Dauerüberzahlerbescheinigung bei Holdingkapitalgesellschaften
Kapitalertragsteuerpflicht bei Dividenden
Werden Gewinnanteile von einer inländischen Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner ausgeschüttet, so hat die ausschüttende Gesellschaft Kapitalertragsteuer (KapESt) – zuzüglich Solidaritätszuschlag (SolZ) – einzubehalten. Der Einbehalt der KapESt erfolgt für den Gläubiger der Kapitalerträge, der sich die Steuerabzugsbeträge auf seine spätere Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung anrechnen lassen kann.
Ist Gläubigerin der Kapitalerträge eine zu mindestens 10 % am Grund- oder Stammkapital beteiligte Kapitalgesellschaft, werden die Kapitalerträge – bis auf einen Abschlag von 5 % – vollumfänglich von der Körperschaftsteuer befreit (§ 8b KStG). Die verbleibenden 5 % der Dividende werden im Ergebnis effektiv mit rund 1,5 % (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag) besteuert.
Holdingkapitalgesellschaften als Dauerüberzahler
Holdingkapitalgesellschaften, die zu mehr als 10 % an anderen Kapitalgesellschaften beteiligt sind und ihre Einkünfte ausschließlich aus Dividendenausschüttungen erzielen, sind mitunter Liquiditätsnachteilen ausgesetzt. Dem im Zeitpunkt der Ausschüttung vorzunehmenden Einbehalt von 25 % KapESt steht eine zeitlich nachgeschobene Einkünftebesteuerung im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung von lediglich 1,5 % gegenüber. Hierdurch verfügen Kapitalgesellschaften, die keine anderweitigen Einkünfte außer den Dividendenausschüttungen erzielen, unterjährig über ein zu hohes Anrechnungsvolumen an KapESt, das erst im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung angerechnet und zur Auszahlung gelangt (sogenannte Dauerüberzahler).
Vor diesem Hintergrund besteht für solche Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, beim zuständigen Finanzamt eine sogenannte Dauerüberzahlerbescheinigung zu beantragen, um die ausschüttende Tochter-Kapitalgesellschaft von der Pflicht zum Einbehalt von KapESt freizustellen (§ 44a Abs. 5 EStG).
Bundesfinanzhof konkretisiert Anforderungen an Dauerüberzahler
Der Bundesfinanzhof hatte sich jüngst mit der Frage zu beschäftigen, ob bei Holdingkapitalgesellschaften, deren Einnahmen ausschließlich aus steuerfreien Beteiligungseinkünften bestehen, eine Überzahlersituation aufgrund der „Art der Geschäfte“ dauerhaft gegeben sei.
Im Urteilsfall hatte das Finanzamt die Ausstellung einer sogenannten Überzahlerbescheinigung für eine Holdingkapitalgesellschaft mit dem Hinweis abgelehnt, dass sich die Gesellschaft laut Gesellschaftsvertrag auch über ihre Funktion als Holding hinaus hätte betätigen können. Die Überzahlsituation aufgrund der „Art der Geschäfte“ sei daher nicht dauerhaft gegeben.
Der Bundesfinanzhof führt hierzu aus, dass es bei Holdingkapitalgesellschaften ausschließlich auf die tatsächlich ausgeübte Geschäftstätigkeit ankomme. Auf einen nach dem Gesellschaftsvertrag weit formulierten Gesellschaftszweck komme es demnach nicht an, wenn die Gesellschaft von dieser Möglichkeit tatsächlich dauerhaft keinen Gebrauch macht.
Der Bundesfinanzhof statuiert, dass es vielmehr entscheidend sei, ob die Gesellschaft aufgrund ihrer (gegenwärtigen) Struktur auch tatsächlich in der Lage wäre, die erlaubte weitere Tätigkeit (jederzeit) aufzunehmen. Nur dann würde die Überzahlersituation nicht mehr auf der „Art der Geschäfte“ beruhen und dies eine Ablehnung des Antrags rechtfertigen.
Da die Holdingkapitalgesellschaft im entschiedenen Urteilsfall über kein eigenes Personal verfügte und über ihre Holdingfunktion hinaus nicht selbst operativ hätte tätig werden können, sah der Bundesfinanzhof das Merkmal der Überzahlersituation aufgrund der „Art der Geschäfte“ (hier: Holdingfunktion) als dauerhaft gegeben an.
An dieser Schlussfolgerung änderte auch der Umstand nichts, dass die Holdingkapitalgesellschaft Beratungsleistungen extern eingekauft und an die ausschüttende Tochter-Kapitalgesellschaft weitgehend kostendeckend weitergereicht hat, da die Holdingkapitalgesellschaft mangels eigenen Personals auch nicht dafür ausgestattet war, diese Leistungen am Markt mit Gewinn anzubieten. Die Ursache für die Überzahlersituation war folglich in der „Art der Geschäfte“ als Holdinggesellschaft begründet.
Schlussfolgerungen für die Beratungspraxis
Das Urteil des Bundesfinanzhofs mit seinen Entscheidungsgründen ist sehr zu begrüßen und weitet etwas die vormals restriktive Handhabung zum Merkmal der „Art der Geschäfte“ aus. Auch wenn die Erteilung einer Dauerüberzahlerbescheinigung nicht zu einer Verringerung der Steuerlast führt, kann dadurch mitunter ein beachtlicher Liquiditätsvorteil generiert werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2023 – VIII R 31/21