Verpachtung Verschlussbrennerei und Zahlungsansprüche
Kernaussage
Die Überlassung der Brenntechnik, der Brennrechte und der Zahlungsansprüche/Prämienrechte sind nach der aktuellen Entscheidung des FG Münster als selbständige Leistungen steuerpflichtig und keine steuerfreien Nebenleistungen zur umsatzsteuerfreien Verpachtung der Hofstelle, der Ackerflächen und der Räumlichkeiten der landwirtschaftlichen Verschlussbrennerei.
Sachverhalt
Streitig ist, ob und in welcher Höhe es sich bei der Überlassung von Brennrechten und Zahlungsansprüchen aus dem EU-Agrarfond jeweils um eine steuerfreie oder steuerpflichtige Leistung im Zusammenhang mit der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs handelt.
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Zu dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers gehört als Nebenbetrieb eine landwirtschaftliche Verschlussbrennerei. Diese wird wie der gesamte landwirtschaftliche Betrieb von der Familie des Klägers seit mehreren Generationen betrieben, indem das selbst angebaute Getreide zur Herstellung von Rohsprit verwendet wurde. Der Rohsprit wurde, mit Ausnahme in den 70er Jahren, aufgrund sog. Brennrechte ausschließlich an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein veräußert. Die Brennrechte waren an das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Betriebs gebunden. Die damit verbundenen Rechte und Pflichten betrafen den jeweiligen Betreiber des landwirtschaftlichen Betriebes und der Brennerei.
Der Kläger und sein Sohn beabsichtigten, dass der landwirtschaftliche Betrieb in Gänze wie bisher vom Sohn weitergeführt werden soll. Zu diesem Zweck schlossen die beiden am 01.07.2005 einen Pachtvertrag. Danach verpachtete der Kläger an seinen Sohn seinen landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich der landwirtschaftlichen Verschlussbrennerei. Nach § 13 des Vertrages sollten dem Sohn als Pächter die Zahlungsansprüche/Prämienrechte aus dem EU-Agrarfond für die verpachteten Flächen zustehen. Die Laufzeit des Pachtvertrages betrug zwölf Jahre. Eine Kündigung vor Ablauf dieses Zeitraums war grundsätzlich nicht vorgesehen (sog. eiserne Verpachtung). Die vereinbarte Pacht betrug 30.000 € pro Jahr. Darüber hinaus schloss der Kläger am 01.07.2005 mit seinem Sohn eine Zusatzvereinbarung betreffend die landwirtschaftliche Verschlussbrennerei. Danach war der Kläger als Verpächter berechtigt, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum 30.09. eines Jahres den verpachteten Nebenbetrieb (Brennerei) aus dem Pachtvertrag herauszunehmen, um das Brennrecht zu veräußern oder an die Bundesmonopolverwaltung gegen eine Entschädigung gemäß § 58a Branntweinmonopolgesetz (BranntwMonG) zurückzugewähren. Für diesen Fall war eine entsprechende Minderung des in dem Pachtvertrag vereinbarten Pachtpreises vorgesehen.
Der Sohn des Klägers betrieb wie vereinbart den landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich der Brennerei weiter und veräußerte den produzierten Rohsprit an die Branntweinmonopolverwaltung. Er erwarb zudem weitere frei handelbare Brennrechte. Am 31.01.2013 stellte er bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein einen Antrag gemäß § 58 Abs. 1 S. 2 BranntwMonG auf Ausgleichszahlung an ihn für Brennrechte i.H.v. 1.142,48 hl Alkohol. Mit Bescheid vom 02.09.2013 befreite die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein den Sohn des Klägers von der Ablieferungspflicht nach § 58 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 58 Abs. 4 des BranntwMonG. Aufgrund des damit verbundenen Ausscheidens aus dem Branntweinmonopol gewährte die Bundesmonopolverwaltung dem Sohn des Klägers für fünf Betriebsjahre einen Ausgleichsbetrag. Der auf die vom Kläger überlassenen Brennrechte entfallende Anteil des Entschädigungsbetrages wurde ihm von seinem Sohn jährlich überwiesen.
Der Kläger nahm vor diesem Hintergrund den Nebenbetrieb Brennerei zum 01.10.2013 vorzeitig aus der Verpachtung zurück. Der Kläger und sein Sohn vereinbarten hierfür eine Minderung der monatlichen Pacht um 1.000 € auf verbleibende 1.500 €.
Aus Anlass einer 2017 durchgeführten Betriebsprüfung kam die Prüferin zu den beiden folgenden und noch streitigen Feststellungen: Zum einen stelle die Überlassung der Brennrechte und des Inventars eine steuerbare und im Grunde steuerpflichtige sonstige Leistung dar. Sie sei nicht als Nebenleistung zur Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes steuerfrei. Zum anderen stelle die Überlassung der Zahlungsansprüche ebenfalls eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung dar. Diese sei ebenfalls nicht als Nebenleistung zur Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes steuerfrei. Der auf die Zahlungsansprüche für die mitverpachteten Ackerflächen entfallende Anteil der Pacht sei anhand der Durchschnittswerte der in Nordrhein-Westfalen pro Hektar ausgezahlten Prämien zu schätzen, da die tatsächliche Höhe der an den Sohn ausgezahlten Zahlungsansprüche nicht habe festgestellt werden können. Entsprechend wurden geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 erteilt. Die dagegen eingelegten Einsprüche, mit denen der Kläger die Umsätze als steuerfreie Nebenleistungen zur Hauptleistung „Verpachtung des Betriebs“ begehrte, wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidung
Die Klage ist überwiegend begründet. Die geänderten Umsatzsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Zwar ist sowohl der auf die Überlassung der Brenntechnik und der Brennrechte als auch auf die Zahlungsansprüche/Prämienrechte entfallende Pachtanteil steuerpflichtig, jedoch nicht in der vom Beklagten geschätzten Höhe.
