Vorsteuerabzug mittels Einlage?
Hintergrund
Der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern setzt voraus, dass diese unternehmerisch genutzt werden. Wird das Wirtschaftsgut nur nichtunternehmerisch genutzt, ist ein Vorsteuerabzug nicht zulässig. Wird das Wirtschaftsgut sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch genutzt, muss das Wirtschaftsgut dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden. Ergibt sich danach kein Vorsteuerabzug, so kann nach bisher herrschender Auffassung keine Berichtigung des Vorsteuerabzuges erfolgen, wenn das Wirtschaftsgut später unternehmerisch genutzt wird. Zwar lässt das Umsatzsteuergesetz eine Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzuges bei Nutzungsänderungen zu - jedoch nur in den Fällen, in denen das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Erwerbs dem Unternehmensvermögen zugeordnet war.
Sachverhalt
Eine polnische Gemeinde, die seit 2005 umsatzsteuerlich registriert war, errichtete ein Kulturhaus. Nach Fertigstellung im Jahr 2010 wurde das Kulturhaus dem gemeindlichen Kulturzentrum unentgeltlich überlassen. 2014 änderte die Gemeinde ihre Nutzungsabsicht. Nunmehr sollte das Kulturhaus auch zur Erzielung von Umsätzen genutzt werden, die der Umsatzsteuer unterliegen. Strittig war nun, ob die Gemeinde hierdurch berechtigt war, die Vorsteuer aus der Herstellung des Kulturhauses zu berichtigen. Die zuständige Behörde bestritt dies, da die Gemeinde das Kulturhauses ursprünglich für nichtunternehmerische Zwecke hergestellt habe.
Entscheidung
Handelt die Gemeinde im Zeitpunkt der Herstellung des Kulturhauses als Unternehmer, so ist sie zur Korrektur der Vorsteuer berechtigt. Dies ist dagegen nicht der Fall, wenn sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs hat die Gemeinde als Unternehmer gehandelt und ist somit zur zeitanteiligen Korrektur der Vorsteuer berechtigt. Zur Begründung verweist der Europäische Gerichtshof auf die schon lange vor Baubeginn erfolgte Registrierung der Gemeinde für umsatzsteuerliche Zwecke. Als unschädlich bewertet er den Umstand, dass die Gemeinde bei Erwerb des Kulturhauses dieses nicht ausdrücklich der unternehmerischen Verwendung zuordnete, solange eine Verwendung für besteuerte Umsätze grundsätzlich infrage kommt. Ebenso unschädlich war der Umstand, dass das Kulturhaus zunächst nicht zu Zwecken genutzt wurde, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Konsequenzen
Auch wenn die Auffassungen über die genaue Tragweite des Urteils differieren, so eröffnet die Entscheidung jedenfalls neue Möglichkeiten. Ein Vorsteuerabzug aus "Einlagen" war nach bisheriger Rechtsauffassung undenkbar. Zukünftig ist in vergleichbaren Fällen zu prüfen, ob sich ein nachträglicher Vorsteuerabzug durch die unternehmerische Nutzung ergibt. Dies dürfte nicht nur für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten, sondern auch für andere Unternehmen. Wesentliche Voraussetzungen sind hierfür, dass der Erwerber bei Erwerb als Unternehmer gehandelt hat, das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Erwerbs auch unternehmerisch genutzt werden könnte und es nicht ausdrücklich dem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet wurde.