Erbschaftsteuer: Wegfall des Verschonungsabschlags bei mehrstöckigen Personengesellschaften

Hintergrund

Betriebsvermögen wird für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter gewissen Voraussetzungen begünstigt besteuert. An die Begünstigung knüpft neben der Lohnsummenregelung auch eine Behaltensfrist an. Werden wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb dieser Behaltensfrist (fünf Jahre oder in den Fällen der vollständigen Optionsverschonung sieben Jahre) veräußert, entnommen oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt, entfällt die Begünstigung rückwirkend. Hintergrund ist die Zielsetzung des Gesetzgebers, nur produktives Betriebsvermögen und die hiermit verbundenen Arbeitsplätze zu privilegieren. Wird solches Vermögen dem Betrieb entzogen, entfällt aus gesetzgeberischer Sicht auch die Rechtfertigung einer Verschonung.

Wegfall des Verschonungsabschlags auch bei mehrstöckigen Personengesellschaften?

Der Bundesfinanzhof hatte nun zu entscheiden, ob diese Grundsätze auch im Falle der Veräußerung oder Zuführung zu betriebsfremden Zwecken von wesentlichen Betriebsgrundlagen durch eine Unterpersonengesellschaft anzuwenden sind.
Dem Urteilsfall lag die Schenkung von Anteilen an einer Oberpersonengesellschaft zugrunde. Innerhalb der Behaltensfrist wurde über das Vermögen der Unterpersonengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter veräußerte sodann u.a. Maschinen, Betriebsvorrichtungen und Vorräte dieser Unterpersonengesellschaft an Dritte. Ein Betriebsgrundstück der Unterpersonengesellschaft wurde zurückbehalten und fortan an Dritte vermietet.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht zum nachträglichen Wegfall der Begünstigung

Der Bundesfinanzhof entschied zunächst, dass allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Unterpersonengesellschaft noch nicht zu einem Verstoß gegen die Behaltensregelung führe. Zwar führe grundsätzlich auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs zum Wegfall der Vergünstigung. Allerdings stelle allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keine Aufgabe des Gewerbebetriebs dar, schließlich könne der Betrieb auch fortgeführt werden. Erst recht gelte dies nicht für die Insolvenzeröffnung bei einer Unterpersonengesellschaft, an der die Oberpersonengesellschaft lediglich eine Beteiligung innehabe.

Wesentliche Betriebsgrundlagen der Unterpersonengesellschaft können solche der Oberpersonengesellschaft sein

Neben der Aufgabe des Gewerbebetriebs ist auch die Veräußerung oder Zuführung zu betriebsfremden Zwecken von wesentlichen Betriebsgrundlagen schädlich. Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage ist dabei grundsätzlich nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen auszulegen. Im Ertragsteuerrecht können Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der Unterpersonengesellschaft nur (wesentliche) Betriebsgrundlagen dieser Unterpersonengesellschaft und nicht solche der Oberpersonengesellschaft sein.

Der Bundesfinanzhof entschied nun, dass insoweit eine abweichende erbschaftsteuerliche Betrachtungsweise zum Tragen komme: Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft können zugleich als wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft anzusehen sein, wenn diese für den Betrieb der Oberpersonengesellschaft und seine Fortführung funktional wesentlich sind. Dies sei der Fall, wenn ein Wirtschaftsgut für den Betriebsablauf der Oberpersonengesellschaft ein erhebliches Gewicht habe. Hierbei seien qualitative und quantitative Merkmale heranzuziehen.

Der Fall konnte vom Bundesfinanzhof nicht abschließend beurteilt werden und wurde daher an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob der Grundbesitz der Unterpersonengesellschaft nach den vom Bundesfinanzhof aufgestellten Grundsätzen eine wesentliche Betriebsgrundlage der Oberpersonengesellschaft darstellt und ob die Vermietung dieses Grundbesitzes an einen Dritten eine Zuführung zu betriebsfremden Zwecken ist. Sofern dies bejaht wird, liegt – auch ohne Veräußerung des Grundbesitzes – ein Verstoß gegen die Behaltensregelung vor.

Konsequenzen

Anders als im Ertragsteuerrecht kann das Wirtschaftsgut einer Unterpersonengesellschaft für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke eine wesentliche Betriebsgrundlage der Oberpersonengesellschaft darstellen. Es ist daher innerhalb der Behaltensfrist darauf zu achten, dass wesentliche Betriebsgrundlagen – wie z.B. Grundstücke, Maschinen, aber auch immaterielle Wirtschaftsgüter – nicht nur nicht veräußert, sondern auch nicht an Dritte vermietet werden. Anderenfalls kann dies den nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags bedeuten.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs betraf die bis 2008 gültige Rechtslage. Im aktuellen Erbschaftsteuergesetz findet sich jedoch eine identische Regelung, sodass die Entscheidung auch Auswirkung auf die gegenwärtige Rechtslage hat.

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Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

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