Das „Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“, auch Multilaterales Instrument (MLI) genannt, wurde infolge des Aktionspunkts 15 des sogenannten BEPS-Projekts der OECD (Base Erosion and Profit Shifting) im November 2016 veröffentlicht. Übergeordnetes Ziel dieses Projekts der OECD war es, der Gewinnverkürzung und -verlagerung durch multinationale Konzerne entgegenzuwirken und eine Besteuerung am Ort der unternehmerischen Tätigkeit und wirtschaftlichen Wertschöpfung zu gewährleisten.
Ein Ergebnis ist u.a. das MLI als mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag, mit der Grundidee, eine Vielzahl bestehender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu modifizieren ohne langwierige individuelle Verhandlungen seitens der beteiligten Staaten. Das MLI dient dabei der Umsetzung zahlreicher Maßnahmen aus anderen Aktionspunkten, namentlich der Maßnahmen
- gegen hybride Finanzierungen (Nr. 2),
- gegen Abkommensmissbrauch (Nr. 6),
- gegen die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten (Nr. 7)
- und für die Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren (Nr. 14).
Umsetzungsverfahren
Das MLI wurde bislang von über 90 verschiedenen Steuerhoheitsgebieten unterzeichnet, wozu auch Deutschland als einer der ersten Unterzeichner am 7. Juni 2017 gehörte. In Kraft tritt das MLI allerdings grundsätzlich erst drei Monate nach Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde des jeweiligen Staats (Art. 34 MLI). Da hierzu ein Gesetzgebungsverfahren in den einzelnen Vertragsstaaten erforderlich ist, kann es zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Inkrafttretens kommen.
Mit Beschluss des Bundestags am 8. Oktober 2020 und Zustimmung des Bundesrats am 6. November 2020 wurde das MLI nunmehr ratifiziert. Das Gesetz zum MLI wurde am 22. November 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. II 2020, Nr. 20 v. 27.11.2020, S. 946). Die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde erfolgte am 18. Dezember 2020, sodass das MLI in Bezug auf deutsche DBA am 1. April 2021 in Kraft treten wird.
Auswirkungen des MLI auf deutsche Doppelbesteuerungsabkommen
Eine (steuerverschärfende) Auswirkung auf Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und anderen Vertragsstaaten auf Basis des MLI ergibt sich nur dann, wenn das MLI in beiden Vertragsstaaten in Kraft getreten ist und zusätzlich beide Staaten das MLI in Hinblick auf das bestehende Abkommen für anwendbar erklärt haben (Notifikation). Darüber hinaus können einige Artikel des MLI ganz oder teilweise abgewählt werden (sogenannte Vorbehalte) oder es kann innerhalb einzelner Artikel zwischen verschiedenen Optionen gewählt werden.
Ursprünglich sollten nach deutscher Sichtweise 35 Steuerabkommen unter das MLI fallen. In der finalen Version der Liste der Vorbehalte und Notifikationen zum MLI bei der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde wurde die Anzahl der unter das MLI fallenden Steuerabkommen allerdings auf 14 DBA reduziert.
Danach fallen nach dem Wunsch der Bundesrepublik Deutschland die DBA mit folgenden Vertragsstaaten unter potenzielle Modifikationen des MLI:
1. Österreich
2. Kroatien
3. Tschechien
4. Frankreich
5. Griechenland
6. Ungarn
7. Italien
8. Japan
9. Luxemburg
10. Malta
11. Rumänien
12. Slowakei
13. Spanien
14. Türkei
Nach aktuellem Stand sind aufgrund des Inkrafttretens des MLI in den jeweiligen Vertragsstaaten sowie deren Notifikation die DBA mit Österreich, Tschechien, Frankreich, Japan, Luxemburg, Malta und der Slowakei direkt von möglichen Modifikationen betroffen. Die Liste der betroffenen DBA wird wachsen, sofern das MLI in weiteren der 14 notifizierten Staaten in Kraft treten wird. Der Umfang der Modifikationen der DBA durch das MLI hängt dabei von den Vorbehalten sowie der Optionsauswahl in den einzelnen Vertragsstaaten ab, was eine Prüfung der landesspezifischen Listen der Vorbehalte und Notifikationen erforderlich macht.
Konsequenz
Mit Inkrafttreten des MLI in Deutschland am 1. April 2021 erhöht sich die Komplexität der Prüfung der betroffenen DBA. Es muss ein mehrstufiger Prozess zur Bestimmung der Anwendbarkeit der Regelungen der betroffenen DBA bzw. deren Anpassung durch das MLI abgeprüft werden:
1. Inkrafttreten des MLI in beiden Vertragsstaaten
2. Notifikation des DBA seitens beider Vertragsstaaten
3. Zeitliche Anwendbarkeit des MLI
4. Vorbehalte zu Artikeln des MLI seitens eines der beiden Vertragsstaaten
5. Optionsausübung zu Artikeln des MLI seitens eines der beiden Vertragsstaaten
Angesichts der Reduktion der grundsätzlich durch das MLI betroffenen DBA auf lediglich 14 Vertragsstaaten fällt der deutsche Beitrag zum MLI-Projekt mit ehrgeizigen Zielen der OECD bislang allerdings vergleichsweise gering aus.