Zinsloses Darlehen im Konzern kann wirtschaftlich begründet sein
Darlehensvergabe im Konzern
In der Praxis gewähren Muttergesellschaften ihren (ausländischen) Tochtergesellschaften regelmäßig konzerninterne Darlehen, beispielsweise zum Ausbau der Produktion. Damit diese steuerlich anerkannt werden und nicht zu außerbilanziellen Einkünftekorrekturen führen, müssen die Darlehensbeziehungen grundsätzlich dem Fremdvergleich standhalten.
Im vorliegenden Fall (betreffend die Jahre 2005 bis 2010) hat die deutsche Muttergesellschaft ihren Tochtergesellschaften in Rumänien und Ungarn vorerst tilgungsfreie, unverzinsliche Darlehen zur Verfügung gestellt. Die Darlehen wurden für den Grundstückskauf und den Kauf einer Werkshalle bzw. zur Begleichung von Umsatzsteuerschulden gewährt. Sicherheitsleistungen wurden jeweils nicht erbracht. Beide Tochtergesellschaften waren als Lohnfertiger tätig und erbrachten ausschließlich Montageleistungen für die Muttergesellschaft.
Auffassung der Betriebsprüfung und des Steuerpflichtigen
Im Rahmen der Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass den Darlehensverträgen Bedingungen zugrunde lagen, die voneinander unabhängige Unternehmen unter gleichen oder ähnlichen Umständen so nicht vereinbart hätten. Unter fremden Vertragsparteien wäre ein Darlehensvertrag weder zinslos noch ohne Vereinbarung von Sicherheitsleistungen vereinbart worden. Die Unverzinslichkeit der Darlehensforderungen stelle einen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 Abs. 1 AStG dar, was eine Einkünftekorrektur zur Folge hätte.
Die Muttergesellschaft argumentierte, dass § 1 AStG nicht anwendbar sei, da keine Verminderung des inländischen Steuersubstrats eingetreten sei. Vielmehr sei der Vorteil der günstigen Produktionskosten der Tochtergesellschaften durch die Gestaltung der Verrechnungspreise für deren Werkleistungen bereits vollständig nach Deutschland übertragen worden.
Hätte die Muttergesellschaft Zinsen berechnet, hätte dies spiegelbildlich eine Erhöhung der Verrechnungspreise nicht nur um den Zinsaufwand, sondern nach der Cost-Plus-Methode auch um einen Aufschlag zur Folge gehabt. Im Ergebnis hätte dies sogar zu einer Minderung des inländischen Steuersubstrats geführt. Die Finanzausstattung durch Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen sei notwendige Bedingung dafür gewesen, dass die Tochtergesellschaften die ihnen zugedachte Funktion im Rahmen des Gesamtunternehmens hätten erfüllen können. Die Darlehensgewährung sei somit aufgrund plausibler, sachbezogener wirtschaftlicher Gründe in erster Linie im Interesse der Muttergesellschaft erfolgt.
Unverzinsliches Darlehen ist fremdvergleichswidrig
Neben grundlegenden Ausführungen über die Einstufung eines Darlehens als Geschäftsbeziehung hat das Finanzgericht Saarland Folgendes entschieden: Die Zinslosigkeit der Darlehen – insbesondere auch in der Zusammenschau mit der fehlenden Besicherung – ist fremdvergleichswidrig, sodass eine außerbilanzielle Einkünftekorrektur nach § 1 AStG auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts erfolgen durfte.
In Bezug auf die schuldrechtliche Sicherheit hält es zudem fest, dass der Verzicht auf diese zwar konzernüblich, aber nicht fremdüblich ist. Weiter hält das Finanzgericht fest, dass das Vorliegen einer Gewinnverlagerung ins Ausland weder eine explizite noch eine implizite Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 AStG darstellt.
Keine Einkünftekorrektur bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe
Hinsichtlich der Jahre ab 2007 (EU-Beitritt Rumäniens) hat das Gericht weiter geprüft, inwieweit die Norm europarechtskonform auszulegen ist und inwiefern die Berichtigung gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall „Hornbach Baumarkt“ (Blogbeitrag vom 5. Juni 2018) rechtfertigen das wirtschaftliche Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft an ihren Beteiligungsgesellschaften und die Verantwortung als Gesellschafterin bei der Finanzierung dieser Gesellschaften Geschäftsabschlüsse unter nicht fremdüblichen Bedingungen und stehen einer Berichtigung nach § 1 AStG entgegen.
Aus diesen Grundsätzen leitete das Finanzgericht ab, dass keine Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG zu erfolgen hat, wenn gewichtige wirtschaftliche Gründe für die Unverzinslichkeit vorgebracht werden können. Als wirtschaftliche Gründe kommen sämtliche Gründe in Betracht, die nicht in Zusammenhang mit steuerlichen Motiven stehen.
Im Streitfall hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass die ausländischen Tochtergesellschaften gegründet wurden, um die Produktionskosten für Montageleistungen zu senken, und die Fortführung bzw. Ausweitung ihres Geschäftsbetriebs von einer Zuführung von Kapital abhing. Die Muttergesellschaft verfolgte mit den Kapitalzuführungen das Ziel, die Umsätze und Gewinne des Konzerns zu steigern, die Liquidität zu sichern und die finanzielle Stabilität zu verbessern. Durch die Darlehenshingaben ist es der Muttergesellschaft ermöglicht worden, im Ausland zu günstigen Bedingungen Fertigungsarbeiten durchzuführen und im Inland möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Die Motive seien legitime und betriebswirtschaftlich sinnvolle Ziele im Konzernverbund und zielten nicht auf einen Steuervorteil ab. Im Ergebnis sei in den dargestellten Umständen ein die Fremdunüblichkeit rechtfertigender wirtschaftlicher Grund zu sehen, der einer außerbilanziellen Einkünftekorrektur nach § 1 AStG entgegensteht.
Fazit, Auswirkungen auf die Praxis und Ausblick
Das Urteil des Finanzgerichts Saarland ist positiv zu werten, da es analog zu den EuGH-Grundsätzen im Falle bedeutsamer wirtschaftlicher Gründe ein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz zulässt und in diesem Fall keine Einkünftekorrektur zu erfolgen hat.
Ob das Urteil auf ähnliche Fälle übertragen werden kann bzw. ob sich eine allgemeine Aushebelung des Fremdvergleichsgrundsatzes ergibt, bleibt jedoch fraglich, da der Fall im Revisionsverfahren (Bundesfinanzhof: Az. I R 23/24) anhängig ist. Mit Spannung ist insbesondere zu erwarten, wie der Bundesfinanzhof die Möglichkeit einer Zusammenbetrachtung der Darlehensvergaben mit den Lohnfertigungsleistungen der Tochtergesellschaften beurteilen wird.
Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung in dem vorliegenden Fall sollten Verfahren, in denen eine Nichtanwendung von § 1 AStG aufgrund wirtschaftlicher Gründe im Raum steht, offengehalten werden.