Die Überlassung der Brenntechnik, der Brennrechte und der Zahlungsansprüche/Prämienrechte sind als selbständige Leistungen steuerpflichtig und keine steuerfreien Nebenleistungen zur umsatzsteuerfreien Verpachtung der Hofstelle, der Ackerflächen und der Räumlichkeiten der landwirtschaftlichen Verschlussbrennerei.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH gelten für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze: Jeder Umsatz ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Zur Klärung der Frage, ob die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln.
Die Steuerpflicht für die Überlassung der Brenntechnik als Betriebsvorrichtung folgt zum einen unmittelbar aus § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG. Sie stellt keine Nebenleistung zur steuerfreien Verpachtung des Gebäudes, in dem sich die Brenntechnik befand, dar. Die Brenntechnik ist der Nutzung des Gebäudes nicht untergeordnet, sondern erfüllt im Hinblick auf die Produktion von Rohsprit einen eigenen Zweck. Insoweit unterscheidet sich aus Sicht des FG der vorliegende Fall vom Urteilsfall des FG Niedersachsen vom 11.06.2020 (11 K 24/19, Verpachtung Putenstall, Rev. beim BFH unter Az. V R 22/20), in dem die mitverpachteten Betriebsvorrichtungen in speziell abgestimmten Ausstattungselementen bestanden hatten, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Die Überlassung der Brennrechte vom Kläger an den Pächter der Brennerei stellt ebenfalls eine selbständige steuerpflichtige Leistung und keine Nebenleistung zu der steuerfreien Verpachtung des Brennereigebäudes oder auch des Hofes bzw. der Ackerflächen dar. Im Verhältnis zur steuerfreien Grundstücksüberlassung kommt der Überlassung der Brennrechte ein eigener Zweck zu, nämlich die Verwertung des hergestellten Rohsprits. Demgegenüber haben die überlassenen Brennrechte im Hinblick auf den in den gepachteten Räumlichkeiten durchgeführten Produktionsvorgang für den Rohsprit keinen unmittelbaren Einfluss.
Auch die Überlassung der Zahlungsansprüche ist weder als Nebenleistung zur Verpachtung der Ackerflächen bzw. des landwirtschaftlichen Betriebes steuerfrei noch unterliegt sie der Besteuerung nach Durchschnittssätzen im Sinne des § 24 UStG. Die Zahlungsansprüche dienen nicht der landwirtschaftlichen Nutzung der überlassenen Ackerfläche. Vielmehr handelt es sich dabei um Geldentschädigungen für die Erfüllung bestimmter Vorgaben für die Art und Weise der Verwendung der Ackerflächen, die zwar im öffentlichen bzw. allgemeinen Interesse liegt, den eigenen, mit der Anpachtung der Ackerflächen verfolgten produktiven landwirtschaftlichen Interessen des Pächters aber eher entgegensteht.
Das FG schätzt den auf die überlassene Brenntechnik und auf die Brennrechte entfallenden Anteil der monatlichen Pacht auf jeweils 250 € (brutto) und den auf die überlassenen Zahlungsansprüche entfallenden Anteil der Pacht für die x ha Ackerfläche auf 11,90 € (brutto) pro Jahr und Hektar.
Bei der Schätzung des Pachtanteils für die Zahlungsansprüche nimmt das FG insbesondere Bezug auf seine Entscheidung vom 02.07.2019 (Az. 15 K 1775/17), aus der sich ergibt, dass der Pachtwert der Zahlungsansprüche grundsätzlich deutlich unterhalb des Pachtwerts der Ackerfläche liegt und mit 1-2% des Nennwerts der Zahlungsansprüche bewertet werden könnte.
Ausgehend von einer einheitlichen Jahrespacht für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers von 30.000 € entfallen insgesamt 12.000 € auf den Nebenbetrieb der landwirtschaftlichen Verschlussbrennerei einschließlich der überlassenen Brenntechnik und Brennrechte. Im Hinblick auf den verbleibenden Pachtanteil i.H.v. 18.000 € schließt sich das FG unter Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis der Schätzung des Klägers an, wonach der Pachtanteil für die Überlassung der Hofstelle mit aufstehender Halle jährlich 6.000 € und der auf die Überlassung der Zahlungsansprüche entfallene Pachtanteil 345,10 € brutto/ha beträgt. Die danach auf die Überlassung der Ackerflächen entfallende verbleibende Jahrespacht von rund 400 €/ha liegt nach Auffassung des FG ebenfalls noch im Schätzungsrahmen.
Hinweis
Die Revision wird im Hinblick auf die Frage nach der Steuerfreiheit mitverpachteter Betriebsvorrichtungen zugelassen.