Ungerechte Grundsteuer? Nach Urteilen des Bundesfinanzhofs folgt koordinierter Ländererlass
In Deutschland wird die Grundsteuer ab dem 1.1.2025 erstmalig auf Basis der neu ermittelten Grundsteuerwerte festgesetzt. Mit dem kürzlich veröffentlichten koordinierten Ländererlass reagieren nun auch die obersten Finanzbehörden der Länder auf zwei Urteile des Bundesfinanzhofs, in denen den Steuerpflichtigen der Nachweis niedrigerer gemeiner Werte eingeräumt wurde. Diese Änderungen könnten weitreichende Auswirkungen für Eigentümer haben, insbesondere wenn der festgestellte Grundsteuerwert erheblich vom Markt- oder Verkehrswert des Grundstücks abweicht.
Hintergrund des gleichlautenden Ländererlasses
Mit zwei wegweisenden Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof im Mai 2024 klargestellt, dass Grundstückseigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden muss, einen deutlich unter dem vom Finanzamt festgestellten Grundsteuerwert nachzuweisen, der für die Festsetzung der Grundsteuer heranzuziehen ist. Die Möglichkeit des Ansatzes eines niedrigeren gemeinen Werts sieht das Gesetz nicht vor.
In einem Urteilsfall ging es konkret um ein Haus aus dem Jahr 1880 das seit Jahrzehnten nicht renoviert und noch mit Einfachverglasung ausgestattet war. Trotz des schlechten Zustands nahm das Finanzamt den gesetzlich normierten Mietwert an. Es war fraglich, ob dieses Haus in dem Zustand überhaupt vermietbar ist. Im zweiten Fall wurde im Rahmen der Bewertung der vom Gutachterausschuss festgesetzte Bodenrichtwert auf ein komplettes Grundstück angewendet, obwohl dieses aufgrund einer Hanglage nur teilweise bebaubar ist.
Verfassungsmäßigkeit typisierender und pauschalierender Bewertungsverfahren
Aufgrund des typisierenden und pauschalierenden Wertermittlungsverfahrens zur Ermittlung des Grundsteuerwerts ist eine gewisse Abweichung des im Rahmen des Feststellungsverfahrens ermittelten Grundsteuerwerts vom tatsächlichen Grundstückswert grundsätzlich hinzunehmen. Laut Bundesfinanzhof ist eine solche Ungenauigkeit bei der Wertermittlung so lange verfassungsgemäß, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall durch eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift abgewendet werden kann. Das Übermaßverbot kann laut Bundesfinanzhof verletzt sein, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist.
Nachweispflicht liegt beim Steuerpflichtigen
Zur verfassungskonformen Anwendung der Bewertungsvorschriften zur Feststellung von Grundsteuerwerten ist ein niedriger Wert anzusetzen, wenn der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt. Dies setzt eine umfassende Nachweisführung durch den Steuerpflichtigen voraus, die über eine bloße Darlegung hinausgehen muss.
Zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts können verschiedene Mittel herangezogen werden:
- ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses gemäß §§ 192 ff. BauGB,
- ein Gutachten von staatlich anerkannten Sachverständigen oder zertifizierten Gutachter:innen,
- ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Jahr vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis.
Für erbbaurechtsbelastete Grundstücke sowie Grundstücke auf fremden Grund und Boden gelten diese Grundsätze entsprechend. Hier ist ein Gesamtwert für das Erbbaurecht und das belastete Grundstück bzw. für den Grund und Boden sowie das Gebäude zu ermitteln.
Anwendung des Ländererlasses und Korrektur bestandskräftiger Bescheide
Der koordinierte Ländererlass ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. In Fällen, in denen der Grundsteuerwert bereits bestandskräftig festgestellt wurde und die Feststellung nicht mehr nach den Korrekturvorschriften der Abgabenordnung änderbar ist, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung vorliegen. Dies ist gegeben, wenn der bisher festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um mehr als 40 % übersteigt und diese Abweichung mehr als 15.000 € beträgt.
Fazit
Die Eröffnung der Möglichkeit des Nachweises niedrigerer gemeiner Werte bietet dem Steuerpflichtigen jetzt die Chance, gegen überhöhte Grundsteuerwerte vorzugehen. Auch wenn der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts mit teils hohen Kosten für die Erstellung eines Gutachtens verbunden ist, dürfte sich dies für viele Steuerpflichtige positiv auswirken, da so die Grundsteuerzahllast ab dem nächsten Jahr gesenkt werden kann. Dennoch bleibt abzuwarten, wie diese Änderung in der Praxis umgesetzt wird und welche Auswirkungen sie auf die kommunalen Steuereinnahmen haben wird.