Ungerechte Grundsteuer? Bundesfinanzhof schafft Klarheit für Grundstückseigentümer
Bundesfinanzhof sorgt für Klarheit bei der Grundsteuer: Eigentümer können tatsächliche Grundstückswerte nachweisen
Der Bundesfinanzhof hat eine wegweisende Entscheidung zur Grundsteuer getroffen. Nach einem Beschluss vom 27.5.2024, der kürzlich veröffentlicht wurde, müssen Grundstückseigentümer:innen die Möglichkeit haben, nachzuweisen, dass der tatsächliche Wert ihrer Immobilien deutlich unter dem vom Finanzamt festgestellten Wert liegt. Diese Entscheidung betrifft zwei Fälle aus Rheinland-Pfalz und könnte weitreichende Auswirkungen auf die Neubewertung von Grundstücken für Grundsteuerzwecke in Deutschland haben.
Hintergrund der Entscheidung
Der Bundesfinanzhof, das oberste deutsche Steuergericht, befasste sich mit zwei Fällen, auf die das sogenannte Bundesmodell für die Wertermittlung anzuwenden war. Eine Klägerin aus Rheinland-Pfalz hatte ein Haus aus dem Jahr 1880, das seit Jahrzehnten nicht renoviert und noch mit Einfachverglasung ausgestattet war. Trotz des schlechten Zustands nahm das Finanzamt den gesetzlich normierten Mietwert an. Es war fraglich, ob dieses Haus in dem Zustand überhaupt vermietbar ist. Im zweiten Fall wurde im Rahmen der Bewertung der vom Gutachterausschuss festgesetzte Bodenrichtwert auf ein komplettes Grundstück angewendet, obwohl dieses aufgrund einer Hanglage nur teilweise bebaubar ist.
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Finanzämter zwar pauschale Annahmen zur Berechnung der Grundsteuer treffen dürften; in Fällen, in denen die errechneten Werte wie in den Urteilsfällen jedoch deutlich über dem tatsächlichen Wert liegen, muss Eigentümer:innen die Möglichkeit eingeräumt werden, diese gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen. Als Orientierung für eine deutliche Abweichung nannte der Bundesfinanzhof etwa 40 %.
Fehlende Korrekturmöglichkeiten und Kritik
Im Bundesmodell, das in elf Bundesländern angewendet wird, ist eine solche Korrekturmöglichkeit bisher nicht vorgesehen, was auf breite Kritik stößt. Das Urteil des Bundesfinanzhofs greift diese Kritik nun auf und könnte die Grundlage für eine Anpassung der Regelungen im Bundesmodell sein. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass es sich bei den Verfahren um Eilverfahren handelte, die darauf abzielen, schnell den Bescheid der Finanzämter abzuwehren.
Zu der Frage der Verfassungswidrigkeit des Bewertungsverfahrens äußerte sich der Bundesfinanzhof nicht. Mittel- bis langfristig dürfte die Bewertung von Grundstücken für Grundsteuerzwecke ein Fall für das Bundesverfassungsgericht werden. Hier wäre sogar möglich, dass das Grundsteuergesetz gekippt wird – allerdings wäre dies ein Extremfall. Das Bundesmodell bewertet Immobilien im Wesentlichen nach dem Bodenrichtwert und einem statistischen Mietpreis von 2022. Haus & Grund sowie der Bund der Steuerzahler e.V. kritisieren diese Methode als unrealistisch und schwer nachvollziehbar. Dennoch hat die Entscheidung des Bundesfinanzhofs praktische Auswirkungen: Steuerzahler, die ähnliche Wertabweichungen für ihre Grundstücke erwarten, können sich auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs berufen und dem Finanzamt ein Gegengutachten vorlegen. In Baden-Württemberg hat das Finanzgericht kürzlich zwei Klagen gegen das baden-württembergische Grundsteuerverfahren abgewiesen. Das Gericht urteilte, dass das in Baden-Württemberg angewendete Bewertungsmodell verfassungskonform sei, ließ aber eine Revision des Bundesfinanzhofs zu. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) und der Eigentümerverband Haus & Grund haben angekündigt, diese Revision anzustreben.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs stellt ein wichtiges Signal für Grundstückseigentümer:innen dar. Sie stärkt die Position derjenigen, die der Meinung sind, dass die aktuelle Berechnungsmethode der Grundsteuer nicht immer den tatsächlichen Werten entspricht. Es bleibt abzuwarten, wie die Landesfinanzverwaltungen und letztlich das Bundesverfassungsgericht auf diese Entwicklungen reagieren werden. Klar ist jedoch, dass die Diskussion um die Grundsteuer in Deutschland weiter an Fahrt aufnehmen wird.