Corona: Arbeitsrecht rund um den Urlaub

 

Jedes Jahr ist das Thema Urlaub Diskussionsgegenstand zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Corona-Pandemie wirft in diesem Jahr nun zusätzliche Fragen auf und erschwert diese Diskussion unter Umständen. Damit Sie wissen, was arbeitsrechtlich erlaubt ist und was nicht, beantwortet unsere Arbeitsrechtsexpertin Daniela Nellen-La Roche einige der meistgestellten Fragen im Interview. 

Interview: Daniela Nellen-La Roche

 

Stichwort Kurzarbeit: Was ist hier in puncto Urlaub zu beachten? 

Nellen-La Roche: Kurzarbeit hat auch einige Auswirkungen auf das Urlaubsrecht. Die erste ist, dass ein Arbeitnehmer erst etwaige aus Vorjahren bestehende Rest-Urlaubsansprüche abbauen muss, bevor er in Kurzarbeit gehen kann. Dies betrifft jedoch ausdrücklich nicht ausstehende Urlaubsansprüche aus dem laufenden Kalenderjahr. Grundsätzlich können Arbeitnehmer, die sich in Kurzarbeit befinden, Urlaub nehmen. Diese Urlaubszeiten sind durch den Arbeitgeber mit Urlaubsentgelt in ungekürzter Höhe zu zahlen. Zudem erwerben Arbeitnehmer auch dann Urlaubsansprüche, wenn ihre Arbeitsverpflichtung aufgrund von Kurzarbeit verringert wurde. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht jedoch davon aus, dass für Zeiten von Kurzarbeit „0“, also einem 100-prozentigen Arbeitsausfall, das Recht des Arbeitgebers zur anteiligen Kürzung bestehen soll. Ob die Kürzung aber nur den gesetzlichen Anteil des Urlaubsanspruchs betreffen darf oder auch den vertraglichen Mehrurlaub, steht noch einer Klärung durch die deutschen Arbeitsgerichte aus. Gleiches gilt auch für die Frage, ob diese Kürzung automatisch vorgenommen werden darf oder aber einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf. Bis zu einer endgültigen Klärung empfiehlt sich daher für die Kürzung eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer abzuschließen.

Können Angestellte ihren bereits bewilligten Urlaubsantrag zurückziehen, wenn beispielsweise ihre Reise storniert wurde?

Nellen-La Roche: Bereits vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Urlaub kann nicht ohne Weiteres einseitig zurückgezogen werden. Wenn die Auslandsreise des Arbeitnehmers nun storniert wurde und ihm nicht mehr nach Urlaub zumute ist, ändert es nichts an der Tatsache, dass er laut Bundesurlaubsgesetz das Recht auf Erholungsurlaub hat und diesen wahrnehmen sollte. Auch die Tatsache, dass sich der Arbeitnehmer Schöneres vorstellen kann, als seinen Erholungsurlaub daheim zu verbringen, ist keine Rechtfertigung für eine einseitige Aufhebung dessen. Anders sieht es aus, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich darauf einigen, den bereits bewilligten Urlaub zu verschieben. 

Aber wenn der Angestellte ohnehin zuhause sitzt, kann ich ihn doch bei Bedarf auch aus dem Urlaub holen, oder?

Nellen-La Roche: Das muss ganz klar verneint werden. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Erfüllung seines Anspruchs auf Erholungsurlaub freigestellt, kann er ihn nicht aus diesem zurückholen. Darüber hinaus kann bereits vom Arbeitgeber bewilligter Urlaub auch nicht mehr gestrichen werden. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn die Urlaubsverlegung erhebliche, existenzgefährdende und nicht durch andere Maßnahmen abwendbare Nachteile auf Arbeitgeberseite zu verhindern vermag. Dies ist auch der einzige Grund, aus dem Sie Ihren Angestellten aus dem Urlaub zurückholen dürften. Aber dann müsste quasi schon die Existenz des Unternehmens an dieser Person hängen und das entspricht wohl in den seltensten Fällen der Realität.

Und wenn noch kein Urlaubsantrag für 2020 eingereicht wurde, können die Tage dann einfach für 2021 aufgespart werden?

Nellen-La Roche: Um dem Zweck der Erholung nachzukommen, sieht das Bundesurlaubsgesetz vor, dass der jährliche Urlaubsanspruch im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Eine Übertragung ins Folgejahr soll daher nur in Ausnahmefällen erfolgen. Auch eine Auszahlung des Urlaubsanspruchs ist grundsätzlich nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, möglich. Eine Übertragung in das Folgejahr ist selbstverständlich aber immer möglich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies vereinbaren. Arbeitgeber müssen außerdem beachten, dass Urlaubsansprüche nicht automatisch immer am Jahresende verfallen, wenn der Arbeitnehmer diese nicht in Anspruch genommen hat. Der Arbeitgeber muss seinerseits nachweisbar auf den Verfall hinweisen.  

Kann ich meinen Angestellten verbieten in Risikogebiete zu verreisen?

Nellen-La Roche: Nein, das ist Privatsache des Arbeitnehmers. Allerdings kann der Arbeitgeber sich vorbehalten, im Krankheitsfall des Arbeitnehmers die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Das ist dann möglich, wenn der Arbeitnehmer im Urlaub selbstverschuldet arbeitsunfähig geworden ist – in diesem Fall etwa bei einer Reise in ein Risikogebiet ohne triftigen Grund. Ein reiner Erholungsurlaub wäre beispielsweise kein triftiger Grund, die Hochzeit eines nahen Verwandten wiederum schon. Letzten Endes wird dies immer eine Einzelfallentscheidung bleiben. 

Und was passiert, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt?

Nellen-La Roche: In dem Fall werden die nachgewiesenen Tage der Krankheit nicht auf den Urlaub angerechnet. Dem Arbeitnehmer steht gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz ein Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall zu. Die „nicht verbrauchten“ Urlaubstage bleiben dem Arbeitnehmer erhalten. Aber: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die Erkrankung und deren Dauer vorzulegen. Ohne deren Vorlage ist eine Unterbrechung des Urlaubs wegen einer Erkrankung nicht anzuerkennen. 

Angenommen, der Arbeitgeber kann nicht alle Urlaubsanträge bewilligen, weil seine Angestellten ihren Urlaub alle zeitgleich am Ende des Jahres nehmen möchten. Können die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter dann verfallen?

Nellen-La Roche: Das wäre durchaus denkbar, aber hierzu gibt es eine neue Rechtsprechung aus dem letzten Jahr: Der Arbeitgeber ist nun dazu verpflichtet, seine Angestellten auf drohenden Urlaubsverfall hinzuweisen – und das mit ausreichend Vorlauf, sodass der ausstehende Urlaub auch noch genommen werden kann. Um also die Situation abzuwenden, dass alle Mitarbeiter ihre Urlaubsanträge am Jahresende einreichen, sollten Arbeitgeber sie am besten jetzt schon darauf hinweisen, dass nicht alle gleichzeitig Urlaub nehmen können und darum bitten, auch im Sommer Urlaub zu machen. Wichtig ist, dass Sie auf den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs hinweisen. Machen Sie dies aus Nachweisgründen am besten schriftlich, weisen Sie jeden Mitarbeiter darauf hin, wie viele Urlaubstage noch ausstehen und zu welchem Zeitpunkt diese verfallen. 

 

Sollten Sie Fragen rund um das Thema Urlaub in Zeiten der Corona-Pandemie haben, wenden Sie sich gerne an meine Kollegen und mich - wir beraten Sie persönlich. 

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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