Kann eine GmbH von „ihrem“ Geschäftsführer Auskunft verlangen?

Sachverhalt

Eine GmbH ging gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer vor und verlangte Auskunft und Schadensersatz mit der Begründung, der Geschäftsführer habe maßgeblich dazu beigetragen, dass der Geschäftsbetrieb der GmbH auf eine Konkurrentin übertragen werden solle. Er soll u.a. dafür gesorgt haben, dass Arbeitnehmer der GmbH nach koordinierten und gesteuerten Kündigungen zur Konkurrentin wechselten. Auch soll er Verträge mit Kunden der GmbH vorzeitig beendet und auf die Konkurrentin übergeleitet haben. Der Geschäftsführer bestritt die Vorwürfe sowie das Bestehen eines Auskunftsanspruchs und meinte, da er keinen Zugriff mehr auf seine Geschäftsunterlagen habe, könne sich die GmbH die begehrten Auskünfte selbst aus ihren Unterlagen beschaffen. Die Klage wurde zunächst u.a. deshalb abgewiesen, weil die Unterinstanzen der Ansicht waren, für den Geschäftsführer bestünde keine Pflicht, sich selbst zu belasten, indem er darüber Auskunft erteilen müsste, ob er sich pflichtwidrig verhalten habe. Der Bundesgerichtshof gab in der Sache allerdings der GmbH Recht.

Entscheidung

Die Richter rügten, dass vorgetragene Beweisangebote der GmbH nicht berücksichtigt wurden und stellten klar, dass die GmbH nur beweisen muss, inwiefern ihr durch das Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden in einem Bereich entstanden ist, der zu seinem Pflichtenkreis gehört. Der Geschäftsführer muss hingegen beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten entsprechend gehandelt hat. An den Vortrag der GmbH seien dabei eher großzügige Anforderungen zu stellen, so der Bundesgerichtshof. Dies ergebe sich aus der Struktur der GmbH als juristische Person: Sie ist selbst nicht handlungsfähig, sondern in allen Angelegenheiten auf die Handlungen des Geschäftsführers als Organ angewiesen; sie befindet sich daher in Beweisnot und ist rein tatsächlich nicht in der Lage, entsprechende Informationen zu beschaffen. Daher reiche es bereits aus, wenn die GmbH ihre Behauptungen auf vermutete Tatsachen stütze. Die Richter machten deutlich, dass der Geschäftsführer seiner GmbH gegenüber zur Auskunft verpflichtet ist und diese Pflicht auch nach Beendigung seiner Organstellung sowie des Anstellungsvertrages fortbesteht. Allerdings sei diese Pflicht nicht grenzenlos, sondern vom Informationsbedürfnis der GmbH abhängig. Das Auskunftsinteresse der GmbH ergebe sich dabei schon aus dem begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und eines daraus wahrscheinlich resultierenden Schadens. Es genüge aber schon das allgemeine Interesse der Gesellschaft, die Arbeit ihres Geschäftsführers zu überwachen, sodass die Geltendmachung von Schadensersatz nicht zwingend erforderlich sei. Die Richter merkten noch an, dass die Auskunftspflicht des Geschäftsführers nicht dadurch eingeschränkt werde, dass er sich bei Erteilung der Auskünfte selbst einer Pflichtverletzung bezichtigen würde. Ein Auskunftsverweigerungsrecht wie im Strafprozess bestehe jedenfalls nicht.

Konsequenz

Für die Praxis ergibt sich, dass die GmbH (auch) gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer einen inhaltlich beschränkten Auskunftsanspruch hat und diesen, wenn es um die Frage einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers geht, durchsetzen kann. Dem Geschäftsführer kommt dabei kein Recht zu, seine Auskunft wegen möglicher Selbstbelastung zu verweigern.

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