Teilnahmerecht trotz Stimmrechtsverbot bei GbR-Gesellschafterversammlungen

Niemand darf "Richter in eigener Sache" sein – aber bei der Beschlussfassung dabei sein

Beschlussfassungen in Gesellschaften sind seit jeher streitanfällig und enden allzu oft vor Gericht. Nicht selten geht es dabei um die Frage nach dem Umfang und den Rechtsfolgen eines Stimmverbots für Gesellschafter. Anders als im GmbH- oder Aktienrecht finden sich im Recht der Personengesellschaften keine gesetzlichen Regelungen zu Stimmverboten. Im Gesellschaftsrecht gilt aber allgemein für alle Gesellschaftsformen der Grundsatz, dass niemand „Richter in eigener Sache“ sein darf. Hierzu urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich, dass ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wenn der Beschluss darauf abzielt, sein Verhalten zu missbilligen. Die Richter stellten zudem klar, dass dadurch das Recht des betroffenen Gesellschafters zur Teilnahme an dem Beschlussverfahren jedenfalls unberührt bleibt. 

Wenn der Mitgesellschafter schaltet und waltet, wie er will…

Der Kläger ist zu einem Drittel Gesellschafter einer deutschen GbR und zudem Inhaber einer italienischen Gesellschaft, die Brillen herstellt und verkauft. Die deutsche GbR vertreibt diese Brillen unter einer für sie in Deutschland eingetragenen Marke und gestattete der italienischen Gesellschaft durch Lizenzvertrag zunächst einen eigenen Vertrieb unter der Marke. Die beiden Mit-GbR-Gesellschafter des Klägers erfuhren im Verlauf der Geschäftsbeziehung, dass der Kläger die eingetragene Marke der GbR in vertragswidriger Weise für sich und seine italienische Gesellschaft nutzte, um in Konkurrenz zur GbR die Brillen unter dieser Marke zu bewerben und zu verkaufen. Sie kündigten daraufhin per Anwaltsschreiben den Lizenzvertrag und untersagten dem Kläger und dessen italienischer Gesellschaft, die Marke der GbR zu nutzen und einen Parallelverkauf dieser Brillen zu betreiben. Das wollte sich der Kläger so nicht gefallen lassen und meinte, das bloße anwaltliche Schreiben hätte die Kooperation zwischen seiner italienischen Gesellschaft und der deutschen GbR nicht beenden können. Es fehle ein Beschluss der GbR zur Kündigung des Lizenzvertrags und Untersagung der Tätigkeit. Auch ein „durch schlüssiges Verhalten“ (konkludent) gefasster Beschluss durch die beiden Mit-GbR-Gesellschafter sei nicht wirksam; dazu hätte man ihn an der Beschlussfassung beteiligen müssen. 

… muss Einhalt geboten werden – aber wie macht man das richtig?

Zum Erstaunen der beiden Mit-GbR-Gesellschafter bekam er damit sogar Recht. Die Richter urteilten, dass das Anwaltsschreiben den Lizenzvertrag tatsächlich nicht wirksam kündigen konnte. Zwar war die Kündigung als durch schlüssiges Verhalten“ gefasster Beschluss der GbR zu deuten. Dies war möglich, weil der GbR-Gesellschaftsvertrag keine bestimmte Form der Beschlussfassung vorsah. Auch hätte der Kläger bei der Beschlussfassung einem Stimmverbot unterlegen, weil er ansonsten als „Richter in eigener Sache“ abgestimmt hätte. Allerdings – und das war wichtig – war dieser konkludente Beschluss wegen der fehlenden Beteiligung des Klägers unwirksam. Hierzu erklärten die Richter auch gleich, wie der Kläger hätte beteiligt werden müssen: Dem Kläger hätte im Vorfeld der Beschlussfassung die Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Standpunkt geltend zu machen und Einwendungen vorzubringen, kurz, sein Teilnahmerecht hätte – trotz des Stimmverbots – nicht missachtet werden dürfen. 

Recht auf Teilnahme trotz Stimmverbot

Das Urteil des BGH stellt klar, was längst einhellige Meinung im Gesellschaftsrecht ist: Das Teilnahmerecht bei Beschlussfassungen gilt als „unentziehbares Gesellschafterrecht“. Auch der einem Stimmrechtsverbot unterliegende Gesellschafter ist an der Willensbildung der Gesellschaft zu beteiligen. Der von der Stimmabgabe ausgeschlossene Gesellschafter soll kraft seiner Mitgliedschaft bei der Beschlussfassung in einer Versammlung die Möglichkeit haben, seine Ansicht über die zur Beratung oder Abstimmung anstehenden Tagesordnungspunkte darzulegen und Einwendungen geltend zu machen. Zudem soll er die Möglichkeit haben, darüber zu wachen, ob alle nach Gesetz und Satzung zur Beschlussfassung notwendigen Förmlichkeiten eingehalten werden. An diesem Grundsatz wird sich auch durch die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts nicht ändern. Unterschiedliche Ansichten bestehen lediglich dazu, ob die Verletzung des Teilnahmerechts von Gesellschaftern einer Personengesellschaft nach dem ab dem 1.1.2024 geltenden neuen Recht direkt zur Nichtigkeit oder zunächst nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (und im Ergebnis nach erfolgreicher Anfechtung dann zur Nichtigkeit) führt. 

BGH, Urteil v. 17.01.2023, II ZR 76/21

Dr. Olaf Lüke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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