Grenzen des Auskunftsrechts: Wann DSGVO-Anfragen rechtsmissbräuchlich werden
Die Datenschutz-Grundverordnung räumt Betroffenen in Art. 15 DSGVO weitreichende Auskunftsrechte ein. Art. 12 Abs. 5 DSGVO ermöglicht es Verantwortlichen jedoch, Auskunftsanfragen zu verweigern, wenn diese offenkundig unbegründet oder exzessiv sind. Der EuGH muss nun klären, ob eine Anfrage bereits beim ersten Mal als exzessiv gelten kann, wenn sie Teil eines systematischen Vorgehens zur Generierung von Schadensersatzforderungen ist, oder ob jeder Fall isoliert betrachtet wird.
Aktueller Anlass
Das Amtsgericht Arnsberg hat dem EuGH einen Fall vorgelegt, der einem auffälligen Muster folgt. Eine Person meldet sich bewusst für Newsletter an, verlangt bereits nach wenigen Wochen Auskunft nach Art. 15 DSGVO und fordert bei Verweigerung 1.000 Euro Schadensersatz. Dieses Vorgehen wiederholt sich systematisch in zahlreichen Fällen. Das betroffene Unternehmen wählte einen ungewöhnlichen Weg und erhob selbst Feststellungsklage, um klären zu lassen, dass kein Anspruch besteht.
Der Generalanwalt am EuGH Szpunar nimmt in seinen Schlussanträgen eine klare Position ein. Nach seiner Auffassung können die Rechte aus der DSGVO nicht für Zwecke instrumentalisiert werden, die dem eigentlichen Schutzzweck der Verordnung zuwiderlaufen. Wenn bereits bei der Newsletter-Anmeldung die Absicht verfolgt wird, durch eine anschließend verweigerte Auskunft Schadensersatzansprüche zu generieren, könne dies als Rechtsmissbrauch gewertet werden. Allerdings mahnt er zur Vorsicht, denn die bloße Wahrnehmung des in Art. 82 DSGVO gewährten Schadensersatzrechts sei nicht per se missbräuchlich. Vielmehr müssten alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
Bedeutung für die Praxis
Für die unternehmerische Praxis hat das Verfahren erhebliche Bedeutung. Sollte der EuGH den Schlussanträgen folgen, würde dies Unternehmen stärken, die mit systematischen Auskunftsanfragen und anschließenden Schadensersatzforderungen konfrontiert sind. Sie könnten dann unter Berufung auf Rechtsmissbrauch die Auskunft verweigern. Relevante Indizien für ein missbräuchliches Vorgehen können sein:
- Sehr kurzer zeitlicher Abstand zwischen Datenerhebung und Auskunftsverlangen
- Bewusst herbeigeführte Datenverarbeitung ohne erkennbares eigenes Interesse
- Öffentlich dokumentierte frühere Fälle mit identischem Vorgehen
- Androhung von Schadensersatzforderungen bereits im ersten Schreiben
Mangels abschließender Rechtssicherheit ist von pauschalen Verweigerungen abzuraten. Die Beweislast für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs obliegt dem Verantwortlichen, was im Streitfall zu erheblichen Prozessrisiken führt.
Wir unterstützen Sie bei der Einzelfallprüfung von Auskunftsanfragen auf Indizien für Rechtsmissbrauch, Risikoabwägung zwischen Auskunftserteilung und Verweigerung sowie rechtlicher Vertretung bei missbräuchlichen Schadensersatzforderungen unter Berücksichtigung der aktuellen EuGH-Rechtsprechung.