Vorsteuerabzug: Briefkastensitz als Rechnungsanschrift zulässig?
Einführung
Rechnungen berechtigen nur zum Vorsteuerabzug, wenn sie den formalen Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes entsprechen. Hierzu zählt auch die korrekte Angabe der vollständigen Anschrift des Lieferanten.
Rechtslage
Bisher wurde Unternehmern der Vorsteuerabzug verwehrt, wenn der Lieferant unter der auf der Rechnung angegebenen Anschrift keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet bzw. mangels geeigneter Räumlichkeiten nicht entfalten kann (z.B. Briefkastensitz). Der Unternehmer kann dann den Vorsteuerabzug nur noch im Billigkeitswege erreichen, sofern ihm Vertrauensschutz zu gewähren ist. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch, denn der Unternehmer muss gutgläubig gewesen sein und alles ihm Zumutbare unternommen haben, um zu erkennen, dass die formellen Rechnungsanforderungen nicht erfüllt sind. Die Finanzverwaltung fordert hier im Zweifel die Überprüfung der Firmenadresse, z.B. durch Besichtigung, was kaum praktikabel ist und an den Anforderungen des modernen Geschäftslebens vorbeigeht. Auf Vorlage des Bundesfinanzhofs hatte der Europäische Gerichtshof jedoch entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass in der Rechnung die Anschrift angegeben ist, unter der der Rechnungsaussteller seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Nun sind die Folgeentscheidungen des Bundesfinanzhofs hierzu ergangen.
Urteile des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof ändert nun seine bisherige Rechtsprechung und folgt dem Europäischen Gerichtshof. Demnach reicht auch eine Briefkastenanschrift aus, sofern der leistende Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
Konsequenzen
Das Urteil reduziert das Risiko, dass Unternehmen der Vorsteuerabzug aufgrund nicht ordnungsgemäßer Rechnungen versagt wird. Damit dürfte in der Regel auch Schluss sein mit der Forderung der Finanzverwaltung, dass der Rechnungsempfänger im Zweifel die Firmenadresse überprüfen solle. Eine Forderung, die gerade in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft vollkommen die betriebliche Realität ignorierte. Unabhängig hiervon, ist insbesondere bei neuen, unbekannten Lieferanten sowie bei „ungewöhnlicher“ Abwicklung der Geschäfte darauf zu achten, mit wem die Geschäfte abgeschlossen werden. Denn stimmt der Rechnungsaussteller nicht mit dem tatsächlich leistenden Unternehmer überein, liegt eine nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Scheinrechnung vor, dann hilft auch die neue Rechtslage nicht weiter.