Konkrete Hinweispflicht gilt auch für Urlaubsansprüche aus Vorjahren
Kernaussage
Der EuGH hat in der jüngsten Vergangenheit entschieden, dass Urlaubsansprüche nicht automatisch zum Jahresende verfallen, sondern nur wenn der Arbeitnehmer konkret und rechtzeitig auf den drohenden Verfall hingewiesen und ihm die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Arbeitgeber gegeben wurde. Hierüber hatten wir bereits berichtet. Das Landesarbeitsgericht Köln hat nun mit Urteil vom 9.4.2019 entschieden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch konkret über Resturlaubsansprüche aus Vorjahren hinweisen und ihn auffordern muss, diesen Urlaub zu nehmen. Das gilt sogar dann, wenn der Arbeitnehmer auf den Urlaub verzichtet hat.
Sachverhalt
Im konkreten Fall ging es um einen langjährig bei einer Apotheke beschäftigten Boten. Im Arbeitsvertrag war zwischen den Parteien vereinbart worden, dass die regelmäßige Arbeitszeit zwar 30 Stunden/Woche beträgt und der Arbeitnehmer auch für diese Stundenanzahl vergütet wird, aber der Bote auf seinen Wunsch nur jeweils 27,5 Stunden/Woche – gegen Verrechnung von Urlaub – arbeiten muss. Entsprechend wurde dies auch mehrere Jahre zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelebt. Als das Arbeitsverhältnis Anfang 2017 endete, verlangte der Arbeitnehmer indes einen Ausgleich für Urlaubsansprüche aus den Jahren 2014 bis 2016. Der Arbeitgeber lehnte einen solchen Ausgleich mit der Begründung ab, dass der Urlaub bereits gewährt worden sei und der Bote auch keinen darüber hinausgehenden Urlaub verlangt habe. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer. In erster Instanz war er vor dem Arbeitsgericht nicht erfolgreich; das Landesarbeitsgericht Köln gab dem Kläger auf seine Berufung dann aber weitestgehend Recht.
Entscheidung
Nach Ansicht der Richter waren die Urlaubsansprüche nicht durch die vereinbarte Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit erfüllt worden, da dies nicht als Erholungsurlaub nach Maßgabe der Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes zu bewerten sei. Auch seien die Urlaubsansprüche für die Jahre 2014 bis 2016 nicht bereits verfallen. Unter Berücksichtigung des europäischen Rechts sei ein Verfall nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret auf seine Urlaubsansprüche hingewiesen, ihn klar und rechtzeitig zur Inanspruchnahme aufgefordert und ihn über den andernfalls drohenden Verfall informiert hätte. Allein dem Arbeitgeber obliege die Initiativlast, den Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr zur Inanspruchnahme aufzufordern. Diese Verpflichtung gelte auch für Urlaubsansprüche aus Vorjahren – so das Landesarbeitsgericht. Der Arbeitgeber wurde daher verpflichtet, dem Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung jeweils in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs für die Jahre 2014 bis 2016 zu zahlen.
Konsequenz
Das Urteil setzt damit die jüngste Rechtsprechung des EuGH fort und stellt klar, dass die Vorgaben ebenfalls für aus Vorjahren noch bestehende Urlaubsansprüche gelten. Auch wenn die Entscheidung bislang (noch) ein Einzelfall ist, ist das wirtschaftliche Risiko für Arbeitgeber hoch. Für diese bedeutet das Urteil, jetzt schnellstmöglich aktiv zu werden. Klargestellt wurde nochmals, dass Urlaubsansprüche (nicht mehr) automatisch verfallen, sondern der Arbeitnehmer ganz klar und rechtzeitig auf seine bestehenden Ansprüche, die Inanspruchnahme und den andernfalls drohenden Verfall durch den Arbeitgeber nachweisbar hinzuweisen ist